Bestand

Königliches Landgericht Oschatz (Bestand)

Geschichte: Am 7. Oktober 1839 löste ein vom Königlichen Appellationsgericht Leipzig bestellter Kommissar das Justizamt Oschatz und das dortige Stadtgericht auf und eröffnete an deren Stelle das Königliche Landgericht Oschatz, welches alle Befugnisse der genannten Gerichtsstellen in sich vereinte. In den folgenden Jahren erhielt dieses Gericht auch die Patrimonialgerichtsbarkeit des Pfarrlehens Sornzig, der Superintendentur Oschatz und der Rittergüter Altoschatz, Borna, Bornitz, Casabra, Dahlen, Goldhausen, Gröba, Großböhla, Grubnitz, Hahnefeld, Hof, Kötitz, Lampertswalde, Leuben, Mannschatz, Naundorf, Oppitzsch, Radegast, Ragewitz, Saalhausen, Schmorkau, Stauchitz, Stennschütz, Strehla, Wellerswalde, Zöschau und Zschochau. Nachfolger waren das Gerichtsamt Oschatz und das Königliche Bezirksgericht Oschatz.
Weitere Angaben siehe 2.3.4.2.3 Königliche Gerichte.

Inhalt: Gerichtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Ablösungen.- Lokalverwaltung.

Ausführliche Einleitung: Oschatz, gelegen an der Gebirgsrandstraße Leipzig-Görlitz auf einem flachen Höhenrücken zwischen Mulde und Elbe, wurde 1246 erstmals als Stadt erwähnt. Bis fast zur Mitte des 19. Jh. oblag die Gerichtsbarkeit im Amtsbezirk Oschatz dem dortigen Justizamt, dem Stadtgericht Oschatz sowie zahlreichen Patrimonialgerichten in den umliegenden Ortschaften. Im Rahmen der Umgestaltung der Untergerichte Sachsens, die u. a. die Abtretung der Patrimonialgerichtsbarkeit an den Staat vorsah, ging aus den genannten Gerichtsstellen das "Königliche Landgericht Oschatz" hervor. Den Ausgangspunkt hierfür bildete der Rezess vom 30. Juli 1839 über die Abtretung der Ober- und Erbgerichtsbarkeit der Stadt Oschatz an den Staat, womit der dafür jährlich zu zahlende Pachtzins von 170 Talern entfiel.[01] Diese Jurisdiktion ging am 7. Oktober 1839, dem Tag der Eröffnung des neuen Gerichts, auf dieses über.[02] In den Jahren 1839-1856 traten rund 30 Rittergüter in der Umgebung von Oschatz die von ihnen bis dahin ausgeübte Gerichtsbarkeit ab, die ebenso wie die des Pfarrlehens Sornzig (1840) und der Superintendentur Oschatz (1845) an das genannte Königliche Landgericht überging. (Verzeichnis der abgegebenen Jurisdiktionen siehe Anlage 2)

Das Königliche Landgericht Oschatz stellte eine Gerichtsbehörde mit kollegialer Verfassung dar. Zum Direktor wurde Friedrich August Wilde berufen (zuvor Amtmann beim Justizamt Oschatz), der dieses Amt während der gesamten Existenz des Königlichen Landgerichts bekleidete und ab 1856 auch der Nachfolgebehörde, dem Gerichtsamt Oschatz, vorstand. (Verzeichnis des Personalbestandes siehe Anlage 1)

Nach einer interimistischen Unterbringung des Königlichen Landgerichts in dem aus dem frühen 17. Jh. stammenden Amtshaus am Markt erfolgte in den 40er Jahren des 19. Jh. der Umzug in ein neu erbautes Justizgebäude. Dieses großzügig angelegte Gebäude befand sich in der Nähe der Klosterkirche, enthielt Dienstzimmer und Verhandlungsräume, außerdem eine Hausmanns- und eine Beamtenwohnung. Im Gebäude waren auch Räume für die Archivierung der Gerichtsakten vorgesehen. Die Baupläne für das Justizgebäude stammen aus dem Jahre 1840, der finanzielle Voranschlag belief sich auf 16 500 Taler.[03]

Das Gesetz vom 11. August 1855 über die künftige Einrichtung der Behörden erster Instanz für die Rechtspflege und Verwaltung legte fest, dass die Rechtspflege - auch in erster Instanz - nur durch vom Staat bestellte Behörden auszuüben sei und die Patrimonialgerichtsbarkeit jeder Art auf den Staat übergehen sollte.[04] Ordentliche Gerichte der ersten Instanz bildeten die Gerichtsämter und die Bezirksgerichte. In Oschatz wurde im Oktober 1856 ein Königliches Gerichtsamt (unter dem Bezirksgericht Oschatz) eröffnet. Gleichzeitig stellte das Königliche Landgericht Oschatz seine Tätigkeit ein.

Das Königliche Landgericht Oschatz existierte 17 Jahre. Der Bestand ist im Vergleich zur Überlieferung der meisten anderen Königlichen Gerichte recht umfangreich. Die enthaltenen Akten betreffen den Zeitraum von 1772 bis 1856. Sie gelangten größtenteils ab 1956 im Rahmen der Übergabe von Archivgut der Provenienz Amtsgericht Oschatz und Vorgängerbehörden in das damalige Landesarchiv Leipzig (heute: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, StA-L). Abgebende Stellen waren das Landeshauptarchiv Dresden (heute: Sächsisches Hauptstaatsarchiv, StA-D) sowie das Kreisarchiv und der Rat des Kreises Oschatz.[05]

Der Bestand Königliches Landgericht Oschatz wurde 1998/99 im Rahmen der komplexen (Neu-)Bearbeitung der Akten der lokalen Justizbehörden des 19. Jh. formiert. Eine körperliche Trennung der zeitlich in Frage kommenden Akten, die in einer früheren Bearbeitungsstufe in das Amt Oschatz integriert worden waren, erschien wenig sinnvoll, zumal einige von ihnen bereits unter dieser Signatur benutzt wurden. Nur wenige Akten bilden auch körperlich den neuen Bestand "Königliches Landgericht Oschatz". Von diesen Akten wurden einige bei einer Prüfung der Provenienzen aus einzelnen Rittergutsbeständen des damaligen Gerichtsbezirks Oschatz bzw. aus dem Bestand Stadt Oschatz herausgelöst. Die restlichen Akten wurden im Rahmen der Beständebereinigung am 25. April 2002 dem StA-L übergeben.

Sie befanden sich bis dahin in den Lagerungsgemeinschaften Amtsgericht Meißen und Amt Mügeln des StA-D.

Die Akten wurden mittels einfacher Verzeichnung mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows erschlossen und virtuell zu dem neuen Bestand zusammengeführt. Enthält-Vermerke bilden die Ausnahme. Erfasst wurden nach Möglichkeit auch die alten Signaturen, und zwar sowohl Registratursignaturen als auch frühere Signaturen des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden. Ein Orts- und Personenregister wurde mit dem gleichen Programm erstellt.

Der Bestand Königliches Landgericht Oschatz wird von den Protokollbänden dominiert, davon ist der größte Teil der Gruppe Kauf-, Konsens- und Quittungsprotokolle zuzurechnen. Anzumerken ist, dass unter der Rubrik "Handelsprotokolle" inhaltlich ebenfalls Aufzeichnungen über Kauf und Verkauf, meist von Grundstücken, zusammengefasst sind. Die Akten der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit liegen zahlenmäßig unter denen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Aus dem Bereich Ablösungen und Gemeinheitsteilungen sind zahlreiche Unterlagen überliefert, welche die Abschaffung der feudalen Abhängigkeit in jenem Zeitraum demonstrieren. Hervorgehoben werden können auch die Akten über Grundstücksangelegenheiten. Hier spielen Grundstücksenteignungen im Zuge des Baues der Eisenbahnstrecken Chemnitz-Riesa und Leipzig-Dresden eine zentrale Rolle. Der Bau von Straßen und Brücken sowie die Instandsetzung von Wegen und Chausseen bestimmen ebenfalls das Bild einer Zeit mit sich ausweitenden Verkehrs- und Kommunikationsmöglichkeiten.

Als korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig sind Amt Oschatz sowie Gerichtsamt und Bezirksgericht Oschatz zu nutzen, des weiteren die Akten der Rittergutsbestände mit den Patrimonialgerichten aus dem genannten Zeitraum.

Für die Bestandsgruppe Königliche Gerichte im StA-L wurde eine bestandsübergreifende Findbucheinleitung erarbeitet.[06] Die Einleitung zum Einzelbestand enthält deshalb nur in verkürzter Form einen historischen Abriss der Entwicklung des Registraturbildners, Angaben zur Bestandsgeschichte und -bearbeitung sowie Hinweise auf Überlieferungsschwerpunkte im Bestand. Zur Vereinfachung übergreifender Recherchen wurde im vorliegenden Findbuch die für die Bestandsgruppe erarbeitete Klassifikation komplett übernommen; bei nicht belegten Klassifikationsgruppen erscheint in Klammern der Vermerk "entfällt". Die Bandbildung entstand in der Regel neu in chronologischer Reihenfolge. Bei der Reihung der Gerichtsprotokolle erscheinen zuerst die für mehrere Orte im Gerichtsbezirk zusammengefassten, gefolgt von den Protokollen für die einzelnen Orte in alphabetischer Reihenfolge. Soweit es zweckdienlich erschien, wurde ein Verweis auf Akten in anderen Beständen vorgenommen.

Anlage 1
Personalbestand des Königlichen Landgerichts zu Oschatz von 1839 bis 1856
(Quelle: Staatshandbücher für das Königreich Sachsen, 1841 bis 1855)


Direktor:
Friedrich August Wilde

Assessoren:
- Carl Gottfried Auster
- Victor Blöde
- Georg Heinrich von Carlowitz
- Gustav Friedrich Wilhelm Lohse
- Johann Carl Ferdinand Schier
- Eduard Hartenstein
- Carl Gustav Schmieder

Aktuare:
- Ludwig Immanuel Falian
- Friedrich Theodor Wieland
- Adolf Hermann Schulz
- Otto Ernst Hartung
- Carl Arthur Baumgarten-Crusius
- Ludwig Theodor Hantusch

Außerdem waren am Königlichen Landgericht Oschatz noch Expedienten, d. h. Registratoren, Sportel-Einnehmer und Sportel-Kontrolleure, Kopisten, Gerichtsfrone, Diener und Boten angestellt.




Anlage 2
Abgabe von Patrimonialgerichtsbarkeiten an das Königliche Landgericht Oschatz
OrtGerichtsherrschaftJahrTag, Monat
Zschochau

Rittergut

1839

26. Okt.

Sornzig

Pfarrlehen

1840

Juni

Grubnitz

Rittergut

1840

28. Juli

Ragewitz

Rittergut

1840

28. Juli

Zöschau

Rittergut

1842

30. März

Oschatz

Superintendentur

1845

März

Casabra

Rittergut

1848

13. Juni

Gröba

Erb- u. Allodialgut/ Rittergut

1850

7. Jan.

Radegast

Rittergut

1850

26. März

Wellerswalde

Rittergut

1851

10. Jan.

Stauchitz

Mannlehngut

1851

30. Jan.

Dahlen

Rittergut

1851

31. Jan.

Hof mit Raitzen

Rittergut

1852

27. Febr.

Oppitzsch

Rittergut

1852

20. April

Altoschatz

Rittergut

1852

18. Sept.

Leuben

Rittergut

1852

31. Dez.

Mannschatz

Rittergut

1855

)

Goldhausen

Rittergut

1855

)

Großböhla

Rittergut

1855

) 1.-7. Nov.

Lampertswalde

Rittergut

1855

)

Kötitz

Rittergut

1855

)

Schmorkau

Rittergut

1855

)

Saalhausen

Rittergut

1856

13. März

Hahnefeld

Rittergut

1856

April

Naundorf

Rittergut

1856

April

Stennschütz

Rittergut

1856

April

Strehla

Rittergut

1856

Juni

Borna

Rittergut

1856

Juni

Bornitz

Rittergut

1856

Juni



[01] StA-L, Amt Wurzen, 3188, 23.11.1839.
[02] LZ, 11.10.1839, S. 3693.
[03] StA-D, Justizministerium Nr. 1300.
[04] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855, Dresden, S. 144ff.
[05] Vgl. StA-L, Verwaltungsarchiv, Zu - und Abgangsbuch 1954 - 1975, Nr. 187.
[06] Vgl. V. Jäger, Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Königliche Gerichte, 1998.

Bestandssignatur
Sächsisches Staatsarchiv, 20071
Umfang
0,90 (nur lfm)

Kontext
Sächsisches Staatsarchiv (Beständegliederung) >> 02. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945 >> 02.03 Fachbehörden und nachgeordnete Einrichtungen >> 02.03.04 Justiz >> 02.03.04.02 Gerichte >> 02.03.04.02.03 Königliche Gerichte

Bestandslaufzeit
1801 - 1856

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Rechteinformation
Es gilt die Sächsische Archivbenutzungsverordnung vom 8. September 2022 (SächsGVBl. S. 526).
Letzte Aktualisierung
27.11.2023, 08:58 MEZ

Objekttyp


  • Bestand

Entstanden


  • 1801 - 1856

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