Archivalie

Liebs Tulle, Gestern Dein Express (braucht doch auch 4 Tage)...

Transkription: Samstag 24 Ap. 20 Liebs Tulle, Gestern dein Express (braucht doch auch 4 Tage) Also geht Dirs gut. Ich bin froh. Machst also keine Katastrophen. Bist ja a gsunder Kerle nicht wie Mirj. Bist allein, das ist recht. Hast Du aber einen Bruder, einen lieben einen guten! Ich sage natürlich: wer braucht jezt Geld u ist froh an Fränklein. Wer kann sich nur 2 Wecklein kaufen wo er ein ganzen Laden kaufen möcht. Sixt! mit mir ists so. Die Burger Sach muß ich in Gottsnamen zu end bringen, darüber wird der Sommer vergehen aber im Herbst muß es stehen. Kürzlich war das Gespräch: Burger, er u. sie, ebenso Casca, wollen nur arbeiten jezt mit aller Gewalt um sich nachher auf ein fleck Erde hinzuhocken: summa: sich einfach unabhängig machen. Ich muß immer dabei denken: und stirbt nun einer auf dem Weg dazu, dann hat er geschuftet und hat nichts von der Seligkeit. Ich muß sagen das Unabhängig sein hat für mich auch noch immer großen Reiz ich habe das Gegenteil schon zu schmerzlich empfunden; und würde also wol auch ein Opfer bringen, es zu erreichen. Aber ich kann doch meinem innern mir einzig wesentlichen Menschen nicht auf die Seite stellen auf unbestimmte Zeit und ihn später dann wieder hervorholen; die wertvollen Jahre an das Mittel verwenden um dann endlich am Zweck angelangt ein alter Trottel zu sein. Also ich muß jezt nun einmal in Stuttg. sein u bleiben bis diese B.Sache erledigt ist. Ich fühle immer mehr was ich mir damit aufgeladen, fühle es um so sehr je mehr ich ins Schlepptau genommen werde: daß eine Sache die nicht ganz die meine ist hingestellt wird als seis die meine. Sie ists in diesem Verhältnis nur bei materiellem Gewinn. Bei künstlerischem Erfolg fürchte ich sogar nur in weitere ungewollte Konzequenzen verstrickt zu werden. Expression.- Theater - ist mir ja so ferne. Ist Erfolg - so mag Burger machen u tun was er will, dann mag er die Sache ausschlachten in allen Ländern der Erde - ich bin mit einer Abfindung zufrieden. Ist kein Erfolg - womit ich auch rechne - Burger nicht - so wird er zu seiner alten Tätigkeit - Tanzstunde - zurückkehren u ich bin am ehesten frei. Aber sieh Tulle: das mein ich mußt abgewartet werden. Selbst am Bodensee der wol möglich immer Weisheit lezter Schluß sein kann, möcht ich mich nicht binden. Man müßte auch bei solchem Besitztum sein u es nicht sich selbst überlassen, heutigentags. Dies alles aber wohin und wie soll alles Ergebnis dieser nächsten Zeit werden, ich meine mein Ergebnis, wenn ich ruhig werde und meine Lebensbilanz gemacht habe. Ich kann mich heute nicht für Amsterdam entschließen, ich dachte die Tage sogar an Italien. Aber denken tu ich immer und es wird auch einmal ein Punkt kommen wo die Möglichkeiten sich eine einzige vereinen. Dann weiß ich was tun u werde tun u handeln. Solang lass mir Zeit. - Was mit dem Geld jezt? Soll ich es hierher auf die Sparkasse tun? Natürlich auf Dein u meinen Namen. Soll es in Amsterdam liegen bleiben. Ich will sehen was zu tun ist. - Der Schmidt in Todtmoos hat dort ein Haus gekauft. Seine frau vermietet Zimmer, sagt frau Haag. Vielleicht besuch ich ihn doch noch auf der Maiwanderung. War infolge des Umzugs noch gar nirgends. Nicht bei Temes, Mirj. nicht gesehen, aber Bürkle sagt daß sie die polizeil. Erlaubnis für den Koffer jezt erwirkt hätte. Sie tut sicher was sie kann. Weißt, Tulle, es muß doch alles Hand u Fuß haben. Z.B. wir haben so ein Haus, eine Hütte. Was tut danns Tulle? Wenn der Bosk auch nix tut was Geld einbringt; und wenn das Geld was das Tulle kriegt im Haus steckt und fürs Leben nix mehr da ist. Weißt, ich tät von der Hand in den Mund leben, ich könnt vieles was zu zweit nicht geht. Aber Hühner u eine Ziege müßt auch da sein. Und für den Bosk ein Zimmer wo er die Tür abschließt. Und vor dem haus die Wiese. Vielleicht steckt der Bosk auch die Malerei auf und tut was andres. Vielleicht bauern oder sonst was. Es genügt nämlich Malerei am Sonntag, die ist dann umso echter. Vielleicht ziehen wir auch zu Hoffmanns nach dah

Collection
Archiv Oskar Schlemmer
Inventory number
AOS 2015/1561
Material/Technique
Papier; Tinte

Event
Herstellung
(who)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Tut Schlemmer (12.11.1890 - 25.04.1987)
Provenance
Abschrift vorhanden; Ordner 1920-1926 (unvollstänig) und Oskar Schlemmer. Briefe und Tagebücher, 1958

Rights
Staatsgalerie Stuttgart
Last update
28.03.2025, 12:10 PM CET

Data provider

This object is provided by:
Staatsgalerie Stuttgart. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Archivalie

Associated

Other Objects (12)