Bestand
Reichsstelle für Garten- und Weinbauerzeugnisse (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Die "Reichsstelle für Garten- und Weinbauerzeugnisse" (Reichsstelle)
wurde am 01. November 1936 errichtet. Die gesetzliche Grundlage für die
Errichtung bildete das Gesetz über den Verkehr mit Garten- und
Weinbauerzeugnissen vom 30. September 1936 (RGBL. I S. 854).
Die Reichsstelle übte eine staatliche
Wirtschaftstätigkeit aus. Ihre Hauptaufgabe war es, die Einfuhr der
bewirtschafteten Erzeugnisse mengenmäßig, örtlich und zeitlich nach den
Bedürfnissen des Binnenmarktes zu überwachen und zu lenken sowie
gleichzeitig hiermit die Preisgestaltung dieser Erzeugnisse so zu leiten,
dass Störungen, die sich aus der Verschiedenheit der Weltmarktpreise mit
den inländischen Preisen ergeben, möglichst vermieden wurden.
Die Reichsstelle war also auch in den inneren
Marktausgleich sowie in die Vorratswirtschaft eingeschaltet. Nur durch
sie durften aus dem Zollausland oder einem Zollausschlussgebiet
eingeführte Garten- und Weinbauerzeugnisse im Zollinland in den Verkehr
gebracht werden.
Alle aus dem Zollausland oder aus
einem Zollausschlussgebiet einzuführenden Garten- und Weinbauerzeugnisse,
die dem Gesetz über den Verkehr mit Garten- und Weinbauerzeugnissen vom
30. September 1936 unterlagen, waren also der Reichsstelle zum Kauf
anzubieten. Die Übernahme durch die Reichsstelle erfolgte mittels eines
Übernahmescheins, dessen Ausstellung der Einführer bei der Reichsstelle
beantragte. Eine Verpflichtung zur Übernahme der angebotenen Garten- und
Weinbauerzeugnisse bestand für die Reichsstelle nicht. Die Einfuhr der
Waren konnte also jederzeit unterbunden werden. Die vom inländischen
Erzeuger in den inländischen Handel gebrachten Garten- und
Weinbauerzeugnisse unterlagen mit Rücksicht auf die für sie durchgeführte
Marktordnung nicht den Beschränkungen des Gesetzes über den Verkehr mit
Garten- und Weinbauerzeugnissen. Lediglich die aus dem Zollausland oder
einem Zollausschlussgebiet eingeführten Erzeugnisse wurden von der
Reichsstelle bewirtschaftet. Ihr Umfang ergab sich aus Artikel III der
siebten Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über den
Verkehr mit Garten- und Weinbauerzeugnissen vom 07. Juni 1940 (RGBl. I S.
862).
Die Reichsstelle führte im Wesentlichen aus
folgenden Ländern Erzeugnisse ein:
- Europäische
Ursprungsländer:
Baltische Staaten, Belgien,
Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien,
Jugoslawien, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Russland, Schweden,
Schweiz, Slowakei, Spanien, Ungarn und Portugal.
-
Außereuropäische Ursprungsländer:
Afghanistan,
Ägypten, Australien, Argentinien, Brasilien, Chile, China, Japan, Indien,
Iran, Kamerun, Kanada, Mexiko, Palästina, Somalia, Südafrikanische Union,
Syrien, Türkei, USA und Westindien.
Die
eingeführten Erzeugnisse wurden zu folgenden Erzeugnisgruppen
zusammengefasst:
- Gemüse, Obst, Südfrüchte,
Kartoffeln, Gemüsesamen, Blumensamen, Tabaksamen, Kümmel, Azaleen,
Schnittblumen und Rentierflechte.
Die Reichsstelle
war in Hauptabteilungen, Abteilungen und Sachgebiete gegliedert.
Die Aufteilung in Abteilungen und deren Untergliederung
in Sachgebiete ergab sich aus dem Geschäftsverteilungsplans.
Mit Verordnung vom 06. Dezember 1938 (Deutscher Reichs-
und Preußischer Staatsanzeiger 1938 Nr. 291) wurde die
"Überwachungsstelle für Gartenbau-Erzeugnisse, Getränke und sonstige
Lebensmittel" (Überwachungsstelle), die am 24. September 1934 errichtet
wurde (Deutscher Reichs- und Preußischer Staatsanzeiger 1934 Nr. 209),
mit der Reichsstelle zur "Reichsstelle für Garten- und Weinbauerzeugnisse
als Überwachungsstelle" (Reichsstelle als Überwachungsstelle)
zusammengelegt.
Bei der Zusammenlegung wurden
Einrichtungen gleicher oder ähnlicher Art der beiden Dienststellen soweit
als möglich vereinigt, so z.B. die Geld-, Vermögens-, Personal- und
Materialverwaltung, die Register, die Kanzlei, die Poststelle sowie die
am gleichen Ort befindlichen Außenstellen. Auch die frühere
Hauptabteilung III der Reichsstelle und die Ländergruppen I - VI der
Überwachungsstelle wurden zusammengelegt, so dass die Anträge auf
Erteilung von Devisenbescheinigungen und Übernahmescheinen in einem
Arbeitsgang erledigt werden konnten. Die Reichsstelle als
Überwachungsstelle war nunmehr in 5 Hauptabteilungen, 6 Abteilungen, 21
Unterabteilungen und 15 Sachgebiete gegliedert.
Das Aufgabenspektrum der Reichsstelle als solche blieb jedoch in
grundsätzlicher Hinsicht unverändert. Hinzu kam der im Wesentlichen
unveränderte Aufgabenbereich der Überwachungsstelle, nämlich die Prüfung
der von den Importfirmen eingereichten Anträge auf Erteilung von
Devisenbescheinigungen nach formalen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkten, insbesondere nach Maßgabe der Vorschriften auf dem
Gebiet der Devisenbewirtschaftung, des Imports von Gemüse, Obst, Säften,
Weinen, Tee und lebenden Pflanzen, sowie deren Kontingentierung. Im
Weiteren erteilte sie auch beantragte Devisenbescheinigungen und
kontrollierte die ordnungs- und fristgerechte Ausnutzung der erteilten
Devisenbescheinigungen durch die Importeure.
Das
Aufgabengebiet der Reichsstelle als Überwachungsstelle war also auch
durch das Gesetz über die Devisenbewirtschaftung bestimmt. Gemäß § 2 Abs.
2 dieses Gesetzes trafen neben den Devisenstellen auch die
Überwachungsstellen ihre Maßnahmen und Entscheidungen nach Richtlinien,
welche die Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung im Einvernehmen mit
dem Reichswirtschaftsminister und dem Reichsminister für Ernährung und
Landwirtschaft aufstellte. Diese Richtlinien grenzten das Aufgabengebiet
der Überwachungsstellen dahingehend ab, dass sie Wareneinfuhr und
Warenbezahlung überwachten und die Einkaufspreise kontrollierten. Sie
hatten ferner Maßnahmen auf dem Gebiet der inneren Bewirtschaftung (z.B.:
Verarbeitungs- und Ausfuhrverbote) zu treffen.
Die
Reichsstelle als auch die Überwachungsstelle waren Körperschaften des
öffentlichen Rechts, also eigene Rechtpersönlichkeiten, die sich selbst
finanzierten und nicht aus Reichsmitteln unterhalten wurden. Sie
unterstanden der Dienstaufsicht des Reichsministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft. Von diesem musste sich auch die Reichstelle als
Überwachungsstelle die Gebührenordnung genehmigen lassen.
Gebührenpflichtige Tatbestände waren beispielsweise die Ausstellung von
Devisenbescheinigungen und die Abgabe von Gutachten zu privaten
Verrechnungsgeschäften. Buch- und Betriebsprüfungen führte die
Überwachungsstelle allerdings gebührenfrei durch; es sei denn die
Betriebsprüfung ergab, dass ein Unternehmen gegen behördliche Anordnungen
verstoßen hatte.
Nach Kriegsausbruch war die
Reichsstelle als Überwachungsstelle hinsichtlich der Warenbeschaffung vor
neue Aufgaben gestellt. Sämtliche Feindstaaten und ein großer Teil der
neutralen Staaten fielen als Lieferanten aus, während der Bedarf an
Lebensmitteleinfuhren jeder Art ständig anstieg. Hierdurch stiegen auch
die Preise im Ausland stark an, so dass die bisherige Aufgabe der
Reichsstelle, die Auslandspreise durch Unterschiedsbeträge auf das
deutsche Preisniveau anzuheben, illusorisch wurde und schließlich eine
Umkehrung in das Gegenteil erfuhr, nämlich die Verbilligung der
eingeführten Waren. Die weitere Aufgabe, die gebietsmäßige Lenkung der
Wareneinfuhr war schon bei Kriegsausbruch in erhöhtem Maße auf die
Hauptvereinigungen (z.B.: Hauptvereinigung der deutschen
Gartenbauwirtschaft) übergegangen, so dass nur noch das Aufgabengebiet
der Überwachungsstelle blieb. Die Reichsstelle als solche wurde daher
Anfang Juli 1943 stillgelegt. Dafür nahm die Überwachungsstelle im Zuge
der Kriegsauswirkungen mit den wachsenden Schwierigkeiten der
Warenbeschaffung immer größeren Umfang an.
Nach
Ende des Krieges wurde das Vermögen der Reichsstelle von den Alliierten
abgewickelt.
Die Vorrats- und Einfuhrstelle in
Hamburg war durch § 5 Ziffer 2 der Verordnung des Zentralamtes für
Ernährung und Landwirtschaft vom 17. August 1946 (Amtsblatt für Ernährung
und Landwirtschaft Nr. 2 vom 24.08.1946) und durch Erlass des Ernährungs-
und Landwirtschaftsrates in Stuttgart vom 04. Juli 1946 ermächtigt, das
Vermögen der Reichsstelle, soweit es sich in der amerikanischen und
britischen Besatzungszone befand, abzuwickeln. Die Außenstelle in Bayern
wurde durch die Geschäftsstelle der Wirtschaftsverbände
abgewickelt.
Zur Durchführung der Abwicklung wurde
ein Sachwalter ernannt, der seine Tätigkeitserlaubnis von der zuständigen
britischen Kontrollbehörde erhielt und die "Abwicklungsstelle der
Reichsstelle für Garten- und Weinbauerzeugnisse als Überwachungsstelle"
in Berlin sowie die "Abwicklungsstelle der Hauptvereinigung der deutschen
Gartenbauwirtschaft und Reichsstelle für Garten- und Weinbauerzeugnisse
als Überwachungsstelle - Außenstelle München" leitete.
Die endgültige Auseinandersetzung über das Vermögen der früheren
Reichsstellen innerhalb der vier Besatzungszonen blieb der Entscheidung
des alliierten Kontrollrats vorbehalten.
Bestandsbeschreibung
Die Akten der Reichsstelle für Garten- und
Weinbauerzeugnisse gelangten 1974 von der Oberfinanzdirektion Berlin, die
mit der Abwicklung des Reichsnährstands beauftragt war, in das
Bundesarchiv nach Koblenz.
Die 248 Akten haben
eine Laufzeit von 1930 bis 1973, wobei die Masse der Akten zwischen 1936
und 1945 entstand. Die Unterlagen enthalten vor allem Schriftgut, das
aufgrund der Geschäftsbeziehungen der Reichsstelle mit den Importeuren
entstanden ist: Vereinbarungen zu Mengen und Preisen für unterschiedliche
Erzeugnisse, Devisenbescheinigungen und Übernahmescheine, Aktenvermerke
über Dienstreisen und Betriebsprüfungen.
Der
Bestand kann auch eingeschränkt als Ersatzüberlieferung für die wegen
Kriegsschäden unzureichende Überlieferung des Bestandes R 3601
(Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft) herangezogen werden.
Es wurden keine Kassationen vorgenommen.
Archivische Bewertung und Bearbeitung
Ein
Aktenplan für die Reichsstelle existierte nicht. Auch war in der
Reichsstelle keine Registratur vorhanden. Die Ordnung der Akten und deren
Ablage erfolgte durch die Mitarbeiter der Reichsstelle nach deren
jeweiligen Aufgaben und Prioritäten. Die Aktenordnung ist deshalb zum
Teil eigenwillig und unsystematisch. Demzufolge finden sich in den Akten
Unterlagen unterschiedlicher sachthematischer Zuordnung. Lediglich eine
Ordnung nach einzelnen Ländern ist erkennbar. An dieser Ordnung nach
Ländern orientiert sich die Klassifikation im Findmittel. Vorarchivisch
waren nur wenige Akten mit Titeln versehen. Die Aktentitel wurden daher
nach dem überwiegenden sachlichen Inhalt der Akte gebildet. Die
Verzeichnungseinheiten wurden ggf. mit Enthält-Vermerken tiefer
erschlossen.
Inhaltliche Charakterisierung:
Überlieferungsschwerpunkte bilden vorallem Unterlagen aus der
Geschäftstätigkeit der Reichsstelle, dabei v.a. Ministerialerlasse sowie
Materialien zum Außenhandel mit europäischen und außereuropäischen
Ländern
Erschließungszustand: Findbuch
(2004)
Zitierweise: BArch R
15-IV/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch R 15-IV
- Extent
-
248 Aufbewahrungseinheiten
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Wirtschaft, Rüstung, Landwirtschaft
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Object type
- Bestand
Associated
- Reichsstelle für Garten- und Weinbauerzeugnisse, 1936-1945
Time of origin
- 1934-1945(-1961)