Malerei
Der Zeitungsleser
Seinen mit weit aufgerissenen Augen ungläubig die Meldungen zur Kenntnis nehmenden „Zeitungsleser“ malte Scharl 1935. Auf welches Ereignis der Dargestellte konkret reagiert, ist nicht bekannt, aber die bedrängende politische Atmosphäre der Zeit teilt sich deutlich mit. Im März 1935 war mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ die Wiedereinführung der Wehrpflicht beschlossen worden. Empört hatte die internationale Presse im Juni über Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte am Berliner Kurfürstendamm berichtet. Und im September wurden auf dem siebten Reichsparteitag der NSDAP die „Nürnberger Gesetze“ verabschiedet, welche dem Antisemitismus eine juristische Grundlage gaben. Den „Reichsparteitag der Freiheit“ begleitete eine Kunstausstellung in der Städtischen Galerie Nürnberg. Sie übernahm eine bereits in Dresden und Hagen gezeigte Schau unter dem Titel „Entartete Kunst“ und erweiterte sie durch eigene Bestände. Dazu gehörte Scharls 1927 entstandenes und sich seit 1931 in der Nürnberger Sammlung befindendes „Porträt Albert Einstein“ (heute Privatbesitz), das bereits im April 1933 in einer als „Schreckenskammer“ bezeichneten Präsentation der Städtischen Galerie gezeigt worden war. Andererseits konnte die Berliner Galerie Nierendorf Mitte Mai 1935 eine Scharl-Ausstellung einrichten, und noch im Februar 1937 wagte es der Münchner Galerist Günther Franke, Scharls „Zeitungsleser“ in seinem Graphischen Kabinett zu zeigen. Doch die politische und wirtschaftliche Lage wurde zunehmend schwieriger, sodass der Maler im Dezember 1938 in die USA emigrierte. | Dieter Scholz
- Material/Technik
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Öl auf Leinwand
- Maße
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Höhe x Breite: 115 x 96 cm
Rahmenmaß: 125 x 105 x 5 cm
- Standort
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Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
- Inventarnummer
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NG 14/64
- Rechteinformation
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Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
- Letzte Aktualisierung
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08.05.2023, 07:18 MESZ
Objekttyp
- Malerei
Entstanden
- 1935