Archivale
Gesuch an Bürgermeister und Rat zu Reuttlingen
Regest: Der Unterzeichnete ist von Adam Trommeter ersucht worden, zum Kind seines Tochtermannes Michel Böckhel zu kommen. Denn es stehe mit demselben gar sorglich und es habe einen bösen Schaden am Backen, ebenso wie er bei Gori Trommeters Knaben auch gewesen ist, was man den kalten Brand nennt. Er und sein Tochtermann haben Mr. Carlin Heyß, Schnittarzt +), angesprochen und gebeten, dem Kind Hilfe zu tun. Sobald aber M. Carlin gesehen habe, dass das Kind den kalten Brand habe und er selbigem nicht abwarten (= ihn nicht behandeln) könne, wurde der Unterzeichnete durch ihn vorgeschlagen. Der genannte Schneider, Trommeters Tochtermann, kam in seine Behausung und bat ihn im Beisein seines Schwähers (= Schwiegervaters), zu kommen und zu der Sache zu tun, was die Notdurft erfordere (= nötig sei). Meister Carlin selbst lasse ihn darum bitten. Der Unterzeichnete erklärte, wenn er zu solchem Schaden des kalten Brands gebrauchen solle, was dazu gehöre, und seinem Gewissen genug tun wolle, so wisse er kein anderes, besseres Mittel als das, das er bei Goris Knaben gebraucht habe. Doch besorge er, es werde und könnte umsonst sein, was man mit ihm vornehme, und ihm die aufgewendeten Kosten nicht bezahlt werden. Darauf antwortete jener, er wolle ihn nicht, möge es gehen, wie Gott wolle, im Schaden liegen lassen. Wenn nun dieses Kind kuriert würde und aufkommen ++) sollte, könnte es ein abscheuliches Gesicht bekommen, wie der Knabe des Gori. Stürbe es aber, so könnte er sagen, der Unterzeichnete hätte ihm entholfen +++), aber nicht geholfen und sich der Anforderung der angewendeten Unkosten beschweren (d. h. die Bezahlung verweigern), wie es jetzt allbereits von ihm geschieht. Er hat ihn, den Unterzeichneten, deswegen auch auf dem Rathaus öffentlich verschrien und ihm unter die Augen gesagt, er habe seinem Kind nicht geholfen, sondern entholfen, und er wolle mit ihm, dem Unterzeichneten vor den Rat, wie er sich dessen gegen seinen Zunftmeister Steffan Gröninger verlauten liess und dieser dem Unterzeichneten im Beisein des Ratsherrn Hans Schorr anzeigte, jener habe über ihn und nicht er über jenen zu klagen, mit dem Vorgeben, der Unterzeichnete habe das Kind am Backen geschnitten, was er nicht hätte tun sollen. Es hat sich aber keiner bei dieser giftigen Krankheit gebrauchen lassen, wie auch bei dem Knaben des Gori geschehen ist, obwohl er Mr. Jonas ++++), Mr. Carlin selig und Mr. Martin dazu erforderte. Kein Arzt hat sich bei den giftigen genannten Schäden brauchen lassen wollen, wie er, der Unterzeichnete, es auch ungern getan hat. Mr. Jacobus Campanus ist vor ihm auch bei diesem Kind gewesen, hat Mittel gebraucht, ist dann aber wieder davon gestanden. Hernach hat der Unterzeichnete auch den Physikus D. Sebald Stoffel und D. Alexander Cammerer auf dem Markt angeredet, mit ihm zu gehen und diesen Schaden zu besichtigen. Sie weigerten sich aber, mit Vermelden, "wär schlechte Hülf dasein".
Der Unterzeichnete bittet den Rat, dem Schneider Böckhel Stillschweigen aufzuerlegen, dass er ihn deswegen gegenüber der Bürgerschaft unausgerüft (= unverleumdet) lasse und ihm die aufgewendeten Unkosten und den Arztlohn bezahle, weil der Schneider sich mit ihm nicht hat gutwillig vergleichen wollen, sondern schier (= fast) von ihm Geld begehrte. Zudem tut er mit solchem Ausschreien ihm Gewalt und Unrecht, da er, der Unterzeichnete, an seinem Fleiss nichts hat ermangeln lasse. Er schädigt ihn auch an seinem Handwerk. Wenn der Unterzeichnete bei dem Kind unrechte Mittel gebraucht hat, so will er sich von dem Rat strafen lassen. Wenn jener auf seinem stutzigen Kopf beharren und ihn nicht befriedigen will, so beruft der Unterzeichnete sich vor dem Rat auf eine Fakultät oder unparteiische Meister.
Untertäniger, gehorsamer Bürger (Kein Name!).
- Reference number
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A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 4333
- Formal description
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Beschreibstoff: Pap.
- Further information
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Bemerkungen: +) Schnittarzt = Wundarzt. Carolus Heuss in Nr. 2993 (6. Oktober 1593)
++) Fischer: Schw. WB: = genesen, mit dem Leben davon kommen
+++) Fischer: Schw. WB: enthelfen Gegensatz zu helfen, also etwa = schädigen
++++) Wundarzt Jonas Orttlieb in Nr. 2993 (6. Oktober 1593)
Genetisches Stadium: Or.
- Context
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 11 Zünfte Ärzte
- Holding
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A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)
- Date of creation
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1571 (?) Februar 16 (?)
- Other object pages
- Last update
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20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
Stadtarchiv Reutlingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Archivale
Time of origin
- 1571 (?) Februar 16 (?)