Bestand

Klettgau (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Die Landgrafschaft Klettgau fiel im Erbgang 1687 von den Grafen von Sulz an die Fürsten Schwarzenberg. Tiengen, bis dahin Residenz der Grafschaft, blieb Sitz eines schwarzenbergischen Oberamts. Nachdem 1801/1803 bereits die schweizerischen Ortschaften der Landgrafschaft an die Kantone Zürich und Bern übergegangen waren, wurde die Landgrafschaft 1806 zum standesherrlichen Amt Klettgau im Großherzogtum. Als Baden 1812 dieses Amt kaufte, wurde das herrschaftliche Archiv geteilt: Familienschriftgut kam in das Fürstlich Schwarzenbergische Archiv in Wien, von dort nach Böhmisch-Krumau (Cesky Krumlov), wo es heute als Teil des Staatsarchivs Wiltingau (Trebon) verwahrt wird. Das Verwaltungsschriftgut gelangte 1823 in das Provinzialarchiv Freiburg (vgl. GLA 68/526 sowie Bestände 10 und 224) und nach dessen Auflösung 1841 in das Generallandesarchiv.



Vorwort: Die Landgrafschaft Klettgau entwickelte sich im 13. Jahrhundert, wobei fraglich ist, inwieweit ältere Traditionen der Gaugrafschaft gleichen Namens und das hier schon früher vorhandene Landgericht dabei eine Rolle spielten. Die wichtigsten Herrschaftsträger des Hochmittelalters dieses Gebietes waren neben dem Kloster Rheinau die Herren von Krenkingen, der Bischof von Konstanz und die Grafen von Habsburg. 1325 erscheint Rudolf von Habsburg-Laufenburg als Landgraf im Klettgau. 1408 erlosch die Linie Habsburg-Laufenburg und die Landgrafschaft kam an die Grafen von Sulz. Diese hatten ihre ursprünglichen Herrschaftsgebiete am mittleren Neckar bis auf wenige Reste an Württemberg verloren und begannen nun einen neuen Herrschaftsmittelpunkt ihres Hauses im Klettgau aufzurichten. Ihre Versuche, alte Vogteirechte gegenüber dem Kloster Rheinau durchzusetzen waren nicht erfolgreich, aber gegenüber dem Bischof von Konstanz konnten sie sich in mehreren Schritten durchsetzen. Insbesondere gelang ihnen 1482 die Pfand weise Erwerbung der Stadt Tiengen vom Bischof. Die Stadt, in der die Landgrafschaft Stühlingen noch Hoheitsrechte besaß, wurde Residenz der Grafen. Nach dem Aussterben der männlichen Linie der Grafen von Sulz im Jahr 1687 fiel die Landgrafschaft Klettgau an den Fürsten Ferdinand von Schwarzenberg, der eine Tochter des letzten Grafen von Sulz geheiratet hatte. Die Fürsten von Schwarzenberg, deren Stammlande im fränkischen Bayern lagen, hatten verschiedene weitere Besitzungen im Reich. Insbesondere besaßen sie ausgedehnte Gebiete in Böhmen. Sie pflegten enge Beziehungen zum Kaiserhaus und regierten ihre Herrschaften häufig von Wien aus. Auch die Landgrafschaft Klettgau war nur eine entfernte Außenbesitzung, die allerdings durch ihren reichsrechtlichen Rang - 1698 wurde sie zum Fürstentum erhoben - besondere Bedeutung hatte. Die Landgrafschaft wurde durch die Oberamtmänner in Tiengen und Jestetten und die darüber stehende Regierung in Tiengen verwaltet. Nur gelegentlich besuchte der Fürst seine Herrschaft persönlich, aber die Regierung musste über viele Vorgänge der Verwaltung Bericht nach Wien geben und die fürstliche Entscheidung einholen. Gegen Ende des Jahrhunderts stand die fürstliche Herrschaft zunehmend im Zeichen des aufgeklärten Absolutismus. Die Reichskriege mit Frankreich führten zu einer hohen Verschuldung des Landes und als die Landeshoheit 1806 an das Großherzogtum Baden fiel, musste dieses auch eine große Schuldenlast übernehmen. Die Fürsten von Schwarzenberg bildeten eine standesherrliche Verwaltung mit Sitz in Tiengen, aber schon 1812 entschlossen sie sich, ihre verbliebenen standesherrlichen Rechte an Baden zu verkaufen. Der vorliegende Bestand ist im Laufe des 19. Jahrhunderts nach dem im Generallandesarchiv damals angewandten Pertinenzprinzip gebildet worden. Es wurden aus sämtlichen Archiven der in den Jahren nach 1802 an Baden gekommenen Territorien und Institutionen hier diejenigen Akten zusammengefasst, die die Landgrafschaft Klettgau insgesamt betrafen. So spiegelt sich im jetzt erstellten Provenienzverzeichnis (S. 692) des Bestandes die Zusammensetzung der Territorien und kirchlichen Institutionen wieder, die einen Bezug zu der Landgrafschaft hatten. Zuerst sind hier die Grafen von Sulz zu nennen, die die Landgrafschaft von 1408 bis 1687 innehatten. Insgesamt 73 Akten (4 %) sind gräflich sulzischer Provenienz. Sicher sind sie über das schwarzenbergische Archiv in Tiengen in das Generallandesarchiv gekommen, aber sie sind nach 1687 nicht fortgeführt worden und nicht mit Archivsignaturen oder Umschlägen des schwarzenbergischen Herrschaftsarchivs versehen worden. Zahlreiche weitere Akten wurden jedoch in schwarzenbergischer Zeit weitergeführt oder in das schwarzenbergische Archiv in Tiengen übernommen und sind daher unter der Provenienz "Landgrafschaft Klettgau" erfasst. Insgesamt 311 Akten enthalten Schriftverkehr aus der Zeit vor 1687. Dies macht einen Anteil von 16% des Gesamtbestandes aus und gibt ein genaueres Bild der enthaltenen sulzischen Überlieferung. Es finden sich hierunter auch verschiedene Unterlagen über die über den Klettgau hinausgreifenden Aktivitäten der Grafen. Insbesondere sei hier auf die unter der Rubrik "Korrespondenz" zusammengefasste Überlieferung des 15.Jahrhunderts hingewiesen. Weitaus der größte Teil der Überlieferung des Bestandes (über 80%) entstammt dem Archiv der klettgauischen Regierung und Kammer in Tiengen und ist in der Zeit der fürstlich schwarzenbergischen Herrschaft entstanden. Das Archiv war gegen Ende des 18. Jahrhunderts möglicherweise im Zusammenhang mit der Neuorganisation der klettgauischen Verwaltung neu geordnet worden. Die Archivalien wurden nach 20 Klassen mit Unterabteilungen gegliedert und mit Lokaturen (Kasten, Fach) versehen. Jede Akte erhielt einen Umschlag oder eine Banderole, die mit diesen Angaben sowie mit einem Aktentitel und teilweise mit dem Inhalt der enthaltenen Schreiben versehen war (Beispiel siehe S. 799). Das 1791 fertig gestellte Findbuch hierzu wird unter der Signatur 68/200 verwahrt. Viele Akten des Archivs enthalten nur einen Vorgang und sind daher wenig umfangreich. Gelegentlich wurden allerdings von späteren Archivaren gleichartige Vorgänge mit mehreren Umschlägen zu einer Akte zusammengefasst. Das Archiv in Tiengen wurde im Jahr 1823 durch den Freiburger Archivrat Leichtlen gesichtet und soweit die Archivalien nicht noch an einzelne lokale Ämter zum laufenden Gebrauch abgegeben oder vernichtet wurden, wurde es nach der Archivordnung von 1803 auf das Generallandesarchiv und das Provinzialarchiv Freiburg verteilt (siehe Bestand 236/74 und 227/3). Die schwarzenbergische Verwaltung in Tiengen stand in regem Schriftverkehr mit der Zentrale der schwarzenbergischen Verwaltung in Wien. Deren Überlieferung über die Verwaltung der Landgrafschaft Klettgau befindet sich in dem ehemaligen schwarzenbergischen Zentralarchiv, das heute im Staatlichen Archiv Wittingau (Zweigstelle Böhmisch-Krumau, Zamek, 38111 Cesky Krumlov, Tschechische Republik) verwahrt wird. Dort befinden sich übrigens auch noch Archivalien der Grafen von Sulz (siehe hierzu "Quellen zur südwestdeutschen Geschichte in Archiven der Tschechischen Republik. Hrsg. von Volker Rödel. Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg Serie A Heft 5 (Stuttgart 1995)" S. 95 ff.). Archivalien anderer weltlicher Provenienzbildner vor 1806 sind lediglich 5 (0,3%) enthalten. Ebenso ist auch die Überlieferung kirchlicher Provenienzbildner vor 1806 mit insgesamt 36 Akten (1,9%) sehr gering vertreten. Akten großherzoglich badischer Registraturen nach 1806 bzw. 1812 sind mit 56 Nummern (3%) eben- falls nur sehr wenige enthalten. Nicht geklärt werden konnte die Provenienz bei 98 Akten (5,3%). Der Bestand ist also im Vergleich mit anderen Beständen des Historischen Archivs des Generallandesarchivs provenienzmäßig sehr einheitlich. 90% der Akten entstammen dem lokalen Herrschaftsarchiv der Grafen von Sulz bzw. der Fürsten von Schwarzenberg. Dies ist aus der Zusammensetzung der Herrschaftsträger, die sonst noch mit der Landgrafschaft Klettgau in Verbindung standen oder dort Rechte hatten, und mit deren Archivüberlieferungsgeschichte zu erklären. Zu nennen sind hier im kirchlichen Bereich vor allern das Hochstift Konstanz und in geringerem Umfang das Kloster Rheinau und das Stift Zurzach, auf weltlicher Seite die Fürsten v. Fürstenberg und die Schweizer Stände Schaffhausen und Zürich. Von diesen Herrschaftsträgern ist lediglich das Archiv der Bischöfe von Konstanz teilweise an das Generallandesarchiv gekommen, so dass nur aus diesem Archiv bei der Pertinenzbildung Akten in den vorliegenden Bestand kommen konnten. Die zeitliche Schichtung der Überlieferung des Bestandes ergibt folgendes Bild: 15 Akten (0,7%) enthalten Schriftgut vor 1500, 79 Akten (3,6%) betreffen das 16. Jahrhundert, 345 Akten (15,6%) das 17. Jahrhundert, 1149 Akten (52,1%) das 18. Jahrhundert und 257 Akten (28%) enthalten Schrift gut, das dem 19. Jahrhundert entstammt. Gezählt wurde lediglich die originale Überlieferung. Der Bestand umfasst 1832 Nummern in 20 lfd. m und hat eine Laufzeit von 1294-1850. Er wurde 1938 von Hans Dietrich Siebert durch ein Zettelrepertorium erschlossen. Dieses wurde von Unterzeichnetem unter Verwendung des MIDOSA-Programmes überarbeitet. Hierbei wurde der Umfang der einzelnen Faszikel angegeben, wobei bei Akten mit Blattzählung oder einem Umfang von bis zu etwa 10 Blatt die Blattzahl angegeben wurde, bei sonstigen Akten unter 1 cm Umfang die Bezeichnung "1 Fasz." steht, und bei Akten ab 1 cm Umfang die Zentimeterzahl in Schritten von 0,5 cm angegeben ist. 1 cm entspricht etwa 50 Blatt (bei Hadernpapier), so dass sich durch diese Angaben der ungefähre Umfang eines Aktenhefts berechnen lässt. Außerdem wurde die Provenienz (des letzten angefallenen Schriftstücks) ermittelt, die Filmsignatur hinzugefügt und eine alte im Generallandesarchiv verwendete Vorsignatur erfasst und durch eine Konkordanz zu den Ordnungsnummern das Auffinden alter Zitierungen ermöglicht. Teile des vorliegenden Bestandes waren ursprünglich dem Pertinenzbestand Tiengen, Stadt (Bestand 224) zugeordnet gewesen, und wurden vermutlich vorn Bearbeiter Siebert hierher übernommen. Sie sind in der Konkordanz der Alten Signaturen getrennt aufgeführt und ergänzen die Konkordanz der Alten Signaturen des Findbuchs zu Bestand 224. Die Aktentitel wurden modernisiert und im Einzelfall durch weitere Inhaltsvermerke erweitert und durch Indizes erschlossen. Beim Ortsindex sind naturgemäß die meisten Stichworte unter "Klettgau, Lgfsch." angefallen, obwohl Stichworte, die im Findbuch unter der Rubrik auftauchen, unter der sie auch zu erwarten sind (z.B. Mühlen unter der Rubrik "Mühlen"), in der Regel nicht noch einmal im Index verwiesen wurden. Daher wurde versucht, durch Untergliederung der Stichworte des Ortsbetreffs Klettgau, Lgfsch. nach Sachgruppen eine größere Übersichtlichkeit und bessere Benutzbarkeit dieses Indexteils zu erreichen. Die erste Eingabe der Aktentitel des Zettelrepertoriums in das MIDOSA-Programm besorgte Piroschka Hedden. Karlsruhe, im Januar 1996 Reinhold Rupp

Bestandssignatur
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 116
Umfang
1529 Akten (Nr. 1-1834)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Kleinere weltliche Territorien >> Klettgau
Verwandte Bestände und Literatur
Rainer Brüning/Gabriele Wüst (Bearb.), Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 6, Bestände des Alten Reiches, insbesondere Generalakten (71-228), Stuttgart 2006, S. 225.

Bestandslaufzeit
[1294]-1846

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Letzte Aktualisierung
03.04.2025, 11:03 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • [1294]-1846

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