Archivale

An Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Reuttlingen

Regest: Auf Reutlinger Ersuchen wegen ungleicher (= ungünstiger) über den verhafteten Hans Jacob Tochtermann ausgesprengter Reden hat der Unterzeichnete seine Amtsangehörigen alt Hans Conrad Ehemann, Schmied in Lüstnau, und dessen Sohn Hans Conrad Ehemann verhört.

1. alt Hans Conrad Ehemann, Schmied:
Als man vor etlichen Wochen zu Reuttlingen 3 Hexen justifizierte (= hinrichtete), sei er auch hinübergegangen. Im Heimgehen sei ihm ein sehr wohlbekannter Mann namens Martin begegnet. Martin habe ein groß Mitleiden mit der hingerichteten Sattlerin gehabt. Ehemann aber habe ihm geantwortet, was er dergleichen Leut bedaure. Er solle nur sehen, daß ihm nicht auch einmal eins eingeschenkt werde. Gleich etliche Tag hernach hab er zu Tübingen gehört, daß dem Martin von Betzingen der Tod zu trinken gegeben worden sei. Andern Tags habe Ehemann beim Weib des Curtz zu Reuttlingen zu schaffen gehabt. Beim Wiederheimgehen sei ihm des Martins Sohn von Betzingen unterwegs zwischen Wannweil und Betzingen auf der Heide mit einem Roß begegnet und habe zu ihm gesagt, er habe ihn zu Lustnau und im ganzen Neckartal gesucht. Er solle gleich mit ihm zu seinem Vater nach Betzingen. Als er nun hinkam, sei der Martin gar schwach auf dem Bett in der Kammer gelegen. Ehemann habe ihm (= für ihn) seine Kräuter gebraucht. Als er wieder zu ihm kam, sei Martin wieder etwas besser aufgewesen und habe berichtet, damals, als er zu Reuttlingen war, habe er sonst keinen Tropfen getrunken, als was ihm der Hans Jacob Tochtermann gab. Vor ungefähr 4 Wochen, sei Tochtermann neben seinem Schwager, dem Sattler, nach Lustnau in Lemmerers Haus gekommen und habe des Wirts Buben etlichemal nach ihm geschickt, er habe einen hinkenden Gaul. Ehemann soll hinkommen und ihm helfen. Ehemann aber sei mit seinem Weib ins Gras gegangen. Der Sattler sei ihm nachgeloffen und habe gesagt, er solle dem hinkenden Gaul helfen. Ehemann habe geantwortet, es gebe ja Schmiede zu Reuttlingen, warum er sich nicht drüben hab helfen lassen. Als nun der Sattler sah, daß er nicht mit ihm wolle, habe er den Degen über ihn ausziehen wollen. Ehemanns Weib habe den Sattler zurückgestoßen. Inzwischen sei Ehemanns Sohn zu ihnen hingekommen, welchem sie ziemlich mit dem Wein zusprachen (= zutranken), Später seien der Tochtermann und der Sattler fort über den Dorfacker stark hineingerannt.

2. jung Hans Conrad Ehemann, Sohn des Schmieds, 18 Jahr alt, bekundet,
als vor etlich Wochen der Rotgerber mit seinem Schwager Sattler von Reuttlingen nach Lustnau in Lemmerers Haus kam und in seines Vaters Haus schickte, jemand solle kommen und seinem hinkenden Gaul helfen, sei er in Abwesenheit seines Vaters hingegangen. Der Rotgerber habe ihn in den Stall geführt und das Pferd herumgeführt. Da habe Zeuge gesagt, er sehe nicht, daß dieser Gaul hinke. Er müsse etwa (= vielleicht) schweinen (= schwinden, Muskelschwund haben). Der Rotgerber sagte, er habe ihm schon dafür getan. Wie er den Gaul wieder angebunden hatte, habe er den Zeugen am Arm genommen, vor die Brust gestoßen und gesagt, sein Vater sei ein rechter Bärenhäuter. Er bringe ihn in ein so bös Geschrei. Der Rotgerber hab ihm jedoch gleich wieder gute Wort gegeben, eine Handvoll Dukaten herausgezogen und ihm geben wollen. Er aber habe sie nicht annehmen wollen. Schließlich habe der Rotgerber seinen Degen halb aus der Scheide gezogen und über ihn hingewollt und gesagt, der Zeuge und sein Vater seien Schelmen und Diebe. Wenn sein Vater kein Hexenmann sei, wolle er einer sein. Da sei Zeuge ihm entsprungen, habe auch seinen Degen geholt, sei wieder hingegangen und habe ihn gefragt, was er jetzt sein wolle. Darauf sei er dem Zeugen unter das Gesicht gestanden und habe gefragt, ob er nicht ein ehrlicher Mann sei. Zeuge sagte, er wisse ihm nichts nachzusagen als Liebes und Gutes. Darauf habe er den Zeugen hineingenommen und ihm zu trinken gegeben, ihn auch etlichemal geküßt und Bruder geheißen und begehrt, er solle ihm Hand und Namen geben, daß er ein ehrlicher Mann sei, und er es vorlegen könne. Zeuge habe gesagt, er könne nicht schreiben. Der Rotgerber habe ihm abermals 100 Reichstaler geboten und eine Handvoll Dukaten herausgezogen. Zeuge aber hab's nicht wollen annehmen und gesagt, er hab's ja nicht verdient, und was er sagen müßte, wenn die Leut fragten, wo er soviel Geld herbringe. Der Rotgerber sagte, er dürfe kecklich sagen, er hab's von ihm. Er wolle ihm seinen Namen geben, er heiße Hans Jacob Tochtermann, der Rotgerber. Er hab ihn auch einmal allein in den Hof hinausgenommen und gefragt, was der Martin sage und was die Herren von Reuttlingen sagen, welche bei Martin draußen gewesen seien. Zeuge habe geantwortet, er wisse nur, daß der Martin sagte, er habe sonst keinen Tropfen zu Reuttlingen getrunken, als was ihm der Hans Jacob zu trinken gab. Darauf wolle er leben und sterben ... Die Reuttlinger seien schließlich aufgesessen und fort auf Reuttlingen zu geritten.

Archivaliensignatur
A 2 f (Hexenprozesse) Nr. A 2 f (Hexenprozesse) Nr. 7858
Umfang
5 S.
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.
Sonstige Erschließungsangaben
Ausstellungsort: Lustnau

Zeugen / Siegler / Unterschriften: Fürstl. württ. Vogt zu Bebenhausen Johann Philipp Mayer
Bebenhäusischer Amtschreiber Johann Bab
Hans Heussell des Gerichts
Auf Ansprechen (= Aufforderung) des Georg Seyboldt des Gerichts unterschreibt sich Bebenhäusischer Amtschreiberei-Soribent Julius Heinrich Cappeller

Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25) >> Bd. 24 Hexenprozesse
Bestand
A 2 f (Hexenprozesse) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25)

Laufzeit
1665 Juli 27

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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Objekttyp

  • Archivale

Entstanden

  • 1665 Juli 27

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