Malerei

Peter Paul Rubens mit seinem Sohn Albert

Halbfigunges Doppelporträt mit dem sitzenden Peter Paul Rubens, der sich, wie im Aufstehen begriffen, dem Betrachter zuwendet, die Linke auf die Sessellehne gestützt. Die Rechte, die der zum Vater aufblickende Sohn Albert (geb. 1614) mit beiden Händen umfaßt, hält ein gefaltetes Dokument. Links Ausblick in die Landschaft, rechts eine Nische, darin die antike Statue der Hekate aus Rubens eigener Sammlung. - Das Göttinger Bild galt ehemals als Original des Rubens (Unger 1863). Bereits Rooses erkannte es als Kopie eines mit 133.5 x 112,5 cm annähernd maßgleichen Gemäldes in der Slg. Stroganoff, seit 1932 in der Ermitage (Kat. Leningrad 1958, Bd. 2, S. 52, Nr. 7728), das er Rubens zuschrieb und um 1628 datierte. Stechow folgte diesem Urteil. Dagegen schloß Evers 1944 Rubens als den Erfinder der Komposition aus, die vielmehr eine Zusammenstellung nach Rubens-Motiven sei. Die wenig später erfolgte Zuschreibung der Leningrader Fassung an van Dyck (S. J. Jaremitsch, in: Gosudarstwenny Ermitage 3/1949, S. 3 ff.; ebenso noch N. Gritzai, Anthonis van Dyck. Bornemouth/St. Petersburg 1996, S. 8, Abb. 2) konnte sich ebensowenig durchsetzen wie die Zuschreibung an Jan Cossiers (vgl. Kat. Antwerpen 2004, Nr. 57, Anm. 2). Heute gilt dieses wie auch das Göttinger Exemplar als eine anonyme Arbeit aus dem Rubens-Kreis (vgl. den Katalog der Rubens-Ausstellunen in der Ermitage, Leningrad 1978, S. 33, Nr. 74, und im Rubenshuis, Antwerpen 2004, Nr. 57), wobei das Petersburger Bild als Vorlage des Göttinger Gemäldes gedient habe. - Rooses Nr. 1047 und 1053 sowie Evers S. 331 verglichen das in beide Fassungen integrierte Porträt des Rubens mit der 1630 datierten, gegensinnigen Radierung Willem Paneels (Hollstein XV, S. 127, Nr. 35; Evers Abb. 355), als deren Vorlage sie die Albertina-Zeichnung 8.202 ansahen (Die Rubenszeichnungen in der Albertina. Katalog der Ausstellung Wien 1977, Nr. 67). Hingegen muß der genau übereinstimmenden Kleidung wegen das als Bruststück angelegte Selbstbildnis im Antwerpener Rubenshuis als gemeinsames Vorbild der seitenverkehrten Radierung und der gleichsinnigen, also nicht durch Paneels Reproduktion vermittelten Porträts auf dem Leningrader bzw. dem Göttinger Gemälde gelten (vgl. Kunstwerken tentoongesteld in het Rubenshuis. Antwerpen 1977, Nr. 10). Das um 1625/30 entstandene Antwerpener Selbstbildnis setzt also einen terminus post quem für unsere Komposition, die von Bastet um 1620 und damit um einige Jahre zu früh datiert wurde. Rooses und Stechow wollten in dem Knaben den 1618 geborenen Nikolaus Rubens erkennen; doch besteht mit dessen Bildnissen wenig Ähnlichkeit, wie schon Evers bemerkte. Die zutreffende Identifikation als Albert Rubens erfolgte durch Jaremitsch und wird trotz des Altersunterschiedes durch das Doppelbildnis der beiden Rubens-Söhne in der Liechtensteinschen Galerie belegt (vgl. R. Oldenbourg, Peter Paul Rubens. München/Berlin 1921, Tf. 281). Da der 1614 geborene Albert auf dem Leningrader bzw. Göttinger Gemälde im Alter von etwa acht Jahren gegeben ist, dürfte die heute unbekannte Vorlage dieses Teilbildnisses annähernd ein halbes Jahrzehnt vor dem Antwerpener Bildnis des Vaters entstanden sein, wodurch Evers' Vermutung einer Kompilation verschiedener Rubens-Motive bestätigt wird. - Das Hekataion im rechten Hintergrund wurde von Bastet S. 76 als ein Stück aus Rubens' eigener Sammlung erkannt (heute im Rijksmuseum van Oudheden, Leiden; Kat. Antwerpen 2004, Nr. 63). Bei der auf dem Tisch stehenden Vase handelt es sich wahrscheinlich ebenfalls um ein Stück aus Rubens Sammlung, das dieser 1635 an Peiresc verschenkte (Jaffé 1988, S. 27 f.). Der Maler ist in diesem Bilde familiärer Freundschaft somit als Liebhaber der Antike und der schönen Künste ausgewiesen und wohl auch als Lehrer seines Sohnes. Die durch Georg Koch lithographierte Reproduktion des Göttinger Bildes ist bei Rooses Tf. 314 abgebildet. - F. Healey vermutet, das Gemälde sei als Gegenstück zu van Dycks Porträt der Isabella Brant in Washington entstanden - though artistically a world apart (Kat. Antwerpen 2004, Nr. 56, 57). -

Fotograf*in: Katharina Anna Haase / Rechtewahrnehmung: Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität

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Location
Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
Inventory number
GG 073
Measurements
Höhe: 134 cm (ohne Rahmen)
Breite: 115 cm
Material/Technique
Leinwand; Ölmalerei

Related object and literature
Literatur in Zusammenhang: Frédéric Louis Bastet, Oudheden uit Rubens' verzameling te Leiden, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 31/1980, S. 72 ff. (Kopie nach dem anonymen Leningrader Gemälde).
Literatur in Zusammenhang: Kristin Lohse Belkin/Fiona Healy, A House of Art. Rubens as Collector. Ausstellung Rubenshuis und Rubenianum, Antwerpen 2004, Nr. 57.
Literatur in Zusammenhang: Kunstsammlung der Universität Göttingen. Die niederländischen Gemälde, mit einem Verzeichnis der Bilder anderer Schulen. Bearbeitet von Gerd Unverfehrt. Göttingen: Kunstsammlung der Universität 1987, Nr. 75.
Literatur in Zusammenhang: David Jaffé, Rubens' Selfportrait in Focus. Ausstellung Australian National Gallery, Canberra 1988, S. 27 f.
Literatur in Zusammenhang: Emil Waldmann, Provisorischer Führer durch die Gemälde-Sammlung der Universität Göttingen. Göttingen 1905, Nr. 61.
Literatur in Zusammenhang: Kunstsammlung der Universität Göttingen, Katalog der Gemälde (Manuskript, begonnen 1887 durch Konrad Lange), Nr. 199 (nach Rubens).
Literatur in Zusammenhang: Deutsches Kunstblatt 1/1850, S. 254 (Ankündigung der Lithographie Kochs nach Rubens).
Literatur in Zusammenhang: Friedrich Wilhelm Unger, Ein neuer Rubens in Göttingen, in: Rezensionen und Mitteilungen über die bildende Kunst 2/1863, S. 225 (Rubens).
Literatur in Zusammenhang: Hans Gerhard Evers, Rubens und sein Werk. Neue Forschungen. Brüssel 944, S. 331 (Kompilation aus Rubens-Motiven).
Literatur in Zusammenhang: Wolfgang Stechow, Katalog der Gemäldesammlung der Universität Göttingen. Göttingen 1926, Nr. 152.
Literatur in Zusammenhang: Max Rooses, L'Oeuvre de P. P. Rubens, Bd. 4. Antwerpen 1886, Nr. 1053 (Kopie nach Rubens).

Classification
painting (Oberbegriffsdatei)
Subject (what)
Porträt, Selbstporträt eines Künstlers

Event
Entstehung
(who)
(when)
1600? - 1650? (1. Hälfte 17. Jahrhundert)

Last update
24.04.2025, 12:58 PM CEST

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  • Malerei

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  • 1600? - 1650? (1. Hälfte 17. Jahrhundert)

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