Bestand
Archiv der Turnabteilung des TSV Asperg (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Im Jahr 1896 wurde der Turnverein Asperg gegründet. Er gehört zur zweiten Welle der Vereinsgründungen, die um 1900 ihren Höhepunkt erreichte. Während dieser Phase entstanden in folgenden Nachbarorten ebenfalls Turnvereine: Markröningen (1886), Neckarweihingen (1899), Möglingen (1905) oder Pflugfelden (1907). In der benachbarten Residenzstadt Ludwigsburg gab es bereits seit 1846 einen Männerturnverein. Diese Zunahme der Vereinsgründungen war auch eine Folge der zunehmenden Industrialisierung der ländlichen Gebiete. Auch Asperg etablierte sich als Industriestandort (z.B. die Asperger Koffer- und Lederwarenfabrik Wilhelm Volz).
Bereits im Jahr 1909 kam es zu einer Abspaltung vom Turnverein und der Gründung eines eigenen Arbeiterturnvereins. Auch dieses Phänomen ist kein Einzelfall; denn in der Region gab es zahlreiche Arbeitersportvereine (v.a. Radfahrvereine). In einer statistischen Aufstellung des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB, 8. Kreis, 7. Bezirk) ist für 1928/29 ein VfL Asperg nachgewiesen, der in den Sparten Turnen und Fußball 102 Mitglieder hatte.
Organisatorisch gehörte der Turnverein Asperg zunächst dem Turnkreis XI. "Schwaben" der Deutschen Turnerschaft (DT) an. 1919 erfolgte der Austritt aus der DT und der Übertritt zum Schwäbischen Turn- und Spieleverband im Allgemeinen Deutschen Turnerbund (ATB) (vgl. TSV Asperg Bü 265: Festschrift Verbandsturnfest Sindelfingen 1930, S. 32f.). Auf regionaler Ebene war der Verein Mitglied im Neckar-Enz- bzw. im Schiller Turngau. Der Schwäbischen Turn- und Spieleverband war 1913/14 gegründet worden. Grund war die Verbindung von DT und dem wehrsportlich orientierten Jungdeutschlandbund (1912). Der neugegründete Spieleverband sollte politisch neutral sein und einen stärkeren Sportbezug aufweisen. Weitere Konkurrenzverbände zur DT waren die Freie (deutsche) Turnerschaft (Essen) oder der Südwestdeutsche Turnerbund (Darmstadt). Diese schlossen sich 1922 zum Allgemeinen Deutschen Turnerbund (ATB) zusammen. Trotzdem konnten sich diese kleinen Verbände nicht gegen die DT durchsetzen.
Im Zuge der "Gleichschaltung" des Sports wurde der Verein 1933/34 wieder DT-Mitglied, und zwar im 15. Turngau Württemberg, 1. Bezirk, 2. Kreis Enz-Murr. Aus der Vereinsüberlieferung geht hervor, dass dies nicht unumstritten gewesen war. Besonders die Eingliederung der Turnerjugend in die HJ sorgte für Zündstoff. Der überlieferte Schriftverkehr mit dem Kreisfachwart zeugt darüber hinaus von Reibereien mit den NS-Sportorganisationen (vgl. TSV Asperg Bü 22).
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es auch in Asperg zu einer großen Vereinsfusion. 1946 schlossen sich der Turnverein Jahn, der Kraftsportverein Asperg und die Spielvereinigung Asperg zunächst zu einem Sport- und Kulturverein, schließlich zum TSV Asperg zusammen.
Die Vereinsgeschichte ist geradezu idealtypisch für die Entwicklung in der schwäbischen Provinz. Entsprechend umfasst das Vereinsarchiv die 'klassischen' Dokumente und Zeugnisse eines kleineren Turnvereins. Hauptsächlich beinhaltet der Bestand Dokumente der Turnabteilung. Andere Abteilungen, wie Judo oder Handball, sind nur in Einzeldokumenten nachgewiesen.
Inhalt und Bewertung
Hervorzuheben sind die überlieferten Unterlagen zur NS-Zeit (TSV Asperg Bü 22), der recht umfangreiche Foto- und Urkundenbestand und eine vollständige Reihe der Vereinszeitschrift "TSV Kurier" von 1963 bis 2001.
Eine geschlossene Serie an Jahreschroniken, die vermutlich von Walter Kammerer angelegt wurden und einen Überblick über das Vereinsjahr liefern, bilden ebenfalls einen ergiebigen Quellenfundus zur Vereinsgeschichte: Die regelmäßige Teilnahme an Landes- und Deutschen Turnfesten, zahlreichen Veranstaltungen (Fasching, Gaukinderturnfeste, Jahresfeiern), die Beteiligung am Landestreffen der älteren Turnerinnen und Turnern sowie sonstige Breitensportaktivitäten zeugen vom reichhaltigen Vereinsleben des TSV Asperg. Eine kleine Besonderheit ist das Filmdokument zum Kinderturnfest 1986 in Asperg, das am Hauptstaatsarchiv Stuttgart digitalisiert wurde. Sportlich erfolgreich war die Prellballmannschaft, die 1992 in die 1. Bundesliga aufstieg.
Die kleine Vereinsbibliothek umfasst außerdem einige interessante Festschriften zur lokalen- und überregionalen Turn- und Sportgeschichte. Hierzu zählen besonders die Festschriften zu den Verbandsturnfesten des Schwäbischen Turn- und Spiel-Verbandes Tübingen 1922 und Sindelfingen 1930. Denn zu dessen Verbandsgeschichte sind kaum Quellen überliefert. Daneben finden sich einige Objekte im Bestand. Eine Besonderheit ist die Vereinsfahne des Turnvereins "Jahn" aus den 1920er Jahren. Sie trägt das Motto "Dem Volk sind wir entsprossen / ihm weih'n wir unsere Kraft".
Für sich genommen mag der Bestand wenig Überraschendes bieten. Für die lokale Identität eines Vereins, der ein wichtiger Teil der Ortgeschichte ist, sind die Unterlagen aber von großem Wert. Selbst in kleinen Vereinen sind es mehrere Generationen, die im Laufe der Vereinsgeschichte durch den Sport geprägt wurden und diesen wiederum ehrenamtlich tragen.
Dem Bestand wurden lediglich eindeutige Dubletten und Kopien entnommen. Das Institut für Sportgeschichte Baden-Württemberg e.V. (IfSG) digitalisierte auf Basis eines Werkvertrags ausgewählte Vereinsdokumente. Die Unterlagen sollen zukünftig im Stadtarchiv Asperg aufbewahrt werden. Zitiert werden sollte wie folgt: Stadtarchiv Asperg, Vereinsbestand, TSV Asperg e.V., Bü 1ff. Der Verein selbst ist ebenfalls Mitglied des IfSG. Die Initiative für das vorliegende Dokumentationsprojekt ging von Frau Elly Martinat (Turnabteilung) aus. Ihr und dem Verein sei für die gute Zusammenarbeit gedankt.
Markus Friedrich
Stuttgart, im Juni 2017
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, {J 35/7}
- Umfang
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308 Verzeichnungseinheiten (8,00 lfd. m)
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Sammlungen >> Sammlungen zur Landesgeschichte und Landeskunde >> Sammlungen zur Sportgeschichte Baden-Württemberg
- Verwandte Bestände und Literatur
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Festschrift "25 Jahre TV Asperg." o. O. 1921.
Theodor Bolay: Chronik der Stadt Asperg. Bietigheim-Bissingen1978.
Klaus Schönberger: "Dann kann man doch am Abend nicht mit denen zusammen turnen." Arbeitersport in der schwäbischen Provinz. In: Illustrierte Geschichte des Arbeitersports. Hg. von Hans Joachim Teichler und Gerhard Hauk. Bonn 1987, S. 75-82.
Festschrift "100 Jahre Turnen in Asperg. 50 Jahre TSV Asperg." o. O. 1996.
- Bestandslaufzeit
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1898-2016
- Weitere Objektseiten
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- Rechteinformation
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Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Letzte Aktualisierung
-
20.01.2023, 15:09 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1898-2016