Bild

Die Mutter des Hauptmanns von Stierle-Holzmeister

Die alte Hofrätin Stierle-Holzmeister, Edle von Forstheim (1755–1830), deren Körperfülle vom Empirekleid aus gestreifter Seide unsanft eingepreßt wird, saß für dieses Bildnis geduldig einem damals noch unbekannten 28jährigen Porträtisten, der bis dahin vornehmlich als Theatermaler und Miniaturist tätig war. Ihre Vergangenheit als Henriette Mirk, ihre Erfolge als Soubrette am Hofburgtheater, wo sie seit 1777 auftrat, liegen sichtlich weit zurück. Sie ist so sorgfältig zurechtgemacht wie alle späteren Modelle Waldmüllers, das feiste Gesicht von Korkenzieherlocken und Spitzen umrahmt; die Uhr hängt an einer kostbaren Breloque. Sie inszeniert sich nicht, der Blick meidet den des Betrachters und bleibt leicht gesenkt. Doch die Gestalt füllt so sehr den Bildausschnitt, daß der Eindruck einer fast bedrängenden Nähe entstehen muß. Schönheit bietet dieses unbequeme Bild in seiner Farbigkeit, in den überaus feinen Übergängen der Modellierung zumal des Fleisches, der differenzierten Wiedergabe von Stoffen, die das Licht unterschiedlich brechen. Bis ins unendlich Kleine wird der Gegenstand beobachtet, doch ohne Pedanterie. Sein Leben hindurch blieb Waldmüller zu jeder Polemik bereit, wenn es hieß, die Naturtreue gegen vorgegebene Stilnormen und akademische Gewohnheiten zu verteidigen. Sich selbst stilisierte er zu einem Kopisten der Natur. Eine Streitschrift zur Reform des Unterrichts an der Wiener Kunstakademie, der er angehörte, löste jahrelange Streitigkeiten und dauerhafte Zurücksetzungen im Amt aus. In der dieser Abhandlung beigefügten Schilderung seines künstlerischen Werdeganges wird die Erweckung des bis dahin in der Konvention Befangenen zum Realismus mit einem Auftrag verknüpft: »Naturstudien! – Ein Begriff welcher mir bis dahin völlig fremd geblieben war! […] Herr Hauptmann von Stierle-Holzmeister beauftragte mich das Porträt seiner Mutter zu malen«, berichtete Waldmüller. »Aber – so sprach er zu mir – malen Sie mir sie genau, so wie sie ist. Diesem Auftrag gemäß versuchte ich es nun, die Natur mit der größten Treue wieder zu geben – und es gelang! Jetzt war auch mit Einemmale die Binde vor meinem Auge gefallen. Der einzige rechte Weg, der unerschöpfliche Born aller Kunst: Anschauung, Auffassung und Verständnis der Natur hatte sich mir aufgethan; was solange als Ahnung in meiner Seele erklang, war zum Bewußtseyn erwacht, und obschon ich gerade nach dieser Erkenntniß mir um so weniger verhehlen konnte, wie weit ich bisher vom rechten Wege abgeirrt war, so stand mein Vorsatz doch fest, ihn von nun an nie wieder zu verlassen« (zit. nach: R. Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller, Wien 1996, S. 339). | Claude Keisch

Fotograf*in: Jörg P. Anders

Public Domain Mark 1.0

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Material/Technique
Öl auf Leinwand
Measurements
Höhe x Breite: 54 x 41 cm
Rahmenmaß: 71 x 59,5 x 9 cm
Bildmaß: 54 x 41 cm
Location
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventory number
A I 1083

Event
Erwerb
(description)
1909 Ankauf von der Kunsthandlung Artaria & Co., Wien
Event
Herstellung
(when)
um 1819

Last update
08.08.2023, 11:02 AM CEST

Object type


  • Bild

Time of origin


  • um 1819

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