Bestand
Organisationskomitee der V. Olympischen Winterspiele 1940 (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Im November 1938 hatten in ganz Deutschland Synagogen gebrannt. Im
darauf folgenden März war Hitlers Armee zur "Zerschlagung der
Resttschechei" ausgerückt. Und obwohl das Deutsche Reich in Bezug auf
seine Politik nun endgültig sein wahres Gesicht gezeigt hatte, sprach
sich im Juni 1939 das Internationale Olympische Komitee (IOC) in
London in einer einstimmigen Entscheidung für die Vergabe der
Winterspiele 1940 an Deutschland aus.
Trotz -
oder gerade wegen - dieses Entschlusses standen die Olympischen
Winterspiele 1940 von Anfang an unter keinem guten Stern.
Anlaufschwierigkeiten bereiteten dabei mehrere Kriege, und auch die
Durchführung wurde zunächst infolge internationaler Unstimmigkeiten
verhindert. Anfangs sollten die Spiele im japanischen Sapporo
stattfinden. Aufgrund des Zweiten chinesisch-japanischen Krieges
musste Japan die Austragung jedoch im Juli 1938 wieder an das IOC
zurückgeben.
Während sich Helsinki daraufhin
bereit erklärte, die Sommerspiele für Tokio zu übernehmen, einigte man
sich im September darauf, die Winterspiele an St. Moritz zu
übertragen. Doch wegen eines andauernden Streits über die Teilnahme
von Skilehrern an den Wettbewerben kam es immer wieder zu
Diskussionen. Das Schweizerische Olympische Komitee wollte sich weder
dem entsprechenden Amateurparagrafen des IOC beugen noch die
erwarteten Skidemonstrationen durchführen, so dass die Spiele auch in
in St. Moritz nicht ausgetragen werden konnten und im Juni 1939 der
Schweiz kurzfristig wieder entzogen wurden.
Obwohl es zunächst undenkbar erschien, die Spiele zweimal
hintereinander am selben Ort stattfinden zu lassen, überlegte IOC-Chef
Henri de Baillet-Latour, ob Garmisch-Partenkirchen bereit sei,
gegebenenfalls die Winterspiele 1940 zu übernehmen. Sie hatten zwar
bereits 1936 in Deutschland statt gefunden, aber eine erneute
Durchführung wurde auch von Adolf Hitler als außenpolitisch "äußerst
erwünschenswert" angesehen. Angesichts diplomatisch geschickter
Verhandlungen seitens der Vertreter Deutschlands einerseits und
ungeschicktem Vorgehen der Schweizer andererseits stimmte das IOC
trotz aller Vorbehalte gegen Deutschland diesem Wechsel des
Austragungsortes zu.
Hitler gab am 20. Juni
1939 offiziell die Anweisung zur Organisation der V. Olympischen
Winterspiele 1940, und das Organisations-Komitee wurde gebildet. Er
legte fest, dass der Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten
als Präsident des Deutschen Olympischen Ausschusses und Dr. Karl
Ritter von Halt als Präsident des Organisationskomitees für die
Durchführung der V. Olympischen Winterspiele 1940 in
Garmisch-Partenkirchen verantwortlich sein sollten, und erteilte ihnen
"die Vollmacht, die Mitwirkung von Partei, Staat und Wehrmacht
herbeizuführen".
Die Ausführungen von Tschammer
und Ostens bei der Gründungssitzung des Komitees am 1. Juli 1939
machen die Entschlossenheit der Deutschen deutlich: "Meine Herren, wir
feiern heute einen Sieg. Es ist ein Sieg Deutschlands, daß die V.
Olympischen Winterspiele uns in einer für die olympische Festfolge
gefährlichen Stunde einstimmig übertragen worden sind. Wir wissen nur
zu gut, daß der Beschluss einstimmig, aber doch nicht ganz einmütig
gefaßt worden ist. Daß viele uns diesen Erfolg innerlich nicht gegönnt
haben, aber das ist ja gerade das wesentliche: obwohl sie ihn uns
nicht gegönnt haben, konnten sie doch nicht anders, als 'ja' sagen, es
war wieder einmal 'The Germans to the front' [...]. Meine Herren, ich
proklamiere: Das war ein olympischer Sieg Deutschlands. Eine teils
freiwillige, teils unfreiwillige bedingungslose Anerkennung unserer
Organisationskraft."
Schon die IV. Olympischen
Winterspiele 1936 hatten gezeigt, dass eine gründliche Vorbereitung
und reibungslose Durchführung der Spiele vor allem umfassende
staatliche Maßnahmen erforderten. Zwei große Aufgabenbereiche waren
damals zu unterscheiden: auf der einen Seite die Finanzierung und
Durchführung der Olympiabauten, auf der anderen Seite eine Fülle von
Einzelmaßnahmen auf dem Gebiet der Verwaltung und des Haushaltes. Vor
allem Hinweise zu der Überlieferung zum zweiten Tätigkeitsschwerpunkt
sind in diesem Findbuch zu finden. Allerdings konnten diese Aufgaben
durch den Kriegsausbruch nur ansatzweise zur Ausführung kommen.
Die nötigen Finanzmittel wurden aus dem
Staatshaushalt zur Verfügung gestellt. Für die Winterspiele 1936
hatten die Gesamtausgaben bei ca. 2,6 Millionen Reichsmark gelegen,
zur Vorbereitung der Winterspiele von 1940 hingegen wurden allein bis
November 1939 schon zehn Millionen Reichsmark beansprucht. Schon diese
Gegenüberstellung lässt erkennen, wie wichtig die Spiele von 1940 für
die Politik des Deutschen Reichs waren.
Erst
Ende Oktober 1939 wurde schließlich doch noch dem olympischen
Grundsatz Rechnung getragen, dass in dem ausrichtenden Land Friede
herrschen müsse. Somit teilte der Generalsekretär des
Organisations-Komitees Dr. Karl Diem am 30. Oktober 1939 seinen
Mitarbeitern mit, dass die Führung der Olympischen Winterspiele an das
Internationale Olympische Komitee zurückzugeben sei und Adolf Hitler
angeordnet habe, die Olympiabauten einzustellen. Zugleich ergab sich
daraus die Auflösung des Organisations-Komitees.
Somit fielen die Olympischen Winterspiele 1940 schließlich aus,
und auch 1944 fanden sie aufgrund des II. Weltkrieges nicht
statt.
Zum Personal des Organisationskomitees
der V. Olympischen Winterspiele zählten als:
*
Präsident: Dr. Karl Ritter von Halt
*
Generalsekretär: Dr. Karl Diem
* Schatzmeister:
Generaldirektor Friedrich Döhlemann
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Das Schriftgut des
Organisationskomitees der V. Olympischen Winterspiele 1940 wurde nach
dessen Auflösung an das Reichsarchiv abgegeben. Darunter befand sich
auch ein Teil der Unterlagen des Organisations-Komitees der IV.
Olympischen Winterspiele 1936. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass
diese Unterlagen an das folgende Organisationskomitee ausgeliehen und
nicht zurückgegeben worden waren. Sie behandeln die Distribution des
amtlichen Berichts von 1936 und wurden dem für die Winterspiele 1940
verantwortlichem Komitee wahrscheinlich deshalb übergeben, weil man
für die Vorbereitung der folgenden Spiele darauf zurückgreifen
wollte.
Ab 1946 befand sich der Bestand im
Zentralen Staatsarchiv der DDR. Seit 1990 wird er im Bundesarchiv
verwahrt.
Archivische Bewertung und
Bearbeitung
Über kriegsbedingte Aktenverluste
können keine Angaben gemacht werden. Ein Aktenverzeichnis des an das
Nationale Olympische Komitee der DDR ausgeliehenen Bestandes wurde
1964 in Orientierung an einem noch aus dem Reichsarchiv stammenden
Aktenplan erstellt.
Im Rahmen einer praktischen
Übungsarbeit (archivfachliche Ausbildung) erfolgte 2006 eine
Neubearbeitung des Bestands. Da die ursprünglich vergebenen Aktentitel
nicht aussagekräftig erschienen, wurden neue Titel gebildet und durch
Enthält-Vermerke ergänzt. Außerdem wurde eine neue Klassifikation
erarbeitet, die sich an den Aufgaben des Organisationskomitees
orientiert. Im Zusammenhang mit dieser Neuverzeichnung wurde eine
Nachkassation durchgeführt. Demnach wurden aufgrund ihres geringen
Informationswertes unter anderem Bestellscheine für Eintrittskarten
und Unterlagen, die die Abrechnung von Überstunden einzelner
Mitarbeiter dokumentieren sowie die Einholung von Zimmerangeboten in
Garmisch-Partenkirchen behandelnde Akten kassiert.
Als archivwürdig hingegen wurden diejenigen Unterlagen
eingestuft, welche sowohl etwas über die Arbeit innerhalb des Komitees
als auch über die Korrespondenz nach außen aussagen. Somit lassen sich
unter anderem Belege zu Lieferungen verschiedenster Art finden,
Unterlagen über die Mitarbeiter und ihre Arbeit für das Komitee sowie
Grundsatzentscheidungen von Leitung und Buchhaltung. Zudem wird die
Geschäftsabwicklung bezüglich der Ausstattung des Olympiageländes und
des Verkaufs von Eintrittskarten dokumentiert. Die Überlieferung gibt
einen Überblick über die allgemeine finanzielle Lage und die
Durchführung und Abwicklung der Transaktionen bei Bestellungen.
Neben einer großzügigen Kassation in dem Aufgabenfeld
der Kartenstelle wurden wenige exemplarische Beispiele als
archivwürdig eingestuft, die darstellen, wie die Anfrage, Bestellung,
Reservierung und gegebenenfalls Rücküberweisung bei Kartenbestellungen
im konkreten Einzelfall durchgeführt wurde.
Aufgrund der kurzen Bestandsdauer des Komitees, in der es sich
mit enormen Zeitdruck sehr schnell und intensiv um jegliche
organisatorischen Belange kümmern musste, bietet die Überlieferung
einen sehr komprimierten Überblick über die Bildung und Arbeitsweise
des Komitees.
In das vorliegende Findbuch
wurden insgesamt 58 Archivalieneinheiten aufgenommen, welche sich über
den Zeitraum von 1935 bis 1941 erstrecken.
Inhaltliche Charakterisierung:
Das überlieferte Schriftgut behandelt zum einen den Aufbau und die
grundsätzliche Struktur des Komitees, zum anderen beinhaltet es
Unterlagen, die die Bearbeitung von Eintrittskartenbestellungen
aufzeigen. Des weiteren sind Belege über die Verwaltung des Personals
vorhanden, und entsprechend der hauptsächlichen Arbeit in der
Vorbereitungsphase sind Unterlagen über den Zahlungsverkehr der
Buchhaltung überliefert. Anhand der Akten lässt sich gut erkennen,
unter welchem Zeitdruck gearbeitet wurde und wie eine möglichst
schnelle und präzise Durchführung der Spielvorbereitungen
vorangetrieben wurde. Auch der Stand dieser Arbeiten zum Zeitpunkt der
Bekanntmachung der Auflösung des Komitees lässt sich anhand der
Materialien einschätzen.
Auffällig ist in
diesem Zusammenhang der Unterschied zwischen der Überlieferung und dem
vorliegenden Organisations-Plan des Olympischen Komitees. In diesem
sind zwar die verschiedensten Fachausschüsse und Abteilungen
vorgesehen, jedoch beschränkt sich die Aktenüberlieferung
ausschließlich auf Schriftgut des Büros des Generalsektretärs, der
Personal-Abteilung und der Fachbereiche Buchhaltung und
Kartenstelle.
Überlieferung:
Grundsatzfragen der Organisation 1939 (10), Buchhaltung
1936-1937, 1939-1941 (22), Personalverwaltung 1935-1940 (13),
Bearbeitung von Eintrittskartenbestellungen 1939 (13)
Erschließungszustand:
Online-Findbuch (2006)
Zitierweise: BArch R
8078/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 8078
- Umfang
-
60 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Organisationen, Verbände und Wirtschaftsunternehmen >> Soziales, Gesundheit, Sport
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: R 8076 Organisationskomitee der IV. Olympischen Winterspiele 1936
R 8077 Organisationskomitee der XI. Olympischen Sommerspiele 1936
R 1501 Reichsministerium des Innern
Amtliche Druckschriften: Amtlicher Bericht, hg. im Auftrag des Organisationskomitees für die V. Olympischen Winterspiele, Berlin 1940
Literatur: Heimerzheim, Peter: Karl Ritter von Halt. Leben zwischen Sport und Politik (Schriften der Deutschen Sporthochschule Köln, Bd. 44), Sankt Augustin 1999; Schwank, Winfried: Organisation, Planung und Durchführung der Olympischen Winterspiele 1936 und 1940 in Garmisch-Partenkirchen unter besonderer Berücksichtigung der innen- und außenpolitischen Selbstdarstellung des Nationalsozialismus, Diplomarbeit Mainz 1990; Brixius, Matthias: Analyse von Konzeption und Durchführung der Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen 1936 und 1940 (Wissenschaftliche Hausarbeit zum Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien im Fachbereich Sport, Abteilung Sportgeschichte/Sportsoziologie), Mainz 1992
Luh, Andreas: Umbruch und Kontinuität im Sport - Reflexionen im Umfeld der Sportgeschichte. Festschrift für Horst Ueberhorst, Bochum 1991.
Jubiläums-Festschrift: 50 Jahre Olympiaort Garmisch-Partenkirchen 1936-1986, hrsg. von der Pressestelle des Marktes Garmisch-Partenkirchen, Garmisch-Partenkirchen 1986.
- Provenienz
-
Organisationskomitee der V. Olympischen Winterspiele 1940, 1939-1941
- Bestandslaufzeit
-
1935-1941
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
Bundesarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Organisationskomitee der V. Olympischen Winterspiele 1940, 1939-1941
Entstanden
- 1935-1941