Bestand
Organisationskomitee der IV. Olympischen Winterspiele 1936 (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Olympischen
Sommerspiele 1936 nach Berlin vergeben hatte, versuchten die
Bürgermeister von Garmisch und Partenkirchen zu erreichen, in ihren
Gemeinden in jenem Jahr die IV. Olympischen Winterspiele durchführen
zu können. Im Juni 1933 war es dann soweit: Die beiden Gemeinden
setzten sich innerhalb Deutschlands gegen die Konkurrenzstädte
Braunlage und Schreiberhau durch. Und auch die ausländischen
Konkurrenten Montreal in Kanada und St. Moritz in der Schweiz hatten
das Nachsehen. Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele wurden die
beiden Gemeinden am 1. Januar 1935 gegen ihren Widerstand zu einer
Marktgemeinde (Garmisch-Partenkirchen) zusammengeschlossen. In kurzer
Zeit musste ab 1933 die vorbereitende Organisation der Winterspiele
erfolgen, die nicht zuletzt finanziell neben Unterstützungszahlungen
durch andere Städte und Gemeinden auch durch eine zusätzliche
Bürgersteuer der Einwohner von Garmisch und Partenkirchen abgesichert
werden sollte. Insgesamt waren Kosten von 2,6 Millionen Reichsmark zu
schultern.
Am 23. August 1933 wurde zur
Durchführung der Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen das
Organisationskomitee gegründet. Präsident des Organisationskomitees
war der Vorstand des Münchner Bankhauses Auffhäuser, Dr. Karl Ritter
von Halt (1891-1964). Sein Stellvertreter und Schatzmeister war der
Direktor der Bayerischen Gemeindebank Friedrich Döhlemann,
Generalsekretär war Baron Peter Le Fort. Als Pressereferent zeichnete
Dr. Hermann Harster verantwortlich.
Das Komitee
hatte in besonderem Maße die Bau- und Instandsetzungsarbeiten zu
organisieren. In Rekordzeit wurden das Olympische Skistadion mit der
Großen Olympiaschanze, in dem auch die Eröffnungs- und Schlussfeier
stattfinden sollten, sowie das Olympia-Kunsteisstadion errichtet. Am
Riessersee wurden die Sportstätten für Eisschnelllauf, Eisschießen und
Bobrennen ausgebaut oder neu errichtet. Auch die Streckenverläufe der
zum ersten Mal im Rahmen der Olympischen Spiele stattfindenden
Skialpinwettkämpfe waren festzulegen.
Darüber
hinaus hatten logistische Planungen zu erfolgen, wofür die Deutschen
Wintersportmeisterschaften 1935 als Probelauf anzusehen sind.
Traditionsgemäß standen die Olympischen Winterspiele an Bedeutung
immer noch hinter den Sommerspielen zurück. Die IV. Olympischen
Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen waren ein erster Schritt aus
dem Schatten der Sommerspiele heraus. Vom 6. bis zum 16. Februar 1936
nahmen 646 Athleten aus 28 Nationen an 17 Wettkämpfen im Bobfahren,
Eishockey, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf, Ski alpin und Ski nordisch
teil. Eisschießen und Militärpatrouille wurden als
Demonstrationswettbewerbe durchgeführt. Im Zuge der erstmals
stattfindenen Skialpinwettkämpfe hatte es zuvor Auseinandersetzungen
mit dem Internationalen Skiverband gegeben, weil das IOC sich
weigerte, Skilehrer als Profis an den Wettkämpfen teilnehmen zu
lassen. Die Skiverbände Österreichs und der Schweiz boykottierten
daraufhin die Winterspiele.
Eine ebenso große
logistische Anstrengung neben der Organisation der Wettkämpfe und der
Unterbringung der Sportler brachten die hohen Besucherzahlen mit sich.
Nur mit dem effizienten Einsatz öffentlicher Verkehrsmittel war es zu
bewerkstelligen, dass ca. 500.000 Menschen den Spielen als Zuschauer
beiwohnen konnten. Alleine die Abschlussveranstaltung mit der
Verleihung sämtlicher Medaillen verfolgten ca. 150.000 Menschen.
Kooperation mit der Reichsbahn war deshalb notwendig, und auch die
Reichspost war für die Rundfunkübertragung ein wichtiger
Partner.
Die mediale Vermarktung und
Übertragung der Spiele stellte einen Vorlauf für die Sommerspiele dar.
Daraus wird ersichtlich, dass vor allem die Öffentlichkeitsarbeit
einen wesentlichen Punkt in der Arbeit des Organisationskomitees
bildete. Im In- und Ausland wurde Werbung für die Olympischen
Winterspiele betrieben, um das Reich als vermeintlich zivilisiertes
und friedliches Land zu präsentieren. Nachdem verhindert worden war,
dass die USA wegen der rassistischen Politik Deutschlands die Spiele
boykottierten, setzte das Organisationskomitee alles daran, die
Olympiade zu propagandistischen Zwecken zu nutzen. Karl Ritter von
Halt ließ alle Schilder mit antisemitischen Aufschriften entfernen und
untersagte judenfeindliche Hetzkampagnen, um das Prestigeobjekt
"Olympische Spiele" nicht zu gefährden.
Die
Winterspiele waren ein Probelauf für die Sommerspiele, weshalb ihnen
von IOC und NOK (damals: Deutscher Olympischer Ausschuss), aber auch
durch die Reichsregierung ein besonderer Stellenwert eingeräumt wurde.
Unter Anwesenheit Adolf Hitlers und zahlreicher führender Mitglieder
der NSDAP wurden sie am 6. Februar 1936 im Skistadion eröffnet.
Herausragende Sportler waren die norwegische Eiskunstläuferin Sonja
Henie, der norwegische Eisschnellläufer Ivar Ballangrud und die
deutsche Skifahrerin Christl Cranz.
Zum
Personal des Organisationskomitees der IV. Olympischen Winterspiele
zählten:
* Präsident: Dr. Karl Ritter von
Halt
* Generalsekretär: Baron Peter le
Fort
* Adjudantur des Präsidenten: F. von
Podewils, Raymund Nölke, Ilse Damköhler
*
Sportliche Organisation: Hans Nölke, Renate Fischer
* Meldebüro: Anastasia Hartmann, Josephine Dangl, Toni Jeggs,
Elisabeth Zehner
* Anmeldung: Anni Schwab, Hans
Karg, Adolf Wiedemann
* Aufmarschleitung: Major
Feuchtinger
* Verkehr und Ordnung: Hauptmann
Walter Titel, Frau Michael
* Olympia-Bauamt:
Joseph Dürr, Josef Hartl, Ludwig Gareis, (Arthur Vollstedt)
* Programm: Dr. Fritz Wasner, Frau Rönnebeck
* Olympia-Verkehrsamt: Max Werneck, Max Urban, Anton
Wiedemann, Heinrich Witztum, Erich Junker, Heinrich Wegener, Lina
Rühling, Eva Ackert
* Bob-Oberleitung: Alex
Gruber, Hans Edgar Endres, Frau Dangl
*
Schatzmeister: Friedrich Döhlemann
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Das Schriftgut des
Organisationskomitees der IV. Olympischen Winterspiele 1936 ging nach
Beendigung der Winterspiele an das Reichsarchiv, wo es - abgesehen von
einer Ausleihe des Bestandes an das Organisationskomitee wohl
anlässlich der Olympischen Spiele 1940 - zunächst verblieb. Ab 1946
befand sich der Bestand im Zentralen Staatsarchiv der DDR, von wo er
von 1953 bis 1964 abermals ausgeliehen wurde, diesmal an das Nationale
Olympische Komitee der DDR. In diesem Zusammenhang wurden auch
Abschriften hergestellt. 1964 wurde der Bestand mit Ausnahme von
wenigen Akten wieder in das Zentrale Staatsarchiv zurückgeführt. Seit
1990 gehört er zu den Beständen des Bundesarchivs. Die nach 1964
zunächst noch beim Nationalen Olympischen Komitee der DDR
verbliebenen, restlichen 0,2 lfm. wurden im Dezember 2004 aus dem
Bestand DR 510 in den Bestand R 8076 überführt. Weitere neun
Archivalieneinheiten wurden nachträglich, im Januar 2007, im Zuge von
Ordnungsarbeiten an verschiedenen Beständen, darunter dem Bestand R
8077, in R 8076 überführt.
Archivische
Bewertung und Bearbeitung
Über kriegsbedingte
Aktenverluste können keine Angaben gemacht werden. Ein
Aktenverzeichnis des an das NOK der DDR ausgeliehenen Bestandes wurde
in Orientierung an einem im ehemaligen Reichsarchiv vorliegenden
Aktenplan durch G. Oehmigen und W. Thilo von der Abteilung
Zeitgeschichte der Forschungsstelle an der Deutschen Hochschule für
Körperkultur Leipzig im Jahr 1964 erstellt. Im Zentralen Staatsarchiv
der DDR wurde lediglich die erste Hälfte des Bestandes auf
Karteikarten verzeichnet. Eine Neuverzeichnung erfolgte 2005/2006 im
Bundesarchiv.
Da die ursprünglichen Aktentitel
nicht aussagekräftig erschienen, wurden neue Titel gebildet und durch
Enthältvermerke ergänzt. Außerdem wurde eine neue Klassifikation
erarbeitet, die sich an den Aufgaben des Organisationskomitees
orientiert.
Im Zusammenhang mit der
Neuverzeichnung durch Mathis Leibetseder, Rouven Pons und Stefan
Selbmann wurde auch eine Nachkassation durchgeführt. Kassiert wurden
aufgrund ihres geringen Informationswertes Bestellscheine für
Eintrittskarten, Abrechnungen von Telefongesprächen einzelner
Mitarbeiter, Empfangsbestätigungen für Olympiaausweise, Krankenmarken
sowie Unterlagen zur Abführung der Bürgersteuer für die Beschäftigten
des Organisationskomitees.
Die im Bestand
vorgefundenen Fotografien der Olympischen Winterspiele, der Deutschen
Wintersportmeisterschaften und anderer Sportwettkämpfe wurden
herausgenommen und in das Bildarchiv der Dienststelle Koblenz des
Bundesarchivs überführt.
Inhaltliche Charakterisierung:
Allgemeine Verwaltung: Personal 1933-1937 (44), Finanzen 1933-1939
(84), Liquidation des Komitees 1935-1937 (7); Vorbereitung der
Winterspiele: Korrespondenz 1932-1936 (25), Sitzungen 1932-1937 (35),
Berichtswesen 1933-1937 (23), Kooperation 1927-1936 (19),
Auszeichnungen 1933-1937 (7), Sportanlagen 1932-1936 (54), Meldungen
1934-1936 (54), Eintrittskarten 1933-1936 (35), Devisen, Verkehr,
Logistik, Unterbringung 1934-1936 (17), Gewerbetreibende 1934-1936
(3); Durchführung der Wettkämpfe: Öffentlichkeits- und Pressearbeit
1933-1936 (112), Planung und Durchführung 1921-1936 (5), Fest- und
Rahmenprogramm 1933-1939 (6), Eis-, Bob- und Skisport 1933-1936 (54),
andere Wettkämpfe 1933-1935 (15)
Erschließungszustand:
Online-Findbuch (2006, 2007)
Zitierweise: BArch R
8076/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch R 8076
- Extent
-
696 Aufbewahrungseinheiten
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Organisationen, Verbände und Wirtschaftsunternehmen >> Soziales, Gesundheit, Sport
- Related materials
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: R 8077 Organisationskomitee der XI. Olympischen Sommerspiele 1936 [Online-Findbuch]
R 8078 Organisationskomitee der V. Olympischen Winterspiele 1940 [Online-Findbuch]
DR 510 Nationales Olympisches Komitee der DDR [Online-Findbuch]
R 1501 Reichsministerium des Innern
Bildarchiv
Amtliche Druckschriften: Olympia-Zeitung. Amtliches Organ des Organisationskomitees für die IV. Olympischen Win‧terspiele und des Propaganda-Ausschusses für die Olympischen Spiele, Berlin 1936
Literatur: 1936. Die Olympischen Spiele und der Nationalsozialismus, hg. v. Reinhard Rürup, Berlin 1996; Heimerzheim, Peter: Karl Ritter von Halt. Leben zwischen Sport und Politik (Schriften der Deutschen Sporthochschule Köln, Bd. 44), Sankt Augustin 1999
- Provenance
-
Organisationskomitee der IV. Olympischen Winterspiele 1936, 1933-1940
- Date of creation of holding
-
1921-1939
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Associated
- Organisationskomitee der IV. Olympischen Winterspiele 1936, 1933-1940
Time of origin
- 1921-1939