Bestand
Protokolle des Generalvikariats 1808–1822 (Bestand)
Durch die Säkularisation von 1802/03 ging die alte Reichskirche, dieses Kirchensystem mit seiner Verbindung von geistlicher und weltlicher Macht in der Hand der Fürstbischöfe, unter. Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 bestätigte die Säkularisation der geistlichen Staaten und die Mediatisierung einzelner kleinerer weltlicher Herrschaften und damit die bis dahin umfassendste territoriale Umgestaltung auf deutschem Gebiet.
Mit der Säkularisation von 1802/03 hörte auch das Hochstift Würzburg als geistlicher Staat der Würzburger Fürstbischöfe auf zu existieren und wurde dem Kurfürstentum Pfalzbayern als Kompensation für seine durch Frankreich annektierten linksrheinischen Gebiete zugeschlagen. Der damals regierende Fürstbischof Georg Karl von Fechenbach (reg. 1795–1808) verlor seine Stellung als geistlicher Landesherr und Fürst und war von einem Tag auf den anderen nur noch Bischof von Würzburg. Im Gegensatz zum Hochstift blieb das Bistum Würzburg zunächst formell weiter bestehen. Hier sollten laut Reichsdeputationshauptschluss erst durch spätere reichsrechtliche Regelungen neue kirchliche Strukturen geschaffen werden. Eine solche Lösung kam aber nicht mehr zustande. Nachdem sich die deutschen Mittelstaaten 1806 unter dem Protektorat Napoleons zum Rheinbund zusammengeschlossen hatten, löste sich das Reich auf. In der napoleonischen Zeit zerfiel das alte Bistum Würzburg bis 1813 strukturell und territorial zusehends. Die Frage, welche Struktur die katholische Kirche künftig haben sollte, blieb zunächst ungeklärt. Erst das zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Bayern geschlossene Konkordat von 1817 und die sich anschließende päpstliche Zirkumskriptionsbulle von 1818 bahnten in Bayern den Weg zur Schaffung einer neuen Kirchen- und Bistumsorganisation, in deren Rahmen auch das Bistum Würzburg neu gegründet wurde. Die Umsetzung der kirchlichen Neuordnung zog sich jedoch bis 1821 hin.
1. Behördengeschichte
Die Umbruchszeit nach der Säkularisation bis zur Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse 1821 bedeutete für das damalige Bistum Würzburg einen epochalen äußeren und inneren Einschnitt. Die Würzburger Kirche befand sich seit 1803 in einem permanenten rechtlichen, institutionellen und wirtschaftlichen Schwebezustand.
Bis zur Säkularisation bildete die Geistliche Regierung die zentrale Verwaltungsbehörde des geistlichen Staats. Da nach Ansicht der neuen bayerischen Regierung die Geistlichen Regierungen in den bisherigen Hochstiften nicht ausschließlich bischöfliche Behörden gewesen waren und folglich nicht nur geistliche Angelegenheiten und Aufgaben wahrgenommen hatten, nunmehr nach Ansicht des aufgeklärten Staates aber weltlicher und geistlicher Bereich strikt zu trennen waren, wurden die Geistlichen Regierungen durch kurfürstlichen Erlass vom 23. April 1803 aufgelöst. Zur Verwaltung der rein geistlichen Angelegenheiten wurde den Bischöfen die Möglichkeit eingeräumt, ein Offizialat oder Vikariat einzurichten. In Würzburg wurde daraufhin noch im Mai des genannten Jahres die Geistliche Regierung in Generalvikariat umbenannt, ansonsten nach außen hin zunächst personell und organisatorisch jedoch alles im bisherigen Zustand belassen. Intern jedoch wurde die Organisation eines neuen Vikariats vorbereitet. Nachdem die bayerische Regierung die durch Fechenbach vorgelegte Neuorganisation der neuen Verwaltungsstelle genehmigt hatte, wurde das Bischöfliche Vikariat durch bischöflichen Erlass vom 14. September 1803 als neue geistliche Zentralbehörde für das Bistum Würzburg offiziell errichtet. Da es nach dem Willen der Regierung aber nur noch eine geistliche Verwaltungsbehörde in einem Bistum geben sollte, gliederte man das bisherige Konsistorium (Ehegericht) als Unterabteilung in das Bischöfliche Vikariat ein.
Als Fürstbischof Fechenbach am 9. April 1808 starb, wurden dem bisherigen Würzburger Generalvikar und Präsidenten des Bischöflichen Vikariats, Johann Franz Schenk von Stauffenberg, von Papst Pius VII. Amt und Vollmachten eines Kapitularvikars und damit die provisorische Leitung des verwaisten Bistums übertragen. Gleichzeitig wurde am 27. Mai 1808 das Bischöfliche Vikariat in Generalvikariat umbenannt, ansonsten aber offenbar keine personellen oder formalen Änderungen in dieser Behörde vorgenommen. Ab 1809 wurden die Protokollbände entsprechend unter der neuen Bezeichnung Generalvikariat geführt. Die Zeit der Sedisvakanz mit dem Generalvikariat als zentrale diözesane Verwaltungsbehörde endete erst Ende 1821 mit dem Vollzug der Neuorganisation des Bistums Würzburg als bayerisches Landesbistum auf der Grundlage des Konkordats von 1817 und der Zirkumskriptionsbulle von 1818.
An seiner Spitze des Generalvikariats stand zunächst als Präsident der Würzburger Generalvikar und Apostolische Kapitularvikar Johann Franz Schenk von Stauffenberg. Nach dessen Tod im Dezember 1813 ernannte der Nuntius in Luzern den Vikariatsrat und Fiskal Joseph Fichtl zum Apostolischen Provikar, der damit auch die Leitung des Generalvikariats übernahm. Er übte diese Funktion aus, bis Bischof Adam Friedrich von Groß zu Trockau (amt. 1821–1840) am 23. Dezember 1821 in der Würzburger Kathedralkirche in sein Amt eingeführt wurde. 1823 erfolgte die Umbenennung des bisherigen Generalvikariats in Bischöfliches Ordinariat.
Das Generalvikariat bestand aus etwa 20 Geistlichen Räten. Die laufenden Geschäfte wurden wöchentlich in zwei Sitzungen, die der Präsident bzw. Direktor leitete, beraten und entschieden. Zum Generalvikariat zählten ferner ein Registrator, ein Fiskalats-Receptor sowie mehrere Kanzlisten. Im Übergang vom Bischöflichen Vikariat zum Generalvikariat 1808 sind, wie auch beim Amtsantritt von Bischof Groß zu Trockau und im Übergang zum Bischöflichen Ordinariat 1823, keine personellen oder formalen Änderungen im Sitzungsmodus festzustellen. Im Generalvikariatskollegium wurden aktuelle Themen aus der geistlichen Verwaltung des Bistums besprochen und häufig sofort darüber entschieden. Seine Mitglieder waren dabei als Referenten für die ihnen zugeteilten Themen verantwortlich, jedoch ist nicht geklärt, nach welchem Prinzip die Aufgaben- bzw. Themenverteilung erfolgte. Vermutlich wurden diese nach Eignung der Referenten verteilt. Nachdem Bischof Groß von Trockau Ende 1821 die Leitung seines Bistums übernommen hatte, nahm er erstmals am 27. Dezember 1821 und dann regelmäßig an den Sitzungen teil.
2. Überlieferung
Die Protokollüberlieferung des Generalvikariats setzt im Jahr 1808 ein und umfasst bis 1822 insgesamt 47 Bände, davon einen eigenen Registerband für 1822.
Aus dem Generalvikariat ist kein eigener geschlossener Aktenbestand überliefert, da die einstmals vorhandenen Unterlagen vermutlich im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts in der Zentralregistratur aufbewahrt und damit im März 1945 kriegsbedingt zerstört wurden. Die vorhandene Protokollserie bildet daher umso mehr einen zentralen Leitbestand des Diözesanarchivs für die jüngere Bistumsgeschichte, zumal durch beigebundene und lose Schriftstücke und Dokumente (s. u. Form der Protokolle) ein Ausschnitt aus dem verlorenen Aktenbestand des Generalvikariats erhalten ist. Die Protokolle bieten in einer komprimierten Form reiches Material zur Erforschung der Geschichte des Bistums Würzburg für die konfliktreiche Zeit der Sedisvakanz zwischen dem Tod des letzten Bischofs 1808 und der Amtsübernahme durch den ersten Bischof des neu umschriebenen Bistums.
3. Form der Protokolle
Die gebundenen und mit einem Pergamenteinband versehenen Protokollbände haben Folioformat. Sie tragen auf dem Rücken jeweils den Titel „Protocollum de Anno“ oder nur „Protocollum“ mit der entsprechenden Jahreszahl sowie die Angabe des jeweiligen Teilbands, d. h. bei jährlich bis zu maximal vier Teilbänden die Bezeichnung „Pars I“, „Pars II“, „Pars III“ oder „Pars IV“.
Die Protokolleinträge wurden pro Sitzung erstellt und sind gleichförmig aufgebaut. Die Seiten der Bände sind fortlaufend durchnummeriert. Die Sitzungen werden oberhalb der Einträge datiert (z. B. „General-Vicariats-Protokoll vom 9ten Jänners 1809“). Die eigentlichen Sitzungseinträge sind halbbrüchig aufgeteilt. Auf der linken Blatthälfte werden die Sitzungsteilnehmer („Gegenwärtige“) mit Namen und Amtsbezeichnung einschließlich des Aktuars als Protokollant, die für jeden behandelten Beratungsgegenstand vergebene fortlaufende Vorgangsnummer (= Protokollnummer) und die sogenannte D-Nummer, die jeweiligen Betreffe der in der Sitzung behandelten Gegenstände (Ortsangabe und Titel) sowie der Referent, der das Thema bearbeitet bzw. vorträgt, protokolliert. Auf der rechten Blatthälfte finden sich die jeweils zusammengefassten Inhalte der behandelten Betreffe, zuweilen das Votum des Referenten respektive die Beschlüsse des Gremiums zu diesen Betreffen („Conclusum“, „Beschlossen“). Die für jeden behandelten Betreff vergebene D-Nummer bezieht sich auf die in der Registratur erfolgten Posteingänge. Dort wurden die eingehenden Schriftstücke mit dem Buchstaben „D“ und einer Nummer versehen in ein Diarium, d. h. ein Eingangsjournal, eingetragen, bevor die Schriftstücke den jeweiligen Räten zur Bearbeitung weitergeleitet wurden. Diese Schriftstücke sind zum Teil auch als beigebundene oder lose Anlagen in den Protokollbänden mit überliefert. Durch die entsprechende Vorgangsnummer des Protokollbands, die der Aktuar auf die als Anlage beigefügten Schriftstücke notierte, sowie die D-Nummer können die Anlagen und die Protokolleinträge einander eindeutig zugeordnet werden.
Die Protokolle wurden vermutlich zunächst als Entwurf erstellt und später in Reinschrift übertragen, worauf der überlieferte Konzeptband und die saubere Schriftführung der anderen Bände hindeuten. Die Sitzungsbeschlüsse wurden durch den Präsidenten genehmigt. Am Ende eines jeden Protokolls findet sich daher der Vermerk „Lectum et approbatum“ („Gelesen und genehmigt“) oder „Zu den vorstehenden Conclusis ertheile ich meine Zustimmung“ mit der Unterschrift Stauffenbergs bzw. ab Mitte Dezember 1813 derjenigen Fichtls (z. B. „Lectum et approbatum in sessione die 13tia Januarii 1809, J.F. Schenk von Stauffenberg, Vicarius Generalis“). Bis einschließlich 1821 ist für annähernd jedes Jahr ein Register im Anhang an den letzten Teilband angehängt. Darin werden zumeist die in den Sitzungen behandelten Orte sowie für die Stadt Würzburg auch einzelne Personen und Sachbetreffe genannt. Darüber hinaus wurden nur vereinzelt Personen- oder Sachregister erstellt. Für das Jahr 1822 wurde ein gesonderter Registerband angelegt.
4. Bestandsbearbeitung
Ende der 1990er Jahre wurde der Bestand erstmals erschlossen. Damit verbunden war eine Verfilmung auf Mikrofiches. Die damalige, zum Teil detailreiche, in ihrer inhaltlichen und formalen Ansetzung jedoch uneinheitliche Erschließung folgte allerdings keinen gültigen archivischen Standards. Schließlich fehlte auch ein entsprechendes Bestandsvorwort.
Der vorliegende Bestand war bis zur Neuerschließung im Jahr 2020 mit den Beständen „Protokolle der Geistlichen Regierung 1778–1803“, „Protokolle des Generalvikariats und Bischöflichen Vikariats 1803–1808“ und „Protokolle des Bischöflichen Ordinariats 1823–1858“ im Bestand „Geistliche Rats-Protokolle“ zusammengefasst. Aufgrund der unterschiedlichen Überlieferungsbildner wurde eine Bestandstrennung und -neuerschließung vorgenommen.
Die Bearbeitung erfolgte in der ersten Hälfte des Jahrs 2020 im Rahmen eines eigenen Projekts, das von der Theodor-Kramer-Stiftung gefördert wurde. Dabei wurden die genannten Bestände nach den Bestandsbildnern getrennt, neu verzeichnet und für jeden Bestand ein Vorwort für das archivische Findbuch erstellt. Die Arbeiten wurden anhand der vorhandenen Mikrofiches durchgeführt.
5. Benutzung
Da die Protokollbände Ende der 1990er Jahre auch auf Mikrofiches verfilmt wurden, gelangen die zum Teil mechanisch geschädigten Bände in der Regel nicht mehr in die Benutzung. Die Mikrofiches sind im Lesesaal von Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg uneingeschränkt für die Benutzung freigegeben.
6. Sachverwandte Bestände
- Protokolle der Geistlichen Regierung 1778–1803
- Protokolle des Generalvikariats und Bischöflichen Vikariats 1803–1808
- Protokolle des Bischöflichen Ordinariats 1823–1858
- Bischöfliche Manualakten 1821–1898
- Sammlung Mandate und amtliche Rundschreiben
- Nachlass Weihbischof Gregor Zirkel
7. Zitierempfehlung
Diözesanarchiv Würzburg (DAW), Generalvikariat, Protokolle [Jahreszahl, ggf. Teilband], Nr. [Nr.]
8. Literatur (in Auswahl)
- Hansjoachim Daul, Verwaltungs- und Gerichtsorganisation im Hochstift Würzburg am Ende des alten Reiches, in Mainfränkisches Jahrbuch 23 (1971), S. 92–108.
- Thomas Wehner, Das Bistum Würzburg im Spannungsfeld zwischen Säkularisation, Konkordat und Neuorganisation, in: Hans Ammerich (Hg.), Das Bayerische Konkordat 1817, Weißenhorn 2000, S. 231–271.
- Thomas Wehner, Die Verwaltung des Bistums Würzburg und seiner Pfarreien im 19. und 20. Jahrhundert – Träger und Strukturen im Überblick, in: Wolfgang Altgeld/Johannes Merz/Wolfgang Weiß (Hg.), Josef Stangl 1907–1979. Bischof von Würzburg. Lebensstationen in Dokumenten, Würzburg 2007, S. 46–67.
- Wolfgang Weiß, Das Bistum Würzburg zwischen Säkularisation und Neubeginn (1802–1821), in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 78 (2015), S. 33–46.
- Wolfgang Weiß, Staat und Kirche im Großherzogtum Würzburg, in: Wolfgang Altgeld/Matthias Stickler (Hg.), Italien am Main. Großherzog Ferdinand III. der Toskana als Kurfürst und Großherzog von Würzburg (Historische Studien der Universität Würzburg 7), Rahden/Westfalen 2007, S. 75–92.
Stand: Dezember 2021
- Reference number of holding
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Diözesanarchiv Würzburg, Protokolle des Generalvikariats 1808–1822
- Context
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Diözesanarchiv Würzburg (Archivtektonik) >> 01. Bistum Würzburg bis 1821 >> 01.04 Generalvikariat, Bischöfliches Vikariat, Konsistorium
- Date of creation of holding
-
1808–1822
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28.09.2023, 11:31 AM CEST
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1808–1822