Bestand

Nachlass Hans Lorenser (Bestand)

Vorwort: Lorenser, Hans Dr. rer. pol.
geb. in Ludwigsburg 06.02.1916
gest. in Ulm 19.07.1989

1954 Zweiter Beigeordneter
1955 Erster Beigeordneter bzw. Bürgermeister im Referat Wirtschaftsverwaltung (bis 1972).
Oberbürgermeister von Ulm August 1972 - Februar 1984
Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg 1964 - 1972
Ehrenbürger der Stadt Ulm

Gerhard Stuber (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 301-304

Lorensers Lebensweg war geprägt von seiner religiösen Grundhaltung als praktizierender Katholik; er gehörte während des 3. Reiches der katholischen Jugendbewegung Neu-Deutschland an und war deren Repräsentant in Ludwigsburg. Dies führte ihn auch zu Auseinandersetzungen mit den Machthabern der damaligen Zeit.
Nach einer Verwundung beim Vormarsch in Rußland 1943 bot sich Lorenser die Möglichkeit, das Abitur nachzuholen und das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der TH in Stuttgart zu beginnen und an der Universität in Tübingen weiterzuführen.
Nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft kehrte Lorenser nach Ludwigsburg zurück. Da er „unbelastet“ war, wurde ihm im September 1945 die Leitung des Kreisernährungsamtes Ludwigsburg übertragen; er war zuständig für die Beschaffung von Lebensmitteln und von Dingen des täglichen Bedarfs für den Landkreis Ludwigsburg.
Im Sommersemester 1946 nahm Lorenser das Studium an der Universität Tübingen neben seiner Verwaltungstätigkeit wieder auf und schloß es 1947 mit der Diplomprüfung für Volkswirte ab. Seine Aufgeschlossenheit für Wirtschafts- und Verwaltungsfragen veranlaßte Prof. Rieger, den Inhaber des Tübinger Lehrstuhles für Privatwirtschaftslehre, Lorenser auf eine besondere Thematik aufmerksam zu machen, die ihn ein Leben lang nicht mehr losließ: nach welchem Rechnungsstil sollen Krankenhäuser geführt werden, in der Form der Kameralistik oder nach den Grundsätzen der doppelten kaufmännischen Buchführung? Diese Untersuchung war Gegenstand seiner Dissertation (Etat oder Bilanz? Finanzwirtschaftliche oder privatwirtschaftliche Rechnungsweise bei kommunalen Krankenanstalten).
Lorenser wechselte im April 1947 als Verwaltungsdirektor zum Kreiskrankenhaus Ludwigsburg und versuchte damit, Theorie und Praxis zusammenzuführen. Doktorvater war inzwischen Prof. Johns; am 8. Juli 1949 wurde Lorenser zum Dr. rer. pol. promoviert.
Die Dissertation wurde veröffentlicht und fand im kommunalen Bereich reges Interesse. Hinzu kamen zahlreiche Veröffentlichungen über krankenhausspezifische Fragen. Lorensers Art, Erkanntes in die Tat umzusetzen, führte ihn bald in die Interessensverbände der Krankenhäuser und in deren Vorstandsebenen. In Württemberg-Baden gehörte Lorenser dem Vorstand der Krankenhausgesellschaft schon 1947 an, 1974 wurde er deren Vorsitzender, auf der Bundesebene war er seit 1963 Vorstandsmitglied der Deutschen Krankenhausgesellschaft; dieser Verband wählte Lorenser 1982 zu seinem Präsidenten. Lorenser war Gründungsmitglied der Fachvereinigung der Verwaltungsleiter Deutscher Krankenanstalten sowie der Krankenhausfachmesse.
Da Personalfragen im Krankenhaus eine wichtige Rolle spielen, engagierte sich Lorenser auch beim Arbeitgeberverband. Hier wirkte er von Anfang an als Mitglied und später als Vorsitzender des für das Krankenhauswesen zuständigen Fachausschusses maßgebend an der Gestaltung des öffentlichen Tarifrechtes mit.
Lorenser gehörte dem Vorstand des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Baden-Württemberg seit 1960 an und wurde 1974 zum Vorsitzenden gewählt. Auf der Bundesebene war Lorenser in der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände seit 1964 Mitglied des Präsidiums, 1975 2. Vorsitzender und ab 1981 Vorsitzender der VKA. In dieser Eigenschaft vertrat Lorenser die Kommunen der Bundesrepublik Deutschland bei den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst.
Seine politische Grundeinstellung führte Lorenser zwangsläufig auch zur Politik. Er trat 1952 der CDU bei und wurde 1953 in den Gemeinderat der Stadt Ludwigsburg gewählt. Dabei entstand ein Streitpunkt mit seinem Dienstherrn, ob Befangenheit vorliege, wenn ein Leitender Beamter einer Kreisbehörde in den Gemeinderat einer Kreisstadt gewählt wird. Persönliche Auseinandersetzungen hierzu mit dem Landrat veranlaßten Lorenser schließlich, einer Aufforderung, sich in Ulm als Wirtschaftsbürgermeister zu bewerben, nachzukommen. Lorenser wurde 1954 in diese Position gewählt. Seine besondere Leistung in dieser Funktion (bis 1972) war die Ansiedelung von neuen Gewerbebetrieben im Westen der Stadt (Ulm 1970: 78 500 Beschäftigte). Diese Zeit gehörte zu der produktivsten in Ulm, da es zu einer Arbeitsteilung zwischen Oberbürgermeister Pfizer (Verwaltung und Kultur) und Lorenser (Wirtschaft) kam. Lorensers Popularität stieg ständig, dies veranlaßte die CDU, ihn in den Landtagswahlkampf 1964 zu schicken. Lorenser nahm der SPD das Direktmandat ab. Bis 1972 gehörte Lorenser, nach Wiederwahl 1968, dem Landtag an. Sein besonderes Bemühen galt der Randlage von Ulm. Immer wieder wies er auf diese hin, was Ministerpräsident Lothar Späth zur Aussage veranlaßte, Lorenser sei der teuerste Abgeordnete, wenn es um Ulm gehe, kenne er keine Parteien mehr. 1972 stellte sich Lorenser nicht mehr zur Wahl in den Landtag, sondern kandidierte bei der Oberbürgermeisterwahl. Er wurde mit 63,5 % der gültigen Stimmen unter 3 Bewerbern gewählt. Lorenser nutzte die Chancen für Eingemeindungen, gliederte 9 Gemeinden ein und verdoppelte die Markung der Stadt Ulm von 4978 ha auf 11 878 ha. Ulm wurde Großstadt. In diese Zeit fiel auch der Auf- und Ausbau der Universität Ulm, die Lorenser tatkräftig und vielfältig (vor allem die Medizin) unterstützte, förderte und in die Stadt integrierte.
Mit Ausstrahlung und Charme führte Lorenser sein Amt, eigenwillig und unbürokratisch, kein Feld der Kommunalpolitik auslassend, von allen Parteien anerkannt und verwurzelt in der Bürgerschaft. 1980 erfolgte die Wiederwahl zum Oberbürgermeister mit 91,4 % der gültigen Stimmen unter 4 Bewerbern. In dieser Amtsperiode gelang Lorenser die Verstaatlichung der städtischen Kliniken (1982) und die Gründung einer grenzüberschreitenden Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mit der bayrischen Schwesterstadt Neu-Ulm (1983). Tiefe Enttäuschung erlitt er durch die Ablehnung des Baues einer Müllverbrennungsanlage in Gemeinschaft mit dem Alb-Donau-Landkreis und dem Landkreis Neu-Ulm durch den Gemeinderat (1980). Immer deutlicher wurde danach sein Bemühen um Einzelschicksale der Bürger und um Linderung von Einzelnöten. Aufgrund der Erreichung der Altersgrenze schied Lorenser am 29.2.1984 aus dem Amt, von der Bürgerschaft verehrt – von vielen seiner ausstrahlenden Herzlichkeit wegen sogar geliebt.
Lorenser zog sich nicht zurück, sondern übernahm ohne Entgelt die Geschäftsführung des von ihm initiierten Rehabilitationskrankenhauses (232 Betten und 80 Plätze für berufliche Rehabilitation). Er übernahm auch den Vorsitz des Schwäbischen Heimatbundes von 1984-1989 und war in dieser Funktion ab 1985 auch Mitglied der Denkmalstiftung Baden-Württemberg.
Im Verlauf der sich abzeichnenden Krankheit wurden seine gewohnten Spaziergänge (im Dienst täglich 4 x 3 km) weniger, bevor er einem Herzversagen erlag.
Nachdem in seinem letzten Lebensjahrzehnt vielfach Hochgeehrten wurde 1991 im Ulmer Industriegebiet Donautal eine Straße benannt.

Der Nachlass gelangte in mehreren Ablieferungen zwischen 1998 und 2010 in das Stadtarchiv.
Umfang: lfm mit 168 Einheiten

Bestandssignatur
H Lorenser, Hans

Kontext
>> Handschriften und Nachlässe

Bestandslaufzeit
1916/1989

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Letzte Aktualisierung
03.04.2025, 12:43 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1916/1989

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