Akte

Schreiben von den Schwestern Martha Margarethe Charlotte Christine Stallmann (Martha) und Elisabeth Magdalene Frieda Paula (Lene) Stallmann, Minden, an ihren Bruder Oswald Stallmann

Enthält u.a.: Martha: "Lene packt auch gleichzeitig einige Zeitungen ein. Ein paar mal [!] sind schon die Zeitungen zurückgekommen weil zu schwer. Lene hat selbige nun mehrmals geteilt, denn alle Briefsendungen auch Zeitungen dürfen nur 20 Gramm wiegen. Du kannst Dir nun vorstellen, daß man oftmals die Zeitungen teilen muß. Wir hätten Dir schon längst mal wieder ein Päckchen geschickt, aber leider gesperrt. Es ist überhaupt ziemlich alles ziemlich [!] beschwerlich mit der Post, aber was will man machen, es ist eben Krieg. […] [Paul Stallmann in Rumänien:] Hoffentlich kommt der Russe nicht weiter in Rumänien ein, und daß die Kämpfe nicht so hart dort sind. Diese Tage wurde durch Radio gegeben, daß die Amerikaner dort tüchtig bombardiert haben. Bis jetzt ist hier noch alles verschont geblieben, wollen fernerhin dieses auch wünschen. Hier steht alles in voller Blüte, wenn kein Krieg wäre, könnte man sich seines Lebens so richtig erfreuen, und oft in die Natur gehen. Denn jetzt darf man sich nicht weit weg wagen, zu jeder Tageszeit kommt Alarm, und die Bomber brausen über uns hin, und dann in den Luftschutzraum. Und man freut sich dann immer wieder wenn man verschont blieb. […] Ich wünsche Dir nun alles Gute und fernerhin viel Soldatenglück.", 7. Mai 1944; Martha: "In den letzten Tagen ist das richtige Sommerwetter bei uns eingezogen. Wie im Sommer, so schön warm ist es, und man könnte so richtig froh und wohlgestimmt sein, wenn dieser Krieg nicht wäre. Alles steht in voller Pracht. Blumen, Bäume ist ein Blütenmeer […]. Wie Paul schrieb, muß die Komp. welcher er zugeteilt ist, die Verpflegung u. Munition nach vorn schaffen. Auch kein angenehmer Posten Aber aussuchen darf sich ja der Soldat sich [!] seine Arbeit nicht.", 11. Mai 1944; Lene über den Pfingstsonntag: "Wenn es nun morgen auch so schön ist, kann man wohl zufrieden sein, es ist nur schade, daß nun an einen längeren Ausflug nicht zu denken ist. Denn jeden Augenblick kann die Sirene ertönen, und man weiß dann immer nicht, wohin so schnell, und jeder ist froh, dann daheim zu sein. Aber es ist Krieg, und man ist froh, von einem Tag zum andern zu kommen. […] Augenblicklich ist hier ein Warten auf irgend etwas [!], man hofft auf die Entscheidung. In den Großstädten, und dieses ist eine ganze Reihe, ist doch alles furchtbar. Tag und Nacht kriegen die Leute keine Ruhe. Kaum das Nötigste wird erledigt, sind immer in Alarmbereitschaft, abgekämpft bis zum äußersten. Und dann der Materialschaden überall, jammerschade. Aber jeder sagt, verlieren dürfen wir nicht, dann wird es noch schlimmer, lieber noch etwas erdulden, einmal wird ja für Deutschland wieder die Sonne scheinen, und es wird alles wieder heimzahlen, was sie uns angetan. Von Gustav und Karl Kottkamp ist noch nichts angekommen, sie hoffen ja bestimmt daß sie noch leben. Wie mögen wohl die Gefangenen auf ihre Befreiung warten wie mögen sie wohl die Stunde herbei sehnen. Und doch, auch sie müssen aushalten.", 27. Mai 1944; Martha: Luftangriff auf Osnabrück, "Augenblicklich meinen es die Flieger wieder gut mit uns Deutschen. Tag für Tag, Nacht für Nacht, und dann mit solch einer Stärke, daß es den Leuten angst und bange wird. Wer hätte das gedacht, wie der Führer vor Jahren in seiner Rede sagte, es giebt [!] Überlebende und Tote, und daß es solch ein Ausmaß würde. Wenn Du bald einmal wieder ins Reich kommst, so wirst Du manche Stadt nicht wieder kennen.", 4. Juni 1944; Martha: "Gestern kam Dein Brief vom 8.6. hier an, und wir haben daraus ersehen, daß Du mit einem blauen Auge davon gekommen bist. Da kann man wohl sagen, Glück gehabt. Wenn nun die Heilung gut von statten geht, so wollen wir heilfroh sein. Mit dem einen Auge wird es hoffentlich auch noch werden, auch mit Deinem Fuß. Wenn man es oft überlegt, was ein kleiner Augenblick einem antun kann, es ist manchmal nicht auszudenken. Daß sich Dein Urlaub nun etwas dadurch verzögert ist ja weiter nicht schlimm. Der Gedanke, ich habe ihn noch vor mir, ist auch schön. […] Augenblicklich mußte er [Paul] einen Kameraden vertreten, Karten zeichnen u.s.w. Aber Du weißt ja, wenn jemand einen sicheren Posten inne hat, sieht er immer zu, daß er unter allen Umständen denselben wieder bekommt, zumal er schon 2 Jahre diese Arbeit macht. Na, hoffentlich lernt Paul sich durchzusetzen, und eventuel [!] auch mal seine Elbogen [!] brauchen. In den ersten Tagen nach der Invasion hatten wir mit den Einflügen etwas Ruhe, aber jetzt kommt er wieder Tag für Tag, Nacht für Nacht. Es ist ja ein Jammer, daß wir dieses uns so gefallen lassen müssen, ohnmächtig. Aber auch dieses wird einmal aufhören, und wir dann hoffentlich sagen und handeln können, wehe Dir, Inselland.", 16. Juni 1944; Martha: "Du hast uns in Deinem Brief mitgeteilt, wie Deine Verletzungen eingetreten sind. Man kann es kaum fassen, daß Du so davon abgekommen bist. Wie ist es denn mit Deinen beiden Begleitern geworden, sind dieselben auch mit dem Leben davon gekommen? Ja, dieser Krieg, erfordert [!] doch manches Opfer, und viel Herzeleid. Aber jetzt hat die erste Sühne stattgefunden, und Deutschland hat zum Schlag ausgeholt. Wie haben wir alle aufgehorcht, und wie war uns ums Herz, als die erste Meldung rauskam. Man hätte laut schreiben mögen, so hat es uns gepackt, endlich die erste Vergeltung . Und das [!] dieses nicht das Letzte ist, das glauben wird, und wünschen uns immer wieder, das Kriegsende möchten wir doch noch mit erleben. Soeben hörten wir vom Kriegsberichter Goldammer [?] den Tagesbericht. O wie packt uns dieses, wie er sagt dies ist es die erste Waffe. Das ungeheure Leid, welches die Engl. Amerikaner über Deutschland gebracht mußte gesühnt werden. Du wirst sicher im Lazarett die Berichte und Nachrichten auch mit Eifer aufnehmen. Endlich wird auch bei all denen die so furchtbar heimgesucht wurden, auch wieder Freude und Genugtuung einkehren. Jetzt kommt das Radio wieder zu vollem Einsatz. Jede freie Minute wird gehört. […] Wie geht denn Deine Genesung vor sich, wie ist es mit Deinem Auge, und Deinem Fuß. Hoffentlich bliebt kein großer Schaden zurück.", 18. Juni 1944; Lene: "Aus denselben [Briefen] ersehen wir, daß Deine Besserung vorschreitet, nur die Augen wollten noch nicht. Hoffentlich wird aber auch dieses noch behoben. Sind die beiden Begleiter, welche bei Dir waren auch mit in dem Lazarett eingeliefert? Ja, Du schreibst auch, Du hättest fabelhaftes Glück gehabt, das glauben wir gern. Man hat doch schon oft gehört, daß die Leute ganz zerstückelt oft sind, wenn sie auf Minen kämen. Wollen daher auch weiter hoffen und wünschen, daß Dir das Glück weiterhin hold ist. Was kostet dieser Krieg doch für Opfer, soeben hörten wir den Wehrmachtsbericht, im Westen muß es ja furchtbar hergehen. […] Du fragst nach unsern Luftschutzkeller, wie er immer war, so ist er geblieben. Leider kommt man immer so spät ins Bett, sodaß wir die letzten Male des Nachts den Alarm nicht hörten. Nur die Entwarnung hörte ich. Sonst wenn wir es hören, machen wir uns immer fertig, zum runterlaufen [!].", 18. Juni 1944; Lene: Spaziergang: "Wir waren die Chaussee bis Meißen und dann links ab durch Feldstr. wieder zurück. Es war ein wunderschöner Sommertag, alles steht so wunderschön, das Herz könnte einem im Leibe lachen, wenn man solch Pracht und Segen sieht. Aber auch wie schnell ist oft alles vernichtet, und alles liegt aufgewühlt. […] Schreitet Deine Besserung vorwärts? Man kann wohl sagen, hast fabelhaftes Glück gehabt, es konnte anders kommen. Es ist überall dicke Luft, an allen Fronten geht es laut Heeresbericht heiß und erbittert zu. Jetzt kann man wohl sagen, entweder Lebendige oder Tote. Auch in der Heimat ist es nicht geheuer mehr. Am letzten Donnerstag sind hier schaarenweise [!] Flugzeuge rüber gekommen. Magdeburg und noch andere Städte haben ihren Segen wieder bekommen. Es war schlimm, was rüber kam, man kann es kaum glauben, wie dieselben so ungestört fliegen können. Man könnte die Hände ballen und ihnen sonst was an [Wünsche]n, wie wir so ohnmächtig sind gegen solch [eine Ü]bermacht. V. I. ist noch nicht stark ge[nug, um] die Tommys zur Brust zu bringen. [Wir] müssen jedenfalls mit stärkere [!] Geschütze [!] […]n, damit selbige erstmal einsehen, mit [wem] sie es zu tun haben. Hoffentlich kommt die[se Zeit] bald, denn augenblicklich kühlen die […] ihre Wut an die [!] armen Zivilmenschen. Am 15.7. giebt es Ferien, Jochen freut sich schon, aber die Kinder haben auch jetzt viel frei. Denn so wie die Einflüge gemeldet werden, gehen die Schüler sofort nach Haus, die zu weit wohnen, müssen dort in den Keller.", 2. Juli 1944 [Feldpostbrief mit herausgerissener Briefmarke / herausgerissenem Poststempel, daher Lücken im Text]; Martha: "Lisbeth ist noch auf Reisen, es giebt auch solche, die ohne viel Aufregungen durch den Krieg gehen. Leider mußte Lisbeth ja ihr Opfer auch bringen, aber sie ist über diesen Schmerz jetzt weg. Wenn nun der Jüngste aus der Familie erst seine eigene Familie gegründet hat, dann ist sie für alle, wo für sie sonst sorgte und arbeitete, über. Auch hier über muß sie sich abfinden, ist nur gut, daß Otto in letzter Stunde noch für sie gesorgt hat; und sie dadurch sorgenlos ihre letzten Jahre verleben kann.", 10. Juli 1944; keine Post von Paul und Oswald: "es gehört immer eine Überwindung dazu, die Ohren steif zu halten, wie Du uns immer wieder rätst. Daß die Sache sich weiter zuspitzt, fühlt man, manchmal denkt man, ein drohendes Schwert schwebt über uns. Aber dann kommt immer wieder das Vertrauen, welches wir unserer Führung entgegen bringen, durch. Wenn auch hin und wieder durchsickert, wenn irgend was [!] Vorkehrungen getroffen werden, bezug [!] auf unsere Grenze im Osten. Das wird unser Führer doch wohl wissen, daß unser Ostpreußen uns erhalten bleiben muß. Aber in letzter Stunde wird auch dann sicher was eintreten darauf warten wir alle. Wie ist es denn mit Deiner Genesung? macht [!] selbige gute Fortschritte? Hoffentlich wird Dein Fuß so ziemlich wieder hergestellt. Wenn auch die Gewaltmärsche nicht mehr so mitgemacht werden können, ist kein Fehler. Auch mit den Augen, Hauptsache ist, das [!] Du die Augen behalten hast, wenn du nun auch eventuell früher eine Brille tragen mußt, wie Du Dir das früher gedacht hast, schadet nichts.", 16. Juli 1944; Martha: "Von Lene hörte ich, daß Du jetzt ins Reich gekommen bist. In Wernigerode muß es ja jetzt schön sein, und du kannst Dich dort jetzt pflegen lassen. […] hatte ich Dir gestern Morgen noch wieder einen Brief nach Warschau geschickt, selbige wird nun auch wohl verloren gehen. Bei Deiner Heimreise wirst Du ja etwas vom Reich gesehen haben, es sind in diesen letzten Jahren viel [!] Schäden entstanden. Die Großstädte sind Trümmerhaufen. Hast Du heute nachmittag [!] die Nachricht von dem Attentat auf den Führer gehört. Ist sowas nicht schrecklich, das fehlte uns auch noch, hoffentlich kriegen sie die Attentäter, damit dieselben ihre gerechte Strafe erhalten. Wie ich Dir in meinem letzten Brief schrieb, haben wir seit dem 2 Juli keine Nachricht mehr von Paul erhalten. Er hat am 2.7. nach vorn müssen, u. Bunker ausbauen, seitdem fehlt jede Nachricht. Ist dieses nicht furchtbar, bis jetzt hat man immer noch auf Nachricht gehofft. Heute abend [!] hat Lilly nach einer Kameradenfrau telephoniert. Selbige wohnt hinter Bremen, die hat vom 9. Juli gestern am 19.7. erhalten. Nun ist Lilly noch mehr beunruhigt. Noch kann man ja noch [!] auf Nachricht hoffen, wir wollen auch daran noch festhalten. Es wäre ja nicht auszudenken, wenn irgend was [!]eingetreten wäre.", 20. Juli 1944 [Brief lag ungeöffnet im Nachlass]; Martha: "Hast Du in den Zeitungen es auch schon gelesen, wieviele höhere Offiziere zu der Verräterklickcke [!] gehören. Diese Schweinhunde, was haben die doch alles auf dem Gewissen, und hoffentlich wird über sie streng geurteilt. […] Hoffentlich wird nach Reinigung des Heeres unsere Lage wieder besser für uns.", 5. Aug. 1944; Martha wünscht angenehme Wanderungen, "wenn es Dein Fuß erlaubt, im schönen Gebirge", 20. Aug. 1944; Martha: "Osnabrück liegt platt, der Engländer-Amerikaner haben ganze Arbeit geleistet, denn am letzten Mittwoch war wieder einmal Terrorangriff. […] Sie kommen jetzt fast den ganzen Tag, auch Berlin wird jetzt öfter aufgesucht. Geh nur immer in den Keller oder Bunker. Augenblicklich kommen immer Flüchtlinge hier an. […] es sieht schlimm aus, wenn die Leute immer vor dem Bahnhofsplatz auf ihre Habe sitzen, und warten, daß sie ihren neuen Wohnplatz angewiesen bekommen. Es könnte einem angst und bange werden, wenn man sieht, wie die Gefahr immer näher kommt.", 17. Sept. 1944 Enthält auch: zahlreiche Nachträge von Elisabeth (Liesbeth) Stallmann; Grüße immer auch der anderen Schwestern

Reference number
Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann, Nr. 10

Context
Nachlass Oswald Stallmann
Holding
Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann Nachlass Oswald Stallmann

Date of creation
1944

Other object pages
Delivered via
Last update
11.06.2025, 1:23 AM CEST

Data provider

This object is provided by:
Kommunalarchiv Minden - Archiv der Stadt Minden und des Kreises Minden-Lübbecke. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Akten

Time of origin

  • 1944

Other Objects (12)