Akten
Schreiben von den Schwestern Martha Margarethe Charlotte Christine Stallmann (Martha) und Elisabeth Magdalene Frieda Paula (Lene) Stallmann, Minden, an ihren Bruder Oswald Stallmann
Enthält u.a.: Martha: "Ich will Dir aber noch kurz über unsere Sylvesterfeier berichten. Lene und ich landeten wieder einmal auf der Bachstr. Nach dem Abendessen machten wir uns auf den Weg, damit wir wenigstens nicht ins neue Jahr schlafen brauchten. Wir haben uns etwas Glühwein gebraut, und haben uns den gut schmecken lassen. Wir hatten auch Heringssalat gemacht, frische Brötchen, und die Sylvesternacht konnte hereinbrechen. Zum Schluß braute Lilly noch ordentlich Kaffee, das war ja für uns alle noch das Beste. Wir haben dann den Baum um 12 Uhr angesteckt und so gemütlich bis ½ 4 Uhr dort gesessen. Auch Jochen stand bis 1 ½ Uhr seinen Mann bei der Feier. Halt, eins auch noch, Lilly hatte sage u. schreibe, Krapfen gebacken. Dieses war ja ein seltener Genuß, und ist lange Zeit nicht auf dem Tisch gewesen. Aber es hat alles mal ein Ende, auch solch Sylvesterfeier geht seinem Ende zu. Und nun liegt das neue Jahr vor uns, was mag es uns bringen? es ist vielleicht gut, daß alles dunkel vor einem liegt. Wenn man gesund bleibt, dann ist alles zu ertragen, nur das Leid möchte man nicht immer durchmachen.", 2. Jan. 1942; Bitte um warme Hausschuhe für Jochen, 2. Jan. 1942; "Deine Ohrenschützer fand ich, soll ich selbige dir noch nachschicken? Daß die Handschuhe zu dünn sind, dachte ich mir wohl gleich, aber Willy meinte, sie sind schön warm. Aber Willy bedenkt nicht, daß wir eine Kälte bis fast 20 Gd. haben Bis jetzt ist es uns noch nicht gelungen, graue Wolle zu bekommen, es ist schlimm, was man auch fordert, es heißt immer, es ist leider nicht da, oder haben wir nicht. Aber ich will mir noch die größte Mühe, ob es doch nicht noch klappt. […] [Dank für Röcke, "sie reichen mit dem Maß vollkommen"] Hier ist es auch eine scheußliche Kälte. Fenster tauen überhaupt nicht mehr auf. Die Weser ist auch zu, und die meisten Leute haben wenig Brand. Wir haben wohl genug, und kommen aus; denn Du weißt ja, wenn eben möglich, dann laufen wir, daß man was bekommt.", [23.] Jan. 1942; Lene: "Eine traurige Mitteilung muß ich Dir leider mitteilen. Karl Kottkamp aus Schnathorst ist am 24.1.42. in russische Gefangenschaft geraten. Der Leutnant schrieb es nach Onkel und Tante.", [Jan. / Febr. 1942]; Lene: "Aus Deinen Zeilen lasen wir, daß Ihr ordentlich mit warmer Kleidung ausstaffiert seid. Dann wird wohl, danach zu urteilen Eure Reise weiter ins Land gehen. Man bekommt schon ein Grauen, wenn man daran denkt. Dieses unendliche Land, welches schon so viel Leid über alle brachte.", 16. Febr. 1942; Martha: "Um nun nochmals auf den Wein zurückzukommen, haben wir den einen Brief, den du heute in Deinem Schreiben erwähntest nicht bekommen. Aber Du hast mich wohl nicht so ganz richtig verstanden. Ich dachte, es wäre Dir vielleich noch einmal geglückt, vielleicht bei einem Weinbauern. Aber daß Du den Wein wo möglich in einem Geschäft und dann für teures Geld [!], das dachte ich nicht. Wenn der Wein erst durch den Handel geht, dann kommt ja zuviel Prozente drauf, 3 Mk und noch teurer, das ist zuviel. Dafür muß man das Geld zu schwer verdienen, um es so leicht dann durch die Kehle zu jagen. Also so lassen wir es eben, es ist ja kein Lebensbedürfnis, sondern es war nur eine Frage, es hätte ja sein können. Zumal haben wir auch noch welchen im Keller. […] sollen wir Dir einige Fleischmarken oder Fettmarken schicken, zu Hause kann man sich schon helfen, denn Kartoffel sind genügend noch da, auch andere Vorräte sind noch da. […] Wie oft denkt man, wenn nur dieser Krieg erst einmal ein Ende hätte. Er hat sich doch im letzten Jahr kollossal [!] mit allen Sachen zugespitzt; und weiß man, was alles noch kommt.", 13. Juni 1942; Martha: "Diese letzte Woche war im Vorderhause großes Familienfest. Am 3.8. hatte Mariechen ihren Geburtstag. Der Geburtstagstisch sah aber nicht nach Krieg aus.", 7. Aug. 1942; Martha: Bombenangriff der Briten auf Osnabrück: "Wann wird dieses furchtbare Morden blos [!] aufhören.",16. Aug. 1942; Luftangriff auf Osnabrück, dabei schwerer Schaden am Haus in der Bramscher Straße, in dem Liesbeth Koch wohnt, 21. Aug. 1943; Martha: Bombenschäden in Osnabrück, [23. Aug. 1942]; Martha: "Die Bilder von Saarbrücken haben wir auch gesehen, dort scheint der Tommy auch ganze Arbeit gemacht zu haben. Die armen Menschen, die dranglauben müssen.", [23. Aug. 1942]; Lene: "Es ist doch schön, wer einmal für mehrere Tage rauskommt. Vergangenes Jahr waren die Tage in Schmalkalden sehr schön, wenn man nicht von der Arbeit sieht u. hört. Ferien sind aber nur für Leute, die viel Geld verdienen od. haben. Dazu heute im Krieg muß man doppelt arbeiten. Aber man tut es ja gern, wenn man damit dem [!] Krieg gewinnen kann.", 15. Sept. 1942; Martha: "Wie geht denn dort das Leben in Berlin zu. Wie ist dort das Essen? Ist wohl ein Jagen nach dem bischen [!] Essen und Trinken. Da hat man es hier doch ein wenig besser. Wen wir keine Kartoffeln mehr haben, so fahr ich einfach über Land. Auch das Gemüse wird einfach geholt. In dieser Weise haben wir noch nicht zu klagen. Da nun auch das Brot in der nächsten Periode mehr wird, so kann man es wohl schon aushalten. […] Hast du dort den Führer schon mal wieder gesehen? wenn Du ihn siehst, so kannst Du ihn grüßen, und sagen, hier in Minden wären noch viele, die ihn sehen möchten, er könnte Minden auch einmal beehren. Ich glaube dann stände das kleine Minden Kopf.", 18. Sept. 1942; Martha: "und solltest du ins Feindesland rücken wünschen wir Dir eine gesunde Heimkehr", 28. Sept. 1942; Lene: "Aber wo man auch hinkommen mag, immer heißt es, beschlagnahmt für die Wehrmacht", 21. Okt. 1942; Lene: "Ende dieser Woche zieht Lotte Kuloge wieder ab. Muß wohl am 1. Nov. in den Arbeitsdienst. Na, die wird sich auch noch umgucken. Liesel Rische, die sonst bei Willy war, ist augenblicklich in Bremen, und fährt Straßenbahn, ruft auch, noch jemand ohne Fahrschein. Sie werden alle erfaßt, und das ist auch man gut. Denn sonst würde die Jugend noch ganz auf dem hohen Pferde sitzen.", 21. Okt. 1942; Lene über das Schreibwarengeschäft ihres Bruders Willy: "Das Weihnachtsgeschäft ist so gut wie Null. Aber es ist Krieg, und man muß sich damit abfinden, daß man rein garnichts mehr kaufen kann. Aber ich kann gut mich drinfinden. Wenn nur Ruhe und Frieden ins Land zieht, das ist schon alles, was man begehrt.", 21. Okt. 1942; Martha: "Das mag dort eine sehr primitive Bevölkerung dort unten sein, umsonst sagt man nicht immer, die sind hinter den Russen zurück.", 27. Okt. 1942; Martha: "In dem einen Brief schriebest Du von einem Hauptmann, denn [!] Ihr schon nach kurzer Zeit dort in fremder Erde gebettet habt. Was fehlte ihm denn, oder ist er gefallen, schreibe uns doch mal näher darüber. Es ist nur gut, daß niemand weiß, wann und wo seine Stunde schlägt.", 1. Nov. 1942; Martha, nachdem Briefe sehr lange unterwegs waren oder nicht zugestellt wurden: "Kannst du öfter mal eine Luftpostmarke schicken? Das wäre sehr angebracht, denn dieses weite Rußland muß ja ein Land sein, wie man es sich nicht vorstellen kann. Und was an Einrichtungen und Organisation anbelangt, muß ja unter aller Würde sein. Es stimmt schon, wenn man früher schon sagte, die sind hinter den Russen zurück. Wir haben uns schon öfter mal die Wochenschau im Kino angesehen, da muß man ja staunen, was für grundlose Wege es im Osten giebt. Menschen und Tiere tuen einem richtig leid, wenn man das sieht. Wenn nur der Winter nicht allzufrüh und so heftig dort einsetzt. […] Heute nacht [!] wurde wieder die Winterzeit eingeführt, sodaß [!] wir 1 Std. länger schlafen konnten.", 2. Nov. 1942; Bombenangriff auf [Hannover], 9. Nov. 1942; Martha: "Den Fliegeralarm haben wir heute abend [!] wieder glücklich überstanden. Es ist wohl wieder mal die Antwort auf die große Führerrede, die er gestern in München hielt. Wie ist es denn mit den Wintersachen, Handschuhe und Ohrenschützer? Sollen wir Dir die Sachen schicken? […] Aber diese Tage werden immer dunkler. Aber wir haben bis jetzt wenigstens noch immer Beleuchtung, während Ihr wohl manchmal im Dunkel sitzen müßt. ", 9. Nov. 1942; Martha: "Diese Tage wurden die neuen Zuteilungen zum Fest bekannt gegeben, die uns Hermann Göring schon ankündigte. Also höre zu: 500 Gr. Mehl[,] 250 Gr. Zucker[,] 125 Gr. Butter[,] 125 Gr. Hülsenfrüchte[,] o. 65 Gr. Käse[,] 125 Gr. Süßigkeiten[,] 50 Gr. Mandeln[,] 7/10 ltr. Branntwein[,] 50 Gr. Kaffee. Du siehst also, wir können nicht verderben, und können auch dir was abgeben, und backen.", 14. Nov. 1942; Martha: "Hoffentlich könnt Ihr die Feiertage einigermaßen gemütlich verleben.", 8. Dez. 1942; Martha: Weihnachten bei Paul, Lilly und Jochen: "Heiligabend um 5 Uhr waren wir zur Kirche. Dann gingen wir um 6 ½ Uhr zur Bachstraße, um den großen Moment mit zu erleben. Jochen war schon ganz aufgeregt, und sagte immer, wann läutet denn der Weihnachtsmann. Die Backen glühten bis endlich der große Augenblick anbrach. Zaghaft machte er die Türe auf, und der Tannenbaum erstrahlte im Lichterglanz. Zuerst mußte Jochen ein Gedicht aufsagen, und dann erklangen die alten Weisen. Und nun ging es ans Bewundern und du hättest sehen müssen, wie der Bengel lebte. Kino, Zoo, Bilderbücher, Lenkauto, Legespiel, eins noch schöner wie das andere. Alles mußte herhalten. Auch wir, Lene und ich, waren bedacht vom Weihnachtsmann. Paul hatte das ganze Sofa mit seinen Geschenken belegt; ein Buch lag neben dem anderen. Lilly war von Paul, so gut es ging, bedacht worden. Als sich nun die größte Freude gelegt hatte, wollte auch der Magen zu seinem Rechte kommen. Auch in dieser Hinsicht war gut vorgesorgt, und der gemütliche Teil konnte beginnen. […] Lene bekam einen Kleiderstoff und 50 M., ich wurde ebenfalls mit einem Stoff für ein Kleid bedacht. Lilly ebenfalls, und Paul ein Paar Socken, und eine lange Braunschweiger Wurst. Jochen erhielt noch ein großes Holzauto, Lastwagen und dein Bilderbuch. Du siehst also, reich gesegnet. Wir haben nun bis 11 Uhr beisammen geseßen und dann ging es heim. Nun begann noch bei uns noch die letzte Arbeit, Du kennst das ja, Baumputzen und Teller fertig machen, Sachen zusammen suchen, u.s.w. Morgens um 7 Uhr war die Nacht vorbei, und um 8 Uhr stellten sich die Gäste ein. Sogar Willy u. Mariechen waren für einen Augenblick erschienen, ich hatte nämlich alle eingeladen. Willy u. Mariechen wurden mit einem Vogel [?], 1. Fl. Weinbrand, 1 Sammeltasse, Vogelsamen, und noch das Buch war angekommen. Jochen erhielt das Geld mit Portomone [!], Märchenbuch, Federkasten mit Inhalt, Malbuch, und die Soldaten, was ich ihm kaufte. Paul erhielt die 3 Bücher und Lilly wurde ebenfalls von Dir mit einem Seidenstoff für 1 Kleid u. 5 M. beglückt. Alle waren sehr überrascht u. erfreut. […] Der erste Feiertag geht nun seinem Ende zu. Er wurde ausgefüllt mit Essen und Trinken.", 25. Dez. 1942; Martha: "Von den Kochs haben wir bis jetzt noch nichts gehört, trotzdem ich nach ihnen telephonierte, es möchte einer rüber kommen und die Sachen, die wir für die Köche hier Heiligabend bereit hielten, nach dort holen. Aber die scheinen noch mehr zu tun zu haben, wie wir. Da es, ehe ich alles für die zusammen hatte, der letzte Tag vor dem Feste war, und das Paket nicht früh genug dort ankam, bat ich Karl-Oswald früh morgens nach hier zu kommen. Ich hatte für Kurt und Ilse zwei Sammeltasse[n] und 1 Vase, und für Kurt persönlich, Rauchwaren und Briefpapier bereit. Für Karl-Oswald von Rauchwaren und Briefpapier, und 5 M. für die kommenden Rauchwaren. Für Liesbeth hatten wir einen Füllfederhalter und etwas Geld vorgesehen und Briefpapier. Da nun die Tassen leicht kaput [!] gehen, wollten wir die Sachen nicht schicken.", 27. Dez. 1942 Enthält auch: zahlreiche Nachträge von Elisabeth (Liesbeth) Stallmann; Grüße immer auch der anderen Schwestern
- Reference number
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann, Nr. 8
- Context
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Nachlass Oswald Stallmann
- Holding
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann Nachlass Oswald Stallmann
- Date of creation
-
1942
- Other object pages
- Delivered via
- Last update
-
16.06.2025, 11:31 AM CEST
Data provider
Kommunalarchiv Minden - Archiv der Stadt Minden und des Kreises Minden-Lübbecke. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Sachakte
Time of origin
- 1942