Bestand

Ritterkanton Neckar-Schwarzwald (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Die Kanzlei des Ritterkantons Neckar-Schwarzwald hatte ihren Sitz in Tübingen. Sie wurde überwiegend vom Sekretär des Kantons mitbetreut. Lediglich in den Jahren 1735-1749 gab es für das Archiv einen Archivar, seit 1773 einen Registrator, der für die Kanzlei und das Archiv zuständig war. Nach der Mediatisierung (1805/06) fielen die ritterschaftlichen Gebiete zum größten Teil an Württemberg und zum kleineren Teil an Baden. Das nach Stuttgart gebrachte Archivgut verzeichnete Valentin Schloßstein 1841/42 nach einer offenbar noch vorhandenen älteren Ordnung. Im Rahmen eines Beständeaustausches wurden die Baden betreffenden Akten dieses Archivs an das Generallandesarchiv abgegeben. Der Hauptteil der Überlieferung des Ritterkantons liegt im Hauptstaatsarchiv Stuttgart unter der Signatur B 579 - B 582.

Inhalt und Bewertung

Die Generalia enthalten zahlreiche Spezialakten zu einzelnen Familien. Weitere familien- und ortsbezogene Akten finden sich in den Beständen 72 und 229.

Zur Geschichte des Ritterkantons Neckar-Schwarzwald: Im ausgehenden Mittelalter, als sich auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in zunehmendem Maße Territorialstaaten herauszubilden begannen, begannen auch die Reichsritter, sich zu losen Vereinigungen zusammenzuschließen. Dadurch hofften sie, ihre Privilegien, die eng mit ihrer Reichsunmittelbarkeit zusammenhingen, besser verteidigen zu können. In Süddeutschland vereinigten sich schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts einige Ritterfamilien zum sogenannten "Sankt Jörgenschild", wobei diese freilich nur lose Organisation nicht lange Bestand hatte und schon bald im "Schwäbischen Bund" aufging. Mit zunehmender Gefährdung der ritterschaftlichen Privilegien durch die Landesfürsten stellte sich aber immer mehr die Notwendigkeit einer festen Organisation mit einem genau umschriebenen Standes- und Verhaltenskodex sowie einer einigermaßen reglementierten Verfassung heraus. In den Jahren 1541 bis 1545 schlossen sich die schwäbischen Reichsritter zum "Schwäbischen Ritterkreis" zusammen und geben sich mit der 1561 von Kaiser Ferdinand I. bestätigten "Ritter-Ordnung" aus dem Jahr 1560 eine innere Verfassung. Die schwäbische Ritterschaft gruppierte sich dabei in die fünf "Viertel", "Orte" oder "Kantone" "Donau", dem zugleich die Leitung des Kreises und seine Vertretung nach außen hin oblag, "Hegau-Allgäu-Bodensee", "Kocher", "Kraichgau" und "Neckar-Schwarzwald-Ortenau", wobei die Ortenau zeitweilig einen eigenen Kanton bildete. Mit der gleichen Ordnung von 1560 unterwarfen sie sich ausdrücklich noch einmal dem Kaiser, um somit ihre Reichsunmittelbarkeit festzuschreiben. Die besonderen Privilegien, die die Ritterschaft gegenüber dem landsässigen Niederadel auszeichneten, und zu denen im Jahr 1609 noch die Hochgerichtsbarkeit kam, bleiben den Rittern bis zu ihrer Mediatisierung in den Jahren 1805/06 erhalten. Mit dem Kaiser verband die Ritterschaft über das direkte Abhängigkeitsverhältnis hinaus auch eine in mancher Hinsicht recht weitgehende Interessengleichheit, indem die Existenz der Reichsritterschaft die Position des Kaisers gegenüber den Reichsfürsten stärkte: "Da ihre Mediatisierung zum Verlust einer der letzten Stützen der kaiserlichen Macht im Reich und zu einer erheblichen Stärkung der Territorialgewalten in Schwaben, Franken und am Rhein geführt hätte, konnte ihr Schicksal den Kaisern im Prozess der fortschreitenden Territorialisierung, der staatlichen Integration der Territorien, nicht gleichgültig sein." (Hellstern, S. 50) Das Interesse des Kaisers an der Existenz der Reichsritterschaft ging so weit, dass er sich nicht nur für den Erhalt ihrer Privilegien einsetzte, sondern die Ritter sogar gegebenenfalls nachdrücklich dazu aufforderte, von ihren Vorrechten auch tatsächlich Gebrauch zu machen, um sie nicht zu gefährden. Die Vertretung der ritterschaftlichen Gesamtinteressen nach außen blieb gleichwohl bis zuletzt eher schwach. Jedes einzelne Mitglied pflegte auf seinen eigenen Rechten und Privilegien zu beharren und gab nur ungern etwas davon an die Standesorganisation ab. Nicht selten hatte ein Mitglied nur sein eigenes Wohl im Blickfeld und scheute sich nicht, um eigener kurzfristiger Vorteile willen gegen die Interessen des Kantons zu handeln. Geleitet wurde der Ritterkanton von einem aus mehreren gewählten Mitgliedern, den Ritterräten, bestehenden Direktorium, dem der Ritterhauptmann vorstand. Dieses Direktorium vertrat den Kanton als Körperschaft nach außen, hatte jedoch auch gewisse Rechte gegenüber den einzelnen Mitgliedern des Ritterkreises. Seine Position auch und gerade den Kantonsmitgliedern gegenüber war jedoch ziemlich schwach, fehlten dem Direktorium doch ausreichende Machtmittel zur Durchsetzung seiner Vorstellungen. Auch mit den Finanzen des Direktoriums stand es nicht immer zum besten, da die Zahlungsmoral vieler Mitglieder ziemlich schlecht war. Im Jahr 1566 erteilte Kaiser Maximilian II. der Ritterschaft ein Steuerprivileg, demzufolge die Kantone die Steuer- und Militärhoheit im Herrschaf tsgebiet der immatrikulierten Familien erhielten. Gleichzeitig wurden die gesamten Güter sämtlicher Familien eines Kantons zu einem Korpus zusammengefasst, der erhalten bleiben sollte, wodurch die von Anfang an bestehende Korporationsverfassung des Schwäbischen Ritterkreises erneut festgeschrieben wurde. Falls doch Güter verkauft werden sollten, durfte dies in der Regel nur an inkorporierte Familien geschehen, um so den Bestand des Kantons zu erhalten. Trotz dieses Vorkaufsrechts der Ritterschaft kam es immer wieder zu Verkäufen auch an Nichtmitglieder; die dadurch nicht unbedingt einfacher werdenden Herrschaftsverhältnis- se führten in der Folge mitunter zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kanton und ausländischen Eigentümern von Rittergütern. Weitere Aufgaben des Kantons bzw. des Direktoriums waren die Aufsicht über das standesgemäße Verhalten der Mitglieder sowie die Erhaltung des Landfriedens, überdies war der Ritterkanton erste Gerichtsinstanz bei Streitigkeiten der Mitglieder untereinander; Appellationsinstanz für die Untertanen, bei der sie von den Rittern in Ausübung der Niedergerichtsbarkeit gefällte Urteile überprüfen oder revidieren lassen konnten, war der Kanton jedoch nicht. Die einzige Möglichkeit für die Untertanen, ihre Ortsherrschaft beim Kanton zu verklagen, war dann gegeben, wenn es um Ungerechtigkeiten in Bezug auf die Kantonssteuern oder die Militärhoheit ging. Die Verpflichtung zu standesgemäßer Lebensweise war für die Ritterfamilien mit erheblichem Kostenaufwand verbunden und führte, zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Faktoren, immer wieder dazu, dass einzelne von ihnen in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, Insbesondere im 18. Jahrhundert waren nicht wenige Ritter gezwungen, Teile ihres Besitzes zu verkaufen, wobei freilich nicht immer ein potenter Käufer aus den eigenen Reihen zu Gebote stand. Der Bestand der Korporation war somit schon geraume Zeit vor der endgültigen Mediatisierung infolge der Rheinbundakte, welche die faktische des Jahres 1805 nur legalisierte, stark dadurch gefährdet, dass immer mehr Auswärtige, beispielsweise die benachbarten Territorialstaaten, Rittergüter in ihren Besitz brachten.

Zur Geschichte des Bestandes: Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald betrieb seit etwa dem Jahr 1562 zusammen mit dem Kanton Kocher eine gemeinsame Kanzlei in Esslingen am Neckar. Von 1643 bis 1805 waren dann Kanzlei und Sitz des Direktoriums in Tübingen. Die Kanzlei war personell nur schwach besetzt, so dass meist der Sekretär die Aufgaben des Registrators und des Archivars mit übernehmen musste. Einen speziellen Archivar gab es nur in den Jahren zwischen 1735 und 1749, dann wurde aus finanziellen Gründen wieder auf ihn verzichtet; vom Jahr 1773 an gab es das Amt des Registrators, dessen Inhaber auch die Betreuung des Archivs oblag. Nach dem Ende des Alten Reiches wurden Archiv und Registratur des Kantons Neckar-Schwarzwald komplett vom Königreich Württemberg übernommen. In den Jahren 1841/42 ordnete und verzeichnete Valentin Schloßstein das Archiv, wobei er, vermutlich, um Zeit zu sparen, die alte Ordnung beibehielt. Im Jahr 1878 kam im Rahmen eines Beständeausgleichs zwischen Baden und Württemberg aufgrund des damals angewandten Pertinenzprinzips ein kleiner Teil des Kantonsarchivs ins Generallandesarchiv Karlsruhe. In der Zeit zwischen etwa 1915 und 1920 wurden die Akten vom damaligen Archivrat Dr. Hermann Baier verzeichnet. Baier passte den Bestand bei der offenbar recht eilig durchgeführten Ordnung und Verzeichnung ohne besondere Rücksicht auf alte Zusammenhänge der im Generallandesarchiv üblichen Rubrikenordnung an, wobei er gelegentlich bestehende Aktenfaszikel in mehrere Teile zerlegte oder aber mehrere Einzel- betreffe zu neuen Einheiten zusammenfasste. Einziges Findmittel war seither das nicht sehr detaillierte Zettelrepertorium von der Hand Baiers samt einem Orts- und Personenregister, welches allerdings weit von der Vollständigkeit entfernt war. Bei der im Sommer 1992 durchgeführten Neuverzeichnung wurde die bisherige Ordnung und Faszikeleinteilung weitgehend beibehalten. Insbesondere die Signaturen wurden dabei grundsätzlich nicht geändert. wo es ohne Schwierigkeiten und tiefgehende Eingriffe möglich war, wo überdies die alten Pallien noch erhalten waren, wurde die von Dr. Baier neu gebildeten Faszikel unter Vergabe von a-Signaturen wieder zerlegt. Darüber hinaus wurde bei manchen Faszikeln nach gründlicher Durchsicht des Inhalts die Rubrikenzuweisung geändert, wodurch im Findbuch die Nummern bisweilen springen. Im ehemaligen Kantonsarchiv waren die Akten in drei Abteilungen eingeteilt: Die erste Abteilung befasste sich mit den Beziehungen zum Ausland, die zweite umfasste Spezialakten zu einzelnen Familien, und die dritte schließlich setzte sich aus den Einzelakten über Ortschaften oder Rittergüter zusammen. Diese alte Ordnung, bei der die Signaturen aus je einer Kasten-, Fach- und meist auch Faszikel- oder Bandnummer gebildet waren, ist im Ablieferungsverzeichnis aus dem Jahr 1878 (GLA 68/750, fol. 42v.-54v.) noch dokumentiert, weshalb dem neu erstellten Repertorium eine Konkordanz "Alte Signatur -Bestellnummer" beigegeben wurde. Manche der Zuordnungen sind freilich aufgrund der Eingriffe Dr. Baiers, denen auch viele der alten Pallien zum Opfer fielen, nicht eindeutig gesichert. In diesen Fällen wurden die Bestellnummern in der Konkordanz jeweils mit einem Fragezeichnen versehen. Einige der von Stuttgart abgegebenen Archivalien, insbesondere sämtliche Rechnungsbände, existieren heute nicht mehr. Sie wurden entweder gleich 1878, oder aber dann bei der Verzeichnung durch Dr. Baier, kassiert. Im erwähnten Ablieferungsverzeichnis wurden die kassierten Akten seinerzeit gekennzeichnet; darauf, auch die vernichteten Archivalien in der Konkordanz anzuführen, wurde bewusst verzichtet. Inhaltlich umfasst der Bestand ausschließlich aufgrund des Pertinenzprinzips ausgewählte badische Betreffe. Die Auswahl der abzugebenden Akten scheint im Jahr 1878 freilich allein anhand der Aktentitel getroffen worden zu sein, so dass sicherlich auch die in Stuttgart verbliebenen Akten mitunter noch badische Betreffe enthalten; die einschlägigen Arbeiten von Hellster n und Kollmer bieten dafür eine Vielzahl von Belegen. Außer den teilweise ausführlichen Schriftwechseln mit ausländischen Herrschaften, die sich zumeist mit Auseinandersetzungen um Hoheitsrechte sowie mit Gratulationen und Kondolenzen befassen, dokumentiert der Bestand 126 vor allem eine nicht geringe Zahl von Streitigkeiten einzelner Kantonsmitglieder untereinander oder mit ihren Untertanen. Daneben hat die verbreitete Praxis mancher Ritterfamilien, finanzielle Schwierigkeiten durch Schuldenmachen zu beheben, alte Schulden durch neue abzulösen, und diese mitunter über Generationen weiter zu vererben, eine erhebliche Menge an Schriftgut entstehen lassen. In topographischer Hinsicht bezieht sich der weitaus überwiegende Teil des Materials auf die Rittergüter in der Gegend um Pforzheim sowie auf die Orte Diedelsheim (Stadt Bretten, Lkr. KA) und Niedereschach (Lkr. VS). Unter den Familien sind vor allem die von Beroldingen, von Gemmingen zu Steinegg, von Helmstatt, von Humpis zu Waltrams, Kechler von Schwandorf zu Diedelsheim, Leutrum von Ertingen, von Stotzingen und von Tegernau stark mit Schriftgut vertreten. Der Bestand umfasst nach der Neuordnung nunmehr insgesamt 171 Archivalien mit einem Umfang von rund 1,6 lfd. m. Der größte Teil der Akten entstand im 18. Jahrhundert, die Gesamtlaufzeit umfasst dabei die Jahre 1533 bis 1805; einige wenige Schriftstücke bis zurück ins 14. Jahrhundert sind in Abschriften zumeist des 18. Jahrhunderts ebenfalls überliefert. Zur besseren Erschließung des Bestandes wurden dem Repertorium ein Personen- und Ortsindex sowie ein Schlagwortverzeichnis beigefügt. Verzeichnet und indiziert wurde der Bestand mit Hilfe des von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg zur Verfügung gestellten EDV-Programms MIDOSA.

Literatur: Hellstern, Dieter: Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald 1560-1805. Untersuchungen über die Korporationsverfassung, die Funktionen des Ritterkantons und die Mitgliedsfamilien. Tübingen 1971 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Tübingen, Band 5). Kollmer, Gert: Die Schwäbische Reichsritterschaft zwischen Westfälischem Frieden und Reichsdeputaionshauptschluss. Stuttgart 1979. Schulz, Tomas: Der Kanton Kocher der Schwäbischen Reichsritterschaft 1542-1805. Entstehung, Geschichte, Verfassung und Mitgliederstruktur eines korporativen Adelsverbandes im System des alten Reiches. Esslingen 1986 (Esslinger Studien, Schriftreihe Band 7). Taddey, Gerhard (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen -Ereignisse -Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. Stuttgart 1977.

Bestandssignatur
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 126
Umfang
171 Akten (Nr. 1-161)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Ritterschaftliche Archive >> Neckar-Schwarzwald
Verwandte Bestände und Literatur
Rainer Brüning/Gabriele Wüst (Bearb.), Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 6, Bestände des Alten Reiches, insbesondere Generalakten (71-228), Stuttgart 2006, S.260-261

Bestandslaufzeit
1346-1805

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Letzte Aktualisierung
03.04.2025, 11:03 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1346-1805

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