Bestand

Famlienarchiv Weil, Kippenheim (Bestand)


Inhalt und Bewertung
Die Originalunterlagen werden im Archiv des Ortenaukreises verwahrt.

Familiengeschichtlicher Abriss: Die jüdische Familie Weil (Weill, Weyl) ist seit der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts im südbadischen Kippenheim (heute: Ortenaukreis) nachweisbar . Als so genannte "Schutzjuden" zahlten die Weil(l)s besondere Abgaben an den badischen Staat. Etwa mit Beginn des 19. Jahrhunderts betätigte sich die Familie vor allem als Eisen- und Viehhändler, Metzger und Gastwirte. Weitere Familienmitglieder siedelten sich als Händler in Sulzburg (heute: Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) und im benachbarten Schmieheim an. Der jüdische Eisenhändler Löb Weil d. Ä. (*1789 +1853) heiratete im Jahre 1819 seine Cousine, die 18-jährige Eva, Tochter des Handelsmannes Lippmann Weil (*1777 +1842) und der Mina (Mindel) Vorlouis- (Fortlouis) Weil (*1785 +1857). Die damals anscheinend noch in Mahlberg wohnenden Schwiegereltern sind später offenbar nach Kippenheim übergesiedelt. Dieser Lippmann Weil selbst tritt nur auf einem eigenhändigen Nachtrag zum Heiratsvertrag von 1819 in Erscheinung. Seine Witwe Mina Vorlouis-Weil hat sich nach seinem Tod offenbar selbst im Handel oder im Geldverleih betätigt, lebte vielleicht später im Hause der Familie ihres Schwiegersohnes Löb Weil d. Ä. Offenbar hatten ihre Kunden häufiger Zahlungsschwierigkeiten, so dass sie in mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen und Pfändungsmaßnahmen verwickelt war. Aus der Ehe zwischen Löb d. Ä. und Eva Weil gingen 14 Kinder hervor, von denen einige aber im frühen Kindes- oder jungen Erwachsenenalter starben. Die Eisenhandlung Weil pflegte geschäftliche Kontakte im gesamten Großherzogtum Baden, aber auch in den Königreichen Württemberg und Bayern, der Pfalz und im heutigen Nordrhein-Westfalen. Löb Weil d. Ä. hat den Betrieb wohl bis zu seinem Tod im Jahre 1853 geführt. Danach wurde das Unternehmen auf den Namen seiner Witwe geführt. Erst nach ihrem Tod 1858 treten die Söhne Nathan (*19.10.1828 + 22.2.1894) und Naphtali Heinrich Löb ("Löb Weil d. J.") die Nachfolge an. Im Bestand wird auch der jüngere Löb Weil als "Eisenhändler", manchmal auch allgemeiner als "Handelsmann" bezeichnet. Zusätzlich scheint noch ein weiterer Bruder, Jakob Weil (*19.1.1837, + 13.2.1879?) als Eisenhändler tätig gewesen zu sein. Wie lange das Unternehmen fortbestand, ist unklar. Erwähnenswert ist indes, dass es sich bei Nathan Weil um den Großvater des Komponisten Kurt Weill (*2.3.1900 +3.4.1950) handelt. Die neue Schreibweise des Namens hat sich vermutlich erst Ende des 19. Jahrhunderts durchgesetzt.

Zum Wesen des Bestandes und seiner Erschließung: Große Teile des Bestandes sind Einzelschriftstücke oder haben fragmentarischen Charakter. Die Unterlagen wurden von Hans Höfer, Kippenheim, auf dem Dachboden seines Privathauses gefunden, das bis 1900 der Familie Weil, anschließend bis 1936 der mit ihnen verwandten Familie Wertheimer gehört hat. Der eine Teil des Bestandes beinhaltet geschäftliches Schriftgut des Handelsmanns Lippmann Weil (1777-1842) und der Mina Vorlouis-Weil (1785-1857), die im Bestand jedoch nie namentlich, sondern stets als "Lippmann (Liebmann) Weil(l)s Witwe" bezeichnet wird. Im Bestand kommt aber noch ein weiterer Lippmann Weil vor, der noch in nach 1842 datierten Schriftstücken erwähnt wird. Dabei muss es sich um den Metzgermeister Lippmann Weil (*1790 +1858) handeln, der auch Gastwirt "Zur Krone" war. Wahrscheinlich war er ein Cousin von Löb Weil d. Ä. Die andere, etwas größere Hälfte des Bestandes bilden die geschäftlichen Unterlagen des Eisenhändlers Löw (Löb) Weil d. Ä. (* um 1789 + 1853), seiner Witwe Eva Weil (*1801 +1858) und der Söhne Nathan (*1828 +1894), Hirschel gen. Löb (*1823 +1887) und Jakob (*1830 + 1879?), die das Unternehmen nach seinem Tode weiter führten. Wenn, wie oben bereits vermutet, Mina Vorlouis-Weil später im Haus von Schwiegersohn und Tochter, Löb d. Ä. und Eva Weil wohnte, wäre auf diese Weise auch die Vereinigung der beiden Überlieferungsstränge zu einem Gesamtbestand zu erklären, als der er dann von Hans Höfer wieder entdeckt wurde. Einen geringeren Teil machen persönliche Unterlagen aus. Dabei handelt es sich vor allem um Briefe an Mina Vorlouis-Weil von verschiedenen Verwandten. Der Unterzeichnete ordnete, verzeichnete und verpackte die deutschsprachigen Unterlagen auf Werkvertragsbasis im Zeitraum von Januar 2003 bis März 2004. Da die Ordnung im Bestand stark gestört war, mussten zunächst sinnvolle Verzeichnungseinheiten gebildet werden. In einzelnen Fällen war sogar Einzelblattverzeichnung notwendig, so dass der Bestand trotz relativ geringem Regalumfang eine hohe Zahl an Verzeichnungseinheiten aufweist. Auf Grund der Heterogenität der Unterlagen war kein einheitliches Ordnungssystem möglich. Teilweise wurde nach Korrespondenz- bzw. Geschäftspartnern geordnet, wenn jeweils mehrere Schriftstücke zu einem Partner anfielen. An anderen Stellen wiederum empfahl sich eine Ordnung nach Schriftguttypen. Da die Verzeichnungseinheiten ausschließlich künstlich hergestellt wurden und frühere Ordnungszusammenhänge vollständig verloren gegangen sind, also keine mit Behördenschriftgut vergleichbaren Aktenstrukturen vorhanden sind, ist, entgegen der in der baden-württembergischen Archivverwaltung angewandten Verzeichnungsrichtlinien, grundsätzlich die Zahl der Schriftstücke angegeben. Um die Verzeichnungsarbeiten zu erleichtern kam das so genannte Bär'sche Prinzip in Anwendung: die Verzeichnungseinheiten erhielten ihre Bestellnummern direkt bei der Titelaufnahme. Nach Beendigung der Erschließungsarbeiten und Erstellung eines Ordnungs- (Klassifikations-) schemas wurden die Datensätze geordnet und zusätzlich so genannte Ordnungsnummern vergeben, auf die sich die Zahlen im Orts-, Personen- und Sachindex beziehen. Bestell- und Ordnungsnummern sind in einer Konkordanz gegenüber gestellt. In Absprache mit Herrn Schellinger, Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim, wurden die Bestellnummern 67, 68 und 73 nachträglich dem Bestand entnommen, was im Findbuch an der entsprechenden Stelle vermerkt ist. Die Verzeichnung der Unterlagen erfolgte mit Hilfe der Software Midosa95 der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, die Erstellung der Textdatei mit Microsoft Word97. Für die Erschließung der in "Judendeutsch" geschriebenen Unterlagen gaben Frau Monika Müller vom Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim sowie Herr Aubrey Pomerance vom Leo-Baeck-Institut in Berlin wichtige Hinweise. Herr Uwe Schellinger hat sich durch familien- und lokalgeschichtliche Hintergrundinformationen sowie einschlägige Literaturhinweise und -beiträge um das Projekt verdient gemacht. Ihnen allen ist der Unterzeichnete zu Dank verpflichtet. Der Dank gilt auch Herrn Ltd. Archivdirektor Dr. Robert Kretzschmar und Herrn Archivdirektor Dr. Albrecht Ernst vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart für Begleitung des Projekts und Beratung vor Ort, der Firma Helmut Raum, Werkstatt für Buch- und Papierrestaurierung in Römerstein, Herrn Martin Ramsauer (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) für die Restaurierung der Nachträge sowie der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg für die großzügige finanzielle Förderung. Der Gesamtumfang des Bestandes beträgt 123 Nummern bzw. 0,18 lfd. Regalmeter. Auf Grund vieler Klein- und Überformate erfolgte die Verpackung in Jurismappen. Stuttgart, im März 2004 Johannes Renz

Literatur: Naftali Bar-Giora Bamberger: Der jüdische Friedhof in Schmieheim, Memor-Buch, 2 Bde., Tübingen 1999 Albert Köberle, Klaus Siefert und Hans Scheer: Ortssippenbuch Kippenheim, Ortenaukreis // Baden, Grafenhausen 1979 Berthold Rosenthal: Ahnentafel der Kinder des Nathan Weill (Sohn des Löw Weill) in Kippenheim, hrsg. von Alfred Sonder, Frankfurt/ M. 1935 Uwe Schellinger (Hrsg.): Gedächtnis aus Stein. Die Synagoge in Kippenheim 1852-2002, Heidelberg/ Ubstadt-Weiher/ Basel 2002 Ders.: Kantor Albert Weill und sein Lebensweg von Südbaden nach Israel 1867-1950, Teil 1, in: Dessauer Kalender 46 (2002) S. 56-69, Teil 2, in: Dessauer Kalender 47 (2003), S. 38-51

Abkürzungsverzeichnis:
Apr. April
Aug. August
BAD Stadtkreis Baden-Baden
Bem. Bemerkung
Bestellnr. Bestellnummer
Bü Büschel
d. Ä. der Ältere
d. J. der Jüngere
Dez. Dezember
EM Landkreis Emmendingen
EN Ennepe-Ruhr-Kreis (Schwelm)
Febr. Februar fl. Gulden
FR Stadtkreis Freiburg / Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald
FT Landkreis Frankenthal/ Pfalz
HD Rhein-Neckar-Kreis (Heidelberg)
HN Stadt- und Landkreis Heilbronn
Jan. Januar
KA Stadt- und Landkreis Karlsruhe
LÖ Landkreis Lörrach
MA Stadtkreis Mannheim
MK Märkischer Kreis (Lüdenscheid)
Nov. November
Nr. Nummer
o. D. ohne Datum
OG Ortenaukreis (Offenburg)
Okt. Oktober
Ordnungsnr. Ordnungsnummer
PF Stadtkreis Pforzheim / Enzkreis
RA Landkreis Rastatt
RV Landkreis Ravensburg
RW Landkreis Rottweil
S Stadtkreis Stuttgart
SB Stadtkreis Saarbrücken
Schr. Schriftstück(e)
Sept. September
SÜW Landkreis Südliche Weinstraße
UL Stadtkreis Ulm / Alb-Donau-Kreis
u. a. unter anderem
v. a. vor allem
VS Schwarzwald-Baar-Kreis (Villingen-Schwenningen)
WT Landkreis Waldshut
z. T. zum Teil
ZW Landkreis Zweibrücken

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 387
Umfang
1 Mikrofilm

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Sammlungen >> Reproduktionen von Archivalien

Bestandslaufzeit
(1819,1829) 1834-1867 (1891)

Weitere Objektseiten
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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • (1819,1829) 1834-1867 (1891)

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