Bestand
Josef Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach (1748-1813): Kunstsammler, Domdekan in Straßburg, Dekan zu St. Gereon in Köln und Propst in Nikolsburg (Mähren) (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Der Nachlass enthält neben wenigen persönlichen
und das Domstift Straßburg betreffenden Unterlagen hauptsächlich
Material über die Gemäldegalerie des Truchsess von
Waldburg-Zeil-Wurzach an ihren verschiedenen Unterbringungsorten
und über den Prozess gegen das Handlungshaus de Fries. Sein
Schicksal lässt sich bis zum Jahre 1810 zurückverfolgen: In jenem
Jahr wurde er - damals noch wesentlich mehr Familienpapiere und
Akten sowie Urkunden des Domstifts Straßburg enthaltend - in die
Schlossbibliothek des Fürsten Dietrichstein in Nikolsburg
verbracht, wo er unbeachtet liegen blieb, bis er im Jahre 1933
durch das wissenschaftliche Institut der Elsass-Lothringer im Reich
(Frankfurt a. M.) vom Vertrauensmann des Fürsten Dietrichstein,
Rechnungsrat Dosoudil, angekauft werden konnte. Das Institut
verlieh 1943 einen Teil des Nachlasses zu Forschungszwecken an die
Kunsthistorikerin Dr. Gerda Franziska Kircher, deren zugehörige
Publikation aber erst 1979 erschien. Diese Unterlagen wurden
1952/53 dem Generallandesarchiv geschenkt, nachdem der in Frankfurt
verbliebene Teil im Krieg vollständig vernichtet worden war. Der
Nachlass wurde zunächst unter den Signaturen 65/2385-2391 in die
Handschriftenabteilung eingereiht, 1978 aber neu geordnet und
verzeichnet sowie in Abteilung N überführt.
Inhalt und Bewertung
Joseph Franz Anton
Wunibald Andreas Sartunin, Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach,
wurde am 29. November 1748 auf Schloss Wurzach als 15. von 18
Kindern des Erbtruchsessen, Reichsgrafen von Waldburg-Zeil-Wurzach
und dessen Gemahlin Eleonore Maria, geb. Reichsgräfin von
Königsegg-Rothenfels geboren. Schon in jungen Jahren wurde er, wie
mehrere seiner Vorfahren, für den geistlichen Stand bestimmt und im
Jahre 1773 in Köln zum Priester geweiht. Er hatte das Amt des
Dekans zu St. Gereon in Köln und das Domdekanat in Straßburg inne.
Vor den Wirren der französischen Revolution flüchtete er zunächst,
unter Mitnahme einiger Schriftstücke des Domstifts, mit dem
Fürstbischof Kardinal Rohan von Straßburg nach Ettenheim und
Oberkirch. Als auch da die Lage unhaltbar wurde, begab sich Joseph
Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach in sein Schloss Wurzach, wohin
er noch vor dem Jahr 1790 seine Gemäldegalerie von Köln verlegt
hatte. In dieser befanden sich u.a. Werke von Dürer, Lukas Cranach,
P. P. Rubens, Rembrandt und Michelangelo. Die damals bestehende
Absicht, dort eine Zeichen- und Malschule zu eröffnen, zerschlug
sich durch die Übergriffe der französischen Soldaten in Schwaben
und die dadurch notwendig gewordene Flüchtung der Gemäldesammlung
nach Wien im Juli 1796. Sie wurde dort in der Geschwind'schen und
Windhaag'schen Bibliothek untergebracht. Da aber die Galerie auch
in Wien allmählich nicht mehr sicher war, und Joseph Truchsess von
Waldburg-Zeil-Wurzach trotz seines Einkommens als Kanonikus bei St.
Stephan im Rang eines fürstbischöflichen Konsistorialrates durch
die hohen Kosten für Erwerb und Transport von Gemälden immer mehr
in Verschuldung geriet, fasste er 1802 den Entschluss, einen Teil
seiner Galerie in London, dem damals besten Absatzmarkt für
Kunstwerke, auf dem Subskriptionswege zu veräußern. Mit dem
Transport und Verkauf der Gemälde wurde das Handlungshaus de Fries
in Wien beauftragt. Der mit diesem abgeschlossene Vertrag besagte,
dass bei Nichteinhaltung des Zahlungstermins für die dabei
angefallenen Nebenkosten die Galerie dem Handlungshaus zufallen
sollte. Als Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach diese bis
1805 verlängerte Frist nicht einhalten konnte, machte die Firma von
ihrem vertraglich festgelegten Recht Gebrauch und versteigerte die
Gemälde zu ihrem Gewinn. Ein bei dem niederösterreichischen
Landesgericht in Wien erfolgter Prozess auf Rückgabe der Gemälde
bzw. Schadensersatz zeitigte keinen Erfolg.
Mit dem Rest
der Galerie versuchte Truchsess 1807 unter Vermittlung des Grafen
Esterhazy in Preßburg eine Bildergalerie und Zeichenschule zu
eröffnen, nachdem er den Kaiser vergebens um den Ankauf seiner
Gemälde gebeten hatte. Vermutlich scheiterte dieser Plan. 1809
wurde er infultrierter Propst in Nikolsburg (Mähren).
Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach starb am 28.
Dezember 1813 in Wien.
Überlieferungsgeschichte: Der
Nachlass enthält neben wenigen persönlichen und das Domstift
Straßburg betreffenden Unterlagen hauptsächlich Material über die
Gemäldegalerie des Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach an ihren
verschiedenen Unterbringungsorten und über den Prozess gegen das
Handlungshaus de Fries. Sein Schicksal lässt sich bis zum Jahre
1810 zurückverfolgen: In jenem Jahr wurde er - damals noch
wesentlich mehr Familienpapiere und Akten sowie Urkunden des
Domstifts Straßburg enthaltend - in die Schlossbibliothek des
Fürsten Dietrichstein in Nikolsburg verbracht, wo er unbeachtet
liegen blieb, bis er im Jahre 1933 durch das wissenschaftliche
Institut der Elsass-Lothringer im Reich (Frankfurt a. M.) vom
Vertrauensmann des Fürsten Dietrichstein, Rechnungsrat Dosoudil,
angekauft werden konnte. Das Institut verlieh 1943 einen Teil des
Nachlasses zu Forschungszwecken an die Kunsthistorikerin Dr. Gerda
Franziska Kircher, deren zugehörige Publikation aber erst 1979
erschien. Diese Unterlagen wurden 1952/53 dem Generallandesarchiv
geschenkt, nachdem der in Frankfurt verbliebene Teil im Krieg
vollständig vernichtet worden war. Der Nachlass wurde zunächst
unter den Signaturen 65/2385-2391 in die Handschriftenabteilung
eingereiht, 1978 aber neu geordnet und verzeichnet sowie in
Abteilung N überführt.
Inhalt: Joseph Franz Anton
Wunibald Andreas Sartunin, Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach,
wurde am 29. November 1748 auf Schloss Wurzach als 15. von 18
Kindern des Erbtruchsessen, Reichsgrafen von Waldburg-Zeil-Wurzach
und dessen Gemahlin Eleonore Maria, geb. Reichsgräfin von
Königsegg-Rothenfels geboren. Schon in jungen Jahren wurde er, wie
mehrere seiner Vorfahren, für den geistlichen Stand bestimmt und im
Jahre 1773 in Köln zum Priester geweiht. Er hatte das Amt des
Dekans zu St. Gereon in Köln und das Domdekanat in Straßburg inne.
Vor den Wirren der französischen Revolution flüchtete er zunächst,
unter Mitnahme einiger Schriftstücke des Domstifts, mit dem
Fürstbischof Kardinal Rohan von Straßburg nach Ettenheim und
Oberkirch. Als auch da die Lage unhaltbar wurde, begab sich Joseph
Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach in sein Schloss Wurzach, wohin
er noch vor dem Jahr 1790 seine Gemäldegalerie von Köln verlegt
hatte. In dieser befanden sich u.a. Werke von Dürer, Lukas Cranach,
P. P. Rubens, Rembrandt und Michelangelo. Die damals bestehende
Absicht, dort eine Zeichen- und Malschule zu eröffnen, zerschlug
sich durch die Übergriffe der französischen Soldaten in Schwaben
und die dadurch notwendig gewordene Flüchtung der Gemäldesammlung
nach Wien im Juli 1796. Sie wurde dort in der Geschwind'schen und
Windhaag'schen Bibliothek untergebracht. Da aber die Galerie auch
in Wien allmählich nicht mehr sicher war, und Joseph Truchsess von
Waldburg-Zeil-Wurzach trotz seines Einkommens als Kanonikus bei St.
Stephan im Rang eines fürstbischöflichen Konsistorialrates durch
die hohen Kosten für Erwerb und Transport von Gemälden immer mehr
in Verschuldung geriet, fasste er 1802 den Entschluss, einen Teil
seiner Galerie in London, dem damals besten Absatzmarkt für
Kunstwerke, auf dem Subskriptionswege zu veräußern. Mit dem
Transport und Verkauf der Gemälde wurde das Handlungshaus de Fries
in Wien beauftragt. Der mit diesem abgeschlossene Vertrag besagte,
dass bei Nichteinhaltung des Zahlungstermins für die dabei
angefallenen Nebenkosten die Galerie dem Handlungshaus zufallen
sollte. Als Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach diese bis
1805 verlängerte Frist nicht einhalten konnte, machte die Firma von
ihrem vertraglich festgelegten Recht Gebrauch und versteigerte die
Gemälde zu ihrem Gewinn. Ein bei dem niederösterreichischen
Landesgericht in Wien erfolgter Prozess auf Rückgabe der Gemälde
bzw. Schadensersatz zeitigte keinen Erfolg. Mit dem Rest der
Galerie versuchte Truchsess 1807 unter Vermittlung des Grafen
Esterhazy in Preßburg eine Bildergalerie und Zeichenschule zu
eröffnen, nachdem er den Kaiser vergebens um den Ankauf seiner
Gemälde gebeten hatte. Vermutlich scheiterte dieser Plan. 1809
wurde er infultrierter Propst in Nikolsburg (Mähren). Joseph
Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach starb am 28. Dezember 1813 in
Wien. Karlsruhe, im Juli 1978 Dr. M. Salabova
Nutzungshinweise: Der Bestand
wurde 2023 vollständig digitalisiert. Die Nutzung erfolgt über die
Digitalisate im Online-Findmittel.
Literatur: Gerda Franziska
Kircher: Die Truchsessen-Galerie. Ein Beitrag zur Geschichte des
deutschen Kunstsammelns um 1800 (Galerie. Beiträge zur
Kunstgeschichte, Bd. 2), Frankfurt/M. 1979. [GLA Qs 4] Paul
Wentzcke: Neue Funde aus dem Archiv des Straßburger Domstifts, in:
Bulletin de la Société des Amis de la Cathédrale de Strasbourg, 2e
série, No. 5, Strasbourg 1939, S. 105-111. P. Beck: Die weiland
"Truchsessengalerie" zu Wurzach und die Multscherbilder, in:
Diöcesanarchiv von Schwaben 20 (1902), Nr. 8, S.
113-136.
- Reference number of holding
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, N Truchsess von Waldburg
- Extent
-
95 Archivalien (Nr. 1-95)
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nichtstaatliches Archivgut >> Nachlässe >> Andere Nachlässe >> Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach
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Paul Wentzcke: Neue Funde aus dem Archiv des Straßburger Domstifts, in: Bulletin de la Société des Amis de la Cathédrale de Strasbourg, 2e série, No. 5, Strasbourg 1939, S. 105-111.
P. Beck: Die weiland "Truchsessengalerie" zu Wurzach und die Multscherbilder, in: Diöcesanarchiv von Schwaben 20 (1902), Nr. 8, S. 113-136.
- Indexentry person
-
Waldburg-Zeil-Wurzach, Josef Truchseß von
- Date of creation of holding
-
1777-1809
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
03.04.2025, 11:03 AM CEST
Data provider
Landesarchiv Baden-Württemberg. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1777-1809