Bestand

Protokolle des Magistrats (Bestand)

Verwaltungsgeschichte/biografische Angaben:
Titel:
Sitzungsprotokolle des Magistrats bzw. seines Polizeisenats
Laufzeit: 1819-1919
Umfang: 6,5 lfdm

Vorwort:
1. Stadtmagistrat
1.1 Gemeindeedikt von 1818
Das Gemeindeedikt vom 17. Mai 1818 fasste das Kommunalrecht für das rechtsrheinische Bayern neu. Das Edikt berücksichtigte wieder mehr die historisch gewachsenen Strukturen und gab den Gemeinden die Vermögensfähigkeit zurück. Die Selbstverwaltungsbefugnisse wurden erweitert, doch übten die vorgesetzten Behörden weiter eine straffe Aufsicht (Staatskuratel) aus. Allgemein wurde festgesetzt, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten durch Beschlüsse der Gemeindeversammlungen oder durch deren Vertreter und Bevollmächtigte zu besorgen haben.
Die Städte und größeren Märkte wurden nach Familienzahl in drei Klassen eingeteilt und erhielten eine Magistratsverfassung. Die Bürger wählten nach Zensuswahlrecht über Wahlmänner das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten (Gemeindeausschuss), dem die Wahl der Magistratsmitglieder zukam. Der Magistrat setzte sich aus Bürgermeister(n) und rechtskundigen und bürgerlichen Magistratsräten zusammen; der Bürgermeister hatte den Vorsitz des Magistrats inne. Der Magistrat wirkte als Verwaltungsorgan, das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten als Beratungsgremium.
Die Verwaltung der Ruralgemeinden oblag dem Gemeindeausschuss mit dem Gemeindevorsteher (Hauptorgan) an seiner Spitze, dem Gemeindepfleger, dem Stiftungspfleger und drei bis fünf besonderen Gemeindebevollmächtigten. Die Mitglieder des Gemeindeausschusses wurden von der "versammelten Gemeinde" (Gemeindeversammlung) aus ihrer Mitte gewählt. Die wichtigsten Gemeindeämter sollten nur mit Personen besetzt werden, die zum Kreis der Höchstbesteuerten gehörten. Die Gemeindeversammlung hatte beratende Funktion.
Wichtige Aufgaben im eigenen Wirkungskreis der Gemeinden waren die Verwaltung des rückerstatteten Gemeinde- und Stiftungsvermögens, die Aufnahme von Bürgern, die Mitwirkung bei der Zulassung von Gewerben und gewisse Zuständigkeiten in der Kirchenverwaltung und im Volksschulwesen. Im übertragenen Wirkungskreis war die Gemeinde für die Ortspolizei zuständig. Die Erhebung und Verwendung der Gemeindeumlagen wurde 1819 gesetzlich geregelt. Die Landgerichte als untere Verwaltungsbehörden bzw. seit 1862 die neu geschaffenen Bezirksämter übten die Staatsaufsicht über die Gemeinden aus. In Städten erster Klasse (über 2.000 Familien) erfüllte der Magistrat die bei kleineren Gemeinden den Landgerichten zukommenden Aufgaben; diese Städte waren der Kreisregierung unmittelbar unterstellt. Für die Hauptstadt München galten Sonderregelungen.
Die Bildung der Landgemeinden, die bis 1835 als Ruralgemeinden bezeichnet wurden, erwies sich als kompliziert. Wegen der bis 1848 fortbestehenden Sonderrechte des Adels war eine Unterscheidung in landgerichtliche, patrimonial- und herrschaftsgerichtliche Ruralgemeinden nötig. Es gelang jedoch in den Jahren nach 1818, das flächendeckende Netz der Gemeindeorganisation aufzubauen und die kommunalpolitische Beteiligung der Bürgerschaft zu stärken. Die damals geschaffenen über 8.500 Gemeinden bildeten das Grundgerüst des Gemeindewesens bis weit ins 20. Jahrhundert.
1834 erfolgte eine Revision des Gemeindeedikts, die durch die ministeriellen Vollzugsvorschriften von 1837 einem Rückschritt in der kommunalen Selbstverwaltung gleichkam. Eine wichtige Neuerung brachte die Reformgesetzgebung von 1848 mit der Einführung der Öffentlichkeit der Verhandlungen in den gemeindlichen Beratungsgremien.

1.2 Gemeindeordnung von 1869
Neue rechtliche Grundlagen schuf die Gemeindeordnung für das rechtsrheinische Bayern vom 29. April 1869. Sie erkannte die Selbstverwaltung der Gemeinden als allgemeinen Grundsatz gesetzlich an und baute diese besonders auf dem Gebiet des Körperschaftsrechts weiter aus. Anstelle der bisherigen Staatskuratel (staatliche Vormundschaft) trat die Rechts- und Fachaufsicht im genau definierten eigenen und übertragenen Wirkungskreis. Im eigenen Wirkungskreis erhielten die Gemeinden die Allzuständigkeit. Ein wichtiger Bereich war das Heimatrecht; es stand in enger Verbindung mit der Armenpflege, die die Heimatgemeinde zur Unterstützung Hilfsbedürftiger verpflichtete. Zum übertragenen Wirkungskreis gehörten die Polizeiverwaltungsaufgaben. Die gemeindlichen Hoheitsrechte leiteten sich jedoch weiter von der gesetzlichen Anordnung ab; vieles blieb weiter staatlicher Genehmigung vorbehalten.
Die Gemeindeordnung unterschied für das rechtsrheinische Bayern weiterhin deutlich zwischen Stadt- und Landgemeinden. Die Organe in Gemeinden mit Stadtverfassung waren Bürgermeister und Magistrat als Verwaltungsbehörden und das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten als Gemeindevertretung. Die Gemeindebevollmächtigten wurden von den wahlberechtigten Bürgern unmittelbar gewählt, die wiederum aus ihrer Mitte den Bürgermeister wählten. Die Organe in den Landgemeinden waren der unmittelbar gewählte Gemeindeausschuss und der Bürgermeister (bisher Gemeindevorsteher) als Verwaltungsbehörden. Die Gemeindeversammlung, die Gesamtheit der stimmberechtigten Gemeindebürger, konnte Beschlüsse fassen. Damit blieb die bisherige Trennung zwischen gemeindlichen Behörden und gemeindlichen Vertretungsorganen bestehen. Für die wichtigeren Gemeindeämter war eine staatliche Bestätigung erforderlich. Das bürgerliche Wahlrecht war abhängig von der Entrichtung einer hohen Bürgerrechtsgebühr, wodurch faktisch eine Eingrenzung auf begüterte Kreise erzielt wurde. Formelle Voraussetzung der Wahlberechtigung war die Eintragung in die gemeindlichen Wählerlisten.

1.3 Reformen von 1918/19 und Gemeindeordnung von 1927
Im Rahmen des Reformprogramms von 1918/19 wurde der Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung in Angriff genommen. Das Gesetz über die gemeindliche Selbstverwaltung vom 22. Mai 1919 schuf eine einheitliche rechtliche Basis für Bayern und die Pfalz und schränkte die Staatsaufsicht ein. Durch Vereinfachung der Kommunalstrukturen sollten Kosten eingespart werden. Das bisherige Zweikammersystem von Magistrat und Kollegium der Gemeindebevollmächtigten in den Städten (Magistratsverfassung) wurde durch das Einkammersystem (Ratsverfassung) ersetzt. Alleiniges Vertretungs- und Verwaltungsorgan sollte der gewählte Stadt- bzw. Gemeinderat sein, dessen Vorsitz der Bürgermeister führte. Stadt- und Landgemeinden wurden verfassungsrechtlich gleichgestellt. Demokratische Grundsätze sollten auch auf der kommunalen Ebene voll zum Tragen kommen. Neu war die Möglichkeit, den Rat mittels Bürgerentscheid abzuberufen. Durch das neue Gemeindewahlgesetz wurden allgemeine, geheime, gleiche und unmittelbare Wahlen eingeführt. Auch Frauen erhielten Wahlrecht.
Die Gemeindeordnung vom 17. Oktober 1927 ordnete das Kommunalrecht neu und fasste es zusammen. In Hinblick auf die spätere Entwicklung ist die zentrale Stellung des Gemeinderats und damit eines starken demokratisch-repräsentativen Elements hervorzuheben (Art. 16: "Der Gemeinderat vertritt die Gemeinde und verwaltet ihre Angelegenheiten".) Die Rechte des Bürgermeisters wurden schon 1927 gegenüber den Regelungen von 1919 wieder gestärkt ("modifiziertes Ratssystem").


2. Bestandsgeschichte, Erschließung
Die Protokolle des Stadtmagistrats (6,5 Regalmeter, Laufzeit 1819-1917) waren bisher chronologisch geordnet aufgestellt und wurden jetzt in dieser Reihenfolge aufgenommen. Im Zuge der Erschließung der Magistratsprotokolle in Form eines Werkvertrags wurde beschlossen, die Bände in Augias zu erfassen, um sie eindeutig identifizieren zu können. Durch den Wechsel vom Zwei- zum Einkammersystem sind drei verschiedene Serien entstanden, die auch in getrennten Beständen (Protokolle des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten, Protokolle des Magistrats) aufgenommen wurden, bzw. weiterhin kontinuierlich aufgenommen werden (Protokolle des Stadtrats). Die Erschließung erfolgte vom 19.-20. April 2010. Die Etiketten wurden auf säurefreiem und alterungsbeständigen Papier nach DIN ISO 9706 gedruckt und mit speziellem, wasserlöslichem Leim auf den Buchrücken aufgetragen.


3. Zitierhinweis
SSAA, ProtM laufende Nummer


Aschaffenburg, im April 2010
Barbara Hippeli

Bestandssignatur
ProtM

Kontext
>> Stadtverwaltung Aschaffenburg >> Amtsbücher

Weitere Objektseiten
Letzte Aktualisierung
05.03.2024, 09:43 MEZ

Objekttyp


  • Bestand

Ähnliche Objekte (12)