Bestand

Akten und Amtsbücher verschiedener Herkunft (früher: Extradenda) (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Im Kern eine Sammlung ausgelesener Archivalien, die wegen ihrer geographischen Pertinenz (nichtbadische Orte) im Sinn des 19. Jahrhunderts zur Extradition an andere Archive vorgesehen waren. Der ursprüngliche Zusammenhang war bei dieser Selektion verloren gegangen, zur Extradition kam es aber auch nicht; der Bestand blieb außerhalb der Beständegliederung des Generallandesarchivs. Im 20. Jahrhundert wurde er beträchtlich um Einzelstücke vermehrt, die schwierig oder nicht sofort einzureihen waren, seien es Geschenke, Erwerbungen, Abgaben anderer Archive oder versehentlich unsignierte Irrläufer aus regulären Beständen. Seit den 1960er Jahren wurden Archivalien systematisch wieder in Bestände eingereiht, insbesondere zu den Beständen 62 Rechnungen, 71 Reichskammergericht, 77 Pfalz, 80 Vorderösterreich; dadurch kam es zu Springnummern. Der Bestand besaß vorübergehend die Signatur 70; 2006 erhielt er die Signatur Y, um in die Beständetektonik aufgenommen werden zu können.

Inhalt und Bewertung

Völlig heterogen, meist Einzelschriftstücke; hoher Anteil von Berainen und Zinsverzeichnissen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Einzeltitelaufnahmen vor allem von Julius Kastner (1-731, geordnet nach Orten, Personen und Sachrubriken) und Referendaren (800-944). Die Zuordnungsvorschläge der letzteren (im Feld Bemerkungen) sind noch zu prüfen. Etwa ein Drittel des Bestands ist nur durch ein Kartonverzeichnis erschlossen.

Bestands- und Bearbeitungsgeschichte: Den Kern des Bestandes der sog. Extradenda machen Einzelarchivalien aus der Zeit des Alten Reiches aus, die vor und um 1900 unter dem Gesichtspunkte der Ortspertinenz zur Abgabe an außerbadische Archive den Beständen entnommen wurden. Dabei handelte es sich sowohl um Archivalien in Bezug auf außerbadische Orte oder Personen, die zum Herrschaftsbereich der Territorien gehört hatten, deren Archive an das Großherzogtum Baden gefallen waren, als auch um Archivalien, deren Zugehörigkeit zu einem im Generallandesarchiv verwahrten Archiv nicht mehr erkennbar war (bzw. dessen Zugehörigkeit spätestens durch die Selektierung unkenntlich gemacht wurde, da Entnahmevermerke nur vereinzelt angebracht wurden). Zu einer Abgabe im Sinn der großen Extraditionen des 19. Jahrhunderts kam es jedoch nicht mehr und der Bestand blieb, außerhalb der Tektonik des Generallandesarchivs, unbearbeitet liegen. Wohl in den 1960er Jahren verzeichnete Julius Kastner diesen Bestand. Sein Inventar umfasst 731 Nummern, deren Titelaufnahmen er nach dem topographischen Alphabet (Orte und Territorien), dann nach den Brauer'schen Generalia-Rubriken und in einem dritten Teil nach Personenalphabet ordnete. Wo es ihm möglich war, machte er auch Angaben zur Provenienz; vor allem Akten kurpfälzischer Herkunft entnahm er selbst wieder und reihte sie in Bestand 77 ein. Später wurden unter Anleitung von Hansmartin Schwarzmaier die Kastner'schen Titelaufnahmen verzettelt, das Zettelrepertorium in die Reihenfolge der laufenden Nummern gestellt und weitere Archivalien in vorhandene Bestände eingeordnet, insbesondere zu Bestand 71 Reichskammergericht. Sofern die jetzt gültige Signatur im Zettelrepertorium vermerkt ist, wurde sie durch den Unterzeichneten in das Kastner'sche Verzeichnis übertragen. Jedoch sind im Zettelrepertorium nicht alle Veränderungen nachgewiesen; z.T. ist nur die vorgesehene Bestandssignatur vermerkt. Für die Signaturen über Nr. 700 fehlen die Titelaufnahmen. Das Zettelrepertorium steht am Ende des Bestands. Bei den Rückführungsversuchen im Anschluß an J. Kastner wurden auch weitere "Irrläufer" an den Bestand angereiht, zunächst die inzwischen vakanten Nummern 730 - 734 durch H. Schwarzmaier, dann die Nummern 800 - 944 durch Referendare. Deren Titelaufnahmen geben meist bereits Signaturen von Altbeständen an, in die Archivalien einzureihen sind. Im Rahmen der Inventarisierung vorderösterreichischer Zentralprovenienzen durch Dr. Steuer/DFG wurden vom Unterzeichneten schließlich weitere einschlägige Faszikel mit Titelaufnahmen und vorläufigen Signaturen versehen (945 - 949), um sie zitierfähig zu machen. Diese zusätzlich verzeichneten "Irrläufer" speisten sich aus einem fast ebenso großen Bestand unerschlossener Archivalien, der sich im Lauf der Zeit an die sog. Extradenda angelagert hatte. Seine Herkunft ist völlig heterogen. Zu einem Teil handelt es sich dabei um Extradenda im herkömmlichen Sinn, die nur noch keine Aufnahme in den Kastner'schen Bestand gefunden hatten. Zu einem weit größeren Teil dürften diese Splitter aber wohl auf "Zimmer-Nachlässe" zurückgehen, wie sie beim Ausscheiden eines Archivars als Verzeichnungsreste zurückgeblieben waren; als Komplex in diesem Sinn wurden zuletzt Ende der 1980er Jahre sämtliche unsignierten Archivalien im Nachlaß Zier vorläufig hierher übernommen. Dabei läßt sich die Herkunft der Archivalien z.T. durchaus feststellen, da es sich oftmals um verbuchte Einzelzugänge - wie Geschenke von Privaten - mit Zugangsnummer handelt. Stellvertretend für die ganze Gattung sei eine Pallienaufschrift zitiert: "Urkunde, eingeliefert mit Schreiben vom 31. 8. 1943 Nr. 903 vom Reichskommissar Den Haag (s. Akten Zugang durch Geschenke ). NB: Nach dem Kriege einzureihen! einstweilen in den Magazin-Keller" - allerdings handelte es sich dabei um eine Aufschwörung des Domstifts Konstanz, dessen Bestände zu dieser Zeit ausgelagert waren; das Archivale wurde bei einem Antiquar in Amsterdam erworben (heute GLA 73/105). Zeitweilig war für vagabundierendes Archivgut dieser Art auch der Bestand 70 eingerichtet (Akten verschiedener Herkunft, analog dazu Bestand 45 Urkunden verschiedener Herkunft), jedoch zugunsten der hinterlegten Gemeindearchivalien wieder aufgehoben worden. Um wenigstens größere Teilbereiche in dem völlig ungegliederten Anhang zu definieren, wurden diese Archivalien vom Unterzeichneten anläßlich von Umlagerungsarbeiten 1998 nach Zeitblöcken und Schriftgut-Gattungen grob sortiert und verpackt. Dabei fiel vor allem der relativ hohe Anteil an Berainen und Zinsverzeichnissen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit auf. 2006 übertrug Frau Sigrid Rombach alle noch gültigen Titelaufnahmen in Scope, Herr Alfred Becher fügte 2007 auch die Titelaufnahmen zu schon entnommenen Archivalien ein, um Signaturänderungen nachvollziehbar zu halten; die Redaktion lag beim Unterzeichneten. Zugleich erhielt der Bestand die Signatur Y, um ihn erstmals in das Signaturenschema des Generallandesarchivs einreihen zu können.

Größere Entnahmen: Soweit in dem unverzeichneten Teil Pergamenturkunden gelegen hatten, wurden sie unter H. Schwarzmaier in den Bestand 45 übernommen (siehe das Zettelrepertorium). Als weitere größere Einheit wurden 1992 ca. 1 lfd.m Akten des württembergischen Amts Altlussheim an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart abgegeben und damit erstmals der provenienzgerechte Beständeaustausch zwischen Württemberg und Baden realisiert.

Künftige Bearbeitung: Ziel bleibt nach wie vor, die Archivalien in die Beständetektonik des Generallandesarchivs einzureihen - auch wenn dies durch die Recherchemöglichkeit im Netz nicht mehr so dringlich ist wie früher. Die nur summarisch erfassten Teile müssen noch detailliert inventarisiert werden. Bei vielen Einzelstücken wird der Überlieferungszusammenhang offen bleiben müssen; die Publikation erhöht aber die Chance, den einen oder anderen Nachweis über den Bezug zwischen Irrläufer und einem der Archivfonds führen zu können. Auch besagt die Vereinzelung der Archivalien nichts über ihren Quellenwert. Sowohl im Schriftgut aus herrschaftlichen Registraturen wie bei den Splitternachlässen aus Privatbesitz finden sich bedeutende Unterlagen zur südwestdeutschen Landesgeschichte und darüber hinaus. Karlsruhe, im August 2008 Konrad Krimm

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, Y
Umfang
67 Archivboxen (44 Boxen Nr.5-966 und 23 Boxen K 1 - K 18 II)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Sonderbestände >> Weitere Sammlungen (thematisch) >> Gemischte Sammlungen

Bestandslaufzeit
(1207) 1400 - 1912

Weitere Objektseiten
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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
06.02.2024, 09:17 MEZ

Objekttyp


  • Bestand

Entstanden


  • (1207) 1400 - 1912

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