Hochschulschrift
Beiträge zur Chemie der Alkalimetall-Sulfido-Ferrate : Synthese, Kristallchemie und elektronische Strukturen
Zusammenfassung: Im Rahmen der Arbeit erfolgte eine systematische Neuuntersuchung der Alkalimetall-Sulfido-Ferrat-Salze Ax[FeySz] (A=K, Rb, Cs) sowie Untersuchungen des synthetischen Zugangs zu gemischten Sulfido-/Oxido-Ferraten mittels Schmelzreaktionen aus dem elementaren Alkalimetall Kalium sowie den binären Rb-/Cs-Sulfiden neben Eisen und Schwefel. Die Charakterisierung der Phasen erfolgte mittels Röntgenstrukturanalyse am Einkristall sowie durch Rietveldverfeinerung an Pulverdaten. Durch Vergleiche der geometrischen Parameter aller Alkalimetall-Sulfido-Ferrate und den Einbezug der Ergebnisse aus Bandstrukturrechnungen konnte ein umfassendes Bild der Bindungseigenschaften und strukturgebende Parameter dieser Salze erhalten werden.
Die kubischen Verbindungen Rb9[FeIIS3]1.91[FeIIIS4]0.09(OH) und Cs9[FeIIS3]2(OH) sind die ersten gemischten Sulfidoferrat-Hydroxide und eng verwandt mit den bekannten Phasen A9[FeS3][FeS4] (A=K, Rb, Cs, P213). Sie können durch Ersatz der FeIIIS45--Tetraeder durch weitere trigonal planare FeIIS34-- und OH--Ionen von letzteren abgeleitet werden.
Rb6[FeIIIS4](OH) kristallisiert in einer durch OH--Ionen aufgefüllten Variante des K6HgS4-Typs, der auch für das bereits bekannte Ferrat(II) Na6[FeIIS4] vorliegt.
Mit der monoklinen Phase K9[FeIIIS4](S2)S konnte ein weiteres Ortho-Ferrat(III) mit eigenem Strukturtyp erhalten werden, das in Schichten zwischen den Ferrationen S2-- und S22--Ionen enthält.
Die Reihe der Diferrate konnte um die Verbindungen K6[FeIII2S6], m-Rb6[FeIII2S6] und o-Rb6[FeIII2S6] und Rb12[FeIII2S6](S2)3 erweitert werden. K6[FeIII2S6] und m-Rb6[FeIII2S6] kristallisieren beide isopunktal zu Na6[FeIII2S6] im monoklinen Cs3GaSe3-Typ. o-Rb6[FeIII2S6] und das literaturbekannte Cs6[FeIII2S6] kristallisieren im Ba3AlSb3-Typ.
Erstmals konnten mit den Verbindungen Rb8[FeIII4S10] und Cs8[FeIII4S10], die beide im Cs8[Ga4Se10]-Typ kristallisieren, auch Tetraferrate(III) dargestellt werden, die das Bindeglied zwischen den Di- und den Ketten-Ferraten(III) sind.
Das gemischtvalente Cs7[FeII/III4S8] enthält tetramere Anionen, die mit den in Ferredoxinen enthaltenen [4Fe4S]-Clustern vergleichbar sind. Es kristallisiert im monoklinen Cs7[FeII/III4Te8]-Typ, der sich gruppentheoretisch aus einer kubisch primitiven Packung aller Ionen ableiten lässt.
Rb4[FeII/IIIS2]3 und die drei Phasen A7[FeII/IIIS2]5, die als K-, Rb- und als gemischtes Rb-Cs-Ferrat Rb3.55(2)Cs3.45(2)[FeII/IIIS2]5 erhalten wurden, bilden zwei neue Varianten gemischtvalenter Kettenferrate. Beide Varianten kristallisieren monoklin in einem jeweils eigenen Strukturtyp.
Im Cs-Ferrat Cs7[FeII/IIIS2]2[FeII2S3], das monoklin in einem neuen Strukturtyp kristallisiert, liegen sowohl Ferrat(II/III)-Ketten wie auch die aus Rasvumit-Analoga bekannten Ferrat-Bänder aus verknüpften Dimeren [FeII2S3/2] nebeneinander vor. Die gemischtvalenten Ferratketten verlaufen parallel zu den FeII2S3/2-Bändern. Zwei der vier dazwischen liegenden Cs-Positionen sind statistisch zur Hälfte besetzt, eine Ausordnung der Unterbesetzung konnte nicht beobachtet werden.
Im gemischtvalenten Cs11[FeII/III5S8]2O formen die FeS4-Tetraeder aus FeII/III5S8-Einheiten aufgebaute, so in der Strukturchemie der Sulfido-Ferrate bislang nicht bekannte Gitter. Der tetragonale Strukturtyp ist eng verwandt mit dem ThCr2Si2-Typ, aus dem er durch einen isomorphen Symmetrieabstieg vom Index 9 durch Vergrößerung der quadratischen Basis abgeleitet werden kann. In den Aussparungen der Ferratgitter liegen zusätzliche Cs+-Ionen, die die in der Kationenschicht befindlichen isolierten O2-- mit vier weiteren Cs+-Ionen koordinieren.
Die Ferrate der allgemeinen Zusammensetzung Ax[FeII2- yS2] enthalten PbO-analoge Schichten kantenverknüpfter FeIIS4/4-Tetraeder. Vakanzen auf den Fe- und A-Positionen verhindern das Unterschreiten der Valenz +II von Eisen. In der K-Phase Kx[FeII2-yS2] wurden der bereits bekannte TlFe2-xSe2-Typ, der Cs2Mn3S4-Typ sowie Domänen des ThCr2Si2-Aristotyps als Ausordnungsvarianten der Fe-Defekte nebeneinander beobachtet. Auf Basis von Synchrotronpulverdaten konnten die Gitterparameter aller drei Modifikationen bestimmt werden. Die Verfeinerung der Strukturparameter erfolgte in der vorliegenden Arbeit erstmals anhand von Einkristalldaten. Für Rbx[FeII2-yS2] wurden ausschließlich die beiden Überstrukturvarianten des TlFe2-xSe2- und des Cs2Mn3S4-Typs nebeneinander beobachtet. Es gelang eine Verfeinerung der Gitterparameter beider Modifikationen sowie der Strukturparameter der TlFe2-xSe2-Form.Für Csx[FeII2-yS2] wurde eine weitere neue Defektvariante des ThCr2Si2-Typs beobachtet, die ebenso wie das Gitterferrat durch Verneunfachung der quadratischen Basis aus dem Aristotyp abgeleitet werden kann.
Für ausgewählte Ferratsalze erfolgten Berechnungen der Bandstrukturen unter Beachtung der magnetischen Austauschwechselwirkungen durch Vorgabe der Spinpolarisation und Berücksichtigung der erhöhten Austausch-Korrelation der Eisen-d-Elektronen. Die elektronischen Zustandsdichten der Di- und Tetraferrate – sowohl der linearen, wie auch der Cluster – zeigen molekülartiges Verhalten mit geringer Dispersion der Bänder und kovalenter Wechselwirkung mit ausgeprägten bindungskritischen Punkten zwischen Fe und S. Die Zustände der drei zusätzlichen d-Elektronen im gemischtvalenten Cs7[FeII/III4S8] liegen direkt unter dem Ferminiveau und korrespondieren mit den elektrochemischen Eigenschaften, die für die Aufgabe der [4Fe4S]-Cluster als Elektronenakzeptor und -donor in Proteinen relevant sind. Dagegen zeigt die elektronische Zustandsdichte des gemischten Ketten- und Bänderferrats gemäß der größeren Ausdehnung der Anionen eine deutlich höhere Dispersion und bestätigt die anhand der Abstände abgeleitete Verteilung der Eisenspezies.
Zusammenfassung: In the present work a systematic reinvestigation of alkali sulfido ferrates Ax[FeySz] (A=K, Rb, Cs) has been performed. Additionally, synthetic routes to mixed sulfido-oxido ferrates have been explored. The phases were synthesized via melting reactions starting from the elemental metals sodium and potassium or the binary sulfides of rubidium and cesium besides elemental iron and sulfur.The phases were characterized using single crystal or powder X-ray diffraction in combination with Rietveld refinements. By comparing geometrical parameters of all known alkali sulfido ferrates also considering the results of the bandstructure calculations performed, a picture could be drawn describing structure determining parameters and bonding properties for the whole class of sulfido ferrates.The compounds Rb9[FeIIS3]1.91[FeIIIS4]0.09(OH) and Cs9[FeIIS3]2(OH) crystallize in a cubic space group and are the first mixed sulfido ferrate hydroxides known. Their structures are closely related to those of the known phases A9[FeS3][FeS4] (A=K, Rb, Cs, P213) and can thus be derived from the mentioned compounds.
Rb6[FeIIIS4](OH) forms a OH- filled version of the K6HgS4-type structure, which is also found in the literature for the ferrate(II) Na6[FeIIS4].
K9[FeIIIS4](S2)S extends the group of known ortho-ferrates. In the monoclinic structure the FeS4 tetrahedra are staggered with sulfide and disulfide ions.
The group of diferrates was completed by K6[FeIII2S6] and m-Rb6[FeIII2S6] as well as o-Rb6[FeIII2S6]. The potassium and the monoclinic rubidium compound crystallize isopunctual with Na6[FeIII2S6] in a Cs3GaSe3-type structure, whereas o-Rb6[FeIII2S6] and the literature known Cs6[FeIII2S6] both form the Ba3AlSb3-type structure.
For the first time, tetraferrates, represented by Rb8[FeIII4S10] and Cs8[FeIII4S10], were synthesized and characterized. Both phases form the Cs8[Ga4Se10]-type structure containing linear chain fragments. They can be seen as missing links between di- and chainferrates.
The mixed valent ferrate Cs7[FeII/III4S8] contains tetrameric anions similar to the [4Fe4S] clusters known from the ferredoxines. It forms the monoclinic Cs7[FeII/III4Te8]-type structure, which can be derived from a simple cubic packing of all ions applying a Bärnighausen group-subgroup tree.
Rb4[FeII/IIIS2]3 as well as the three compounds A7[FeII/IIIS2]5, synthesized as K, Rb and mixed Rb/Cs ferrate Rb3.55(2)Cs3.45(2)[FeII/IIIS2]5 represent two new variants of mixed-valent chain ferrates.
The monoclinic Cs ferrate Cs7[FeII/IIIS2]2[FeII2S3] contains mixed-valent ferrate(II/III) chains as well as FeII2S3/2 double chains known from the rasvumite-analog phases. Two of the four Cs positions are only half occupied, yet no ordering of the vacancies was observed.
In the mixed valent compound Cs11[FeII/III5S8]2O the FeS4 tetrahedra form grids build up by FeII/III5S8 building blocks. The new anionic ferrate structure can be derived from the ThCr2Si2-type structure by an isomorphic symmetry reduction of index 9, enlarging the square basis of the unit cell.Additional Cs+ ions are located in the holes of the grids, which coordinate the O2- ions besides four other cations of the cationic layer between the ferrate grids.
Compounds with the general composition Ax[FeII2- yS2] are build up by PbO-analog layers of edge-sharing FeIIS4/4 tetrahedra. By forming vacancies on both cation positions a charge lower than +II for the iron cations is avoided. For the K compound Kx[FeII2-yS2], twinned domains of the TlFe2-xSe2-type structure have been observed next to twinned domains of the Cs2Mn3S4-type structure and with the ThCr2Si2-aristotype structure as vacancy ordering variants. Based on synchrotron data, lattice parameters of all three modifications were determined, while the structural parameters were successfully refined using single crystal X-ray data.For Rbx[FeII2-yS2, only the superstructure modifications namely the TlFe2-xSe2- besides the Cs2Mn3S4-type structure was observed. Lattice parameters of both modifications and the structural parameters of the TlFe2-xSe2-type phase were successfully refined.In single crystal patterns of Csx[FeII2-yS2], a new vacancy ordering variant was observed, which – like the structure of the grid ferrate – can be derived from the ThCr2Si2-aristotype by enlarging the square basis of the unit cell by a factor of 9.
For selected ferrate compounds, bandstructure calculations have been performed regarding the magnetic interactions by presetting the spin polarisation and taking the extra exchange-correlation of the iron d electrons into account. The density of states of the di- and tetraferrates – for the linear tetramer as well as for the cluster – exhibit only little dispersion typical for molecule like structures and a strong covalency with considerably high bond critical points between Fe and S. The d bands of the three additional electrons in the mixed valent compound Cs7[FeII/III4S8] are located right below the Fermi energy, which corresponds well with the properties necessary for the function as electron donor or acceptor of the [4Fe4S] cluster in ferredoxines.Meanwhile, the DOS of the mixed chain/doublechain ferrate shows a much higher dispersion, in agreement with the extended anions. The charge distribution of the Fe cations is also affirmed by the band structure calculations.
- Location
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Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main
- Extent
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Online-Ressource
- Language
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Deutsch
- Notes
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Universität Freiburg, Dissertation, 2015
- Keyword
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Synthese
Festkörper
Kristallographie
Quantenchemie
Thiometallate
- Event
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Veröffentlichung
- (where)
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Freiburg
- (who)
-
Universität
- (when)
-
2015
- Creator
- Contributor
- DOI
-
10.6094/UNIFR/10146
- URN
-
urn:nbn:de:bsz:25-freidok-101462
- Rights
-
Der Zugriff auf das Objekt ist unbeschränkt möglich.
- Last update
-
14.08.2025, 10:54 AM CEST
Data provider
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Object type
- Hochschulschrift
Associated
- Schwarz, Michael
- Röhr, Caroline
- Universität
Time of origin
- 2015