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Sehr geehrte Mißverstandene, da muß ich nun schon sagen...

Transkription: in der Bahn Sehr geehrte Mißverstandene, Da muß ich nun schon sagen: ich war ein einer Tor oder ein Schläfer vor dem Herrn. Denn ich bin nun wirklich wachgerrüttelt. Zuvor möchte ich auf einen Umstand aufmerksam machen; der mich unbe- dingt in Nachteil setzt: ich hetze mich in Berlin wirklich ab, mußte mich durch das unvorhergesehene eingeschobene Stück. Ich mach es, weil es in einem hingeht und nur ca 150.- bringt. Ich schufte also was ich kann, komme dabei leider Gottes nicht zu Auseinander[...] [...] Art- vielleicht käme ich jetzt dazu als also Wachgerüttelter. Um das gleich zu sagen: zu Wolpe ging ich weil er sagte, er mache Musik u es sei eine Jazz [...] da. Lediglich mit den realen Gedanken u das Ballett ging ich hin. Ich wurde allerdings enttäuscht - Wolpe war besoffen, es war keine Jazz da nur Tänzer vom Staatstheater, die sich lebhaft für mich u das Ballett interessierten. Zu einem Fest wäre ich nicht - ich ging aus geschäftlichen Gründen. Aus Ehre! In Wallenstein ging ich aus ähnlichen Gründen. Ich mußte Günther aus Anestenberg sehen und die Bühnen- bilder in Beziehung zu Hamlet. Was ich sagen will ist dies: während ich hier arbeite wozu ich auch Wolpe u Theater rechne, erhalte ich von zu Haus, ich Fronthäu- scher für die Sache meines Vaterlandes, denn ich kann nicht anders sagen als ,,Dolchstoß in den Rücken". Weil ich zu einer Zeit da meine Frau Gemahlin Muse hatte längere Briefe zu schreiben ich nicht die- selbe Muse hatte, sie zu er- widern. Die Schauspieler beneiden mich daß ich nach Weimar fahre, nach Hause Fahre übern Sonntag. Wenn sie wüßten daß ich- infolge Arbeit kein Zuhause mehr habe, daß ich nur ernstlich überlege ob ich im Hotel nächtigen soll oder bei einem Bekannten, da ich mir ein Gegenüber schwer vorstellen kann. Ich muß sagen daß ich mich bis gestern gesehnt habe heimzukommen, jetzt sehne ich mit mindestens gemischten Gefühlen. Die Sachen für dich u die Kinder hatte ich schon gekauft. Die kann ich auch nur [...]. Es wird so aus- sehen wie ,,nun will er es so gut machen". Lassen wird aussehen- Du stellst ja auch Deine Vermu- tungen an über Darya. Ich habe sie nicht gesehen; uns am Telefon gesprochen. Es giebt für mich nur einen Weg: eben zu resignieren. Der andre ist nicht, wegen Deines Zustandes: Dich einmal [...] anzuschnauzen und auf deine 2 Beine zu stellen. Es wäre das einfache Verfahren. Dein Zustand. Er ist leider auch schon von der Litteratur vorweg- genommen. Ibsen: Herda Gablei Die Psychoanalyse der schwangeren Frau. Ein gut Teil menschlichen Empfindens ist von der Wissenschafft regiert und registriert. Gut so. Es bleibt noch. Genug des Undefinierbaren. Zu Deinem Italienplan, der ver- mutlich bei Dir schon weit gediehen ist, kann ich also nur sagen: in Gottes Namen. Vielleicht können wir nur das Exempel leisten. Ich meine nicht nur finanziell, sondern menschlich. Was sind 2 Jahre und wie sieht die Welt in 2 Jahren aus? Ich widerhole: ich bin halt ein Septemberkind. Ich glaube an die Sterne (wie Wallenstein) (vielleicht wäre es als Nichtpapa nicht gestürzt.) Vielleicht hätte ich mit [...] sagen müssen: ich muß meine Sym- phonien componieren - ich kann jetzt nicht heiraten. Ich habe es trotz den [...]: Kunst u Familie eine neue Einheit. Seit heute weiß ich daß sie mißglückt ist, wie dem Gropius seinen. Ich habe versagt und werde weiter ver- sagen weil es einfach so ist. Wenn meine Frau das nicht versteht oder ihr diese Erkenntnis erst jetzt kommt - scheints kommt sie mir selber erst jetzt. - so ist das ein Verhängnis. Aber ich kann nicht onehin diese Frau zu erinnern was sie einmal zu Anfang proklammierte: daß sie dienen, helfen, fördern wolle. Allerdings mit dem einem Äqui- valent: der Liebe. Ich frage mich heute ernstlich, ob ich dazu fähig bin oder nicht. Eine späte Frage. Ich würde harte Ehegesetze schreiben, wäre ich Gesetzgeber. Da aber die Verliebten blind sind, be

Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer
Inventarnummer
AOS 2016/1203
Material/Technik
Papier; Bleistift

Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Tut Schlemmer (12.11.1890 - 25.04.1987)
Provenienz
Abschrift vorhanden; Kasten 3

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
28.03.2025, 12:10 MEZ

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