Bestand

Pfullendorf, Stadt (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Die Reichsstadt Pfullendorf fiel 1803 zusammen mit dem städtischen Territorium - den Gemeinden Illmensee, Groß- und Kleinstadelhofen, Sylvenstal, Wattenreute und Teilen von Waldbeuren und Zell am Andelsbach - an Baden. Schriftgut zu hoheitlichen Aufgaben wurde für den Staat übernommen (heute v.a. in den Beständen GLA 2 und 217). 1885 hinterlegte die Stadt weitere Teile des Stadtarchivs wegen deren schlechten Erhaltungszustands (heute Bestand 70 Pfullendorf). 2000 wurden aus Bestand 217 Akten südbadischer Behörden des 19. Jahrhunderts an das Staatsarchiv Freiburg (StAF) abgegeben, 2005 solche württembergischer Zentralbehörden und der Pflege Königsbronn an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStAS).
Bestand 217 wurde im Generallandesarchiv 1922/25 von Hermann Baier in einer Zettelkartei erschlossen, 1994 von den Referendaren Elsbeth Andre, Martin Burkhardt und Martin Stingl mit MIDOSA neu verzeichnet und von Clemens Rehm redigiert. Die Überarbeitung im Rahmen des Beständeaustauschs lag bei Eva Kadermann. 2010 wandelte Hartmut Obst das Findmittel in Scope-Archiv um, Konrad Krimm revidierte die Klassifikation und die Einleitung.

Inhalt und Bewertung

Durch die Vermischung der reichsstädtischen Archivalien mit anderen Provenienzen im 19. Jahrhundert und die Umordnung in die Brauerschen Rubriken ist die Auswahl von Schriftgut aus "hoheitlichen Aufgaben" der Reichsstadt durch die badischen Archivkommissare stark verwischt worden. Schwerpunkte liegen bei der Auseinandersetzung der Stadt mit den benachbarten Herrschaften über Gerichts- und Landeshoheit sowie bei der Verwaltung von Waldbesitz, Lehen und Zehntgefällen.

Überlieferung: Urkunden und Akten Pfullendorfer Provenienz verteilen sich im Generallandesarchiv Karlsruhe über mehrere Bestände: Bestand GLA 2 enthält die nach der Mediatisierung extradierten Urkunden "Überlingen-Pfullendorf", welche mittels Bandrepertorium erschlossen sind. Bestand GLA 70 beinhaltet ein Depositum des Stadtarchivs Pfullendorf; dieses besteht aus Urkunden vom 13. Jahrhundert bis 1838 sowie aus Akten des 16. bis frühen 19. Jahrhunderts. Der Rechtspraktikant Karl Mathis hatte das Schriftgut des Stadt- und Spital-Archivs im Juni 1885 in "totaler Verwahrlosung" auf dem Rathausspeicher gefunden. Die Badische Historische Kommission ließ daraufhin im Oktober 1885 die bis heute deponierten Bestände, zunächst lediglich zwecks Ordnens und Verzeichnens, in 14 Kisten nach Karlsruhe schaffen. Pfullendorf kümmerte sich in den folgenden Jahren nicht mehr um sein Archivgut und im Generallandesarchiv Karlsruhe zog sich das Ordnen und Verzeichnen der 958 Urkunden bis November 1909, der 102 Konvolute Akten bis September 1910 hin. Die Gemeinde erhielt gegen Gebühr jeweils ein Repertorium und die Archivalien blieben im Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA 450/1151). Außer dem "Stadt- und Spital-Archiv" existierte eine eigene Spital-Altregistratur (Beleg z.B. GLA 68/371, Cista 59, fasciculus 6tus: "Die Kaufbrief v. Öttenschweiler sind im Spital zu finden."). Dieses 1911 sog. "Archiv des Spitalfonds" lagerte in Pfullendorf. 1911 bat der Ge-meinderat um archivische Bearbeitung, "sehr viele[r] Akten, welche in größter Unübersichtlichkeit aufbewahrt werden müssen" (GLA 450/1151, 10. März), was 1921 durch Oberverwaltungssekretär Mock geschah. Die 81 Urk., 846 Faszikel Akten und 1514 Bände wurden in zwei luftige und trockene Gewölbe im Erdgeschoß des Verwaltungsgebäudes eingelagert (ebd., v.a. 7.9.1920 und 25.8. 1921). Das Stadtarchiv Pfullendorf verfügt ferner über das ganze Verwaltungsschriftgut, das nach dem Oktober 1885 ausgesondert wurde; darunter vereinzelt Unterlagen, die bis ins 17. Jahr-hundert zurückreichen (GLA 450/1150, April 1911). Bestand GLA 217 besteht aus den nach der Mediatisierung von Baden für wichtig erachteten und daher übernommenen Akten. Vermutlich bald nach dem 2.Organisationsedikt vom 8.2.1803 veranlaßten die Archivare Johann Baptist Kolb und der "Specialcommissarius" für Meersburg, Hofrat Koll Übernahme und Aufteilung der für das Kurfürstentum relevanten Akten und Urkunden: zum einen alles vor 1501 entstandene Schriftgut, zum anderen aus späterer Zeit alle Urkunden, politischen Akten, Haus- und Hofsachen sowie Generalakten. Ein Teil der Pfullendorfer Unterlagen gelangte zunächst in das Archiv des Fürstentums am Bodensee nach Meersburg, wurde dann in das 1806 Provinzialarchiv nach Freiburg verlegt; ein anderer Teil, v. a. die Urkunden und Verträge, gelangte ohne Umwege in das Generallandesarchiv Karlsruhe; jüngere Bestände aus Pfullendorf führten die badischen Archive offenbar wieder der laufenden Verwaltung zu: "Nota: Acta, welche das Archivsalter noch nicht erreicht haben, gleichwie die nächstvorstehende, gehören in die betreffende Provinzial=, Regierungs= oder Camer=Registraturen" (GLA 68/371, S. 114, Nachtrag zu Cista 64 fasciculus 4tus). Anläßlich dieser - nicht dokumentierten - badischen Archivalienbesitznahme fertigte der Pfullendorfer Stadtarchivar Bauer wohl auch die im GLA verwahrte Kopie (GLA 68/371) des um 1772 von Franz Andreas Rogg verfaßten Repertoriums (dazu Walchner, S. 155f.) an. Die Seiten weisen deutliche Bearbeitungsvermerke Dritter auf. Ganz durchgängig mit hellerer Tinte an den Rand gesetzt sind die Großbuchstaben "A", "G" und "P". "G" läßt sich unschwer als "General-Archiv", "P" als "Provinzial-Archiv" auflösen (Zitate GLA 68/371 Anhang 2: Verzeichnis der Okt. 1807 abgelieferten Lehenakten - vgl. auch ebd. S. 36 links oben und S. 38); "A" bleibt unklar. Es könnte sich um die in Pfullendorf belassenen Akten handeln) - Weiterhin weisen vereinzelt mit braunem Buntstift angebrachte An- und Durchstreichungen sowie einige mit Bleistift angeführte Kringel, Häkchen oder verbale Vermerke (Bsp. ebd. S.7: "Spital-Zehenden" und "Sigm." dieses Repertorium als Arbeitsexemplar aus. Bis zum Oktober 1807 muß die erste (Teil-)Archivübernahme der neuen Landesherrschaft aus Pfullendorf abgeschlossen gewesen sein. Mit Begleitschreiben vom 16. Oktober 1807 nämlich übersandte der "Großherz. Badische(r) Stadtrath" zu Pfullendorf einem nicht namentlich ge-nannten Herrn Archivrat, zweifellos J.B. Kolb in Freiburg, zwei Nachlieferungen: "(...) über-machen wir sämt. in hiesiger Registratur vorfindlich gewesene Criminal- und Lehens Akten in dem mitkommenden Verschlage, zum Empfange für das dortige Provinzial Archiv." Weiter beschrieb Stadtkanzlist Bauer einen Zustand, den so manches Faszikel aus dem Bestand 217 bis heute bewahrt hat: "Die Lehens Akten waren, wie sich Eüer Wohlgebohrn von selbsten überzeügen werden, sehr verworren, hatten große Lücken, und konnten daher nicht anderst als sehr mangelhaft ausfallen." (GLA 68/371, Anhang) Das beigefügte Verzeichnis der aus der Pfullendorfer Kanzlei abgelieferten "Lehen Akten" umfaßt 49 Urkunden (1469-1721), überwiegend auf Pergament. sowie eine Anzahl von Lehensrequisitionen und -renovationen von 1440-1805/6. Das Abgabeverzeichnis der Kriminalakten, "welche in das Provinzial Archiv nacher Meersburg (!) eingeschickt worden sind", listet 49 Aktentitel, entstanden zwischen 1692 und 1792, auf (ebd.). Neben dem reichsstädtischen Kanzleigut interessierte die badischen Archivbeamten auch das Archiv des Königsbronner Pfleghofs zu Pfullendorf: Unter dem 11. April 1807 ließ die zur Regelung eines Tauschgeschäfts zwischen Württemberg und Baden eingesetzte württembergische Kommission in Eßlingen den amtierenden Pfleger Weiß wissen: Er dürfe die Registratur der Pflege vollständig an Baden übergeben; falls er es jedoch für notwendig erachte, bestimmte Akten zurückzuhalten, so möge er diese nach Stuttgart senden oder einer anderen württembergischen Stelle zukommen lassen (GLA 217/169). - Am 6. April 1809 übernahm der badische Geheimrat und außerordentliche Gesandte Freiherr von Baur in Stuttgart rund 170 Einheiten an Urkunden, Bänden und Akten der Königsbronner Pflege (GLA 68/369). Damit wird auch ein "Repertorium über dasige Ambts Registratur" der Pflege (GLA 68/370) in badischen Besitz gelangt sein. Offensichtlich vor 1802 angelegt, ist dieses Repertorium für die Geschichte von Bestand 217 aber von untergeordneter Bedeutung. Ein Verzeichnis "der von dem Archiv der Königsbronner Pfleg in Pfullendorf noch vorgefundenen Urkunden" (insgesamt 7 Stück aus dem 17. und 18. Jahrhundert), sowie eine ähnliche Auflistung von 31 "aufgefundenen" und dem Pfullendorfer Stadtarchiv zugeschriebenen Urkunden aus der Zeit 1311-1739, beide vom 6.10.1824 (GLA 68/369), wird den Besitzertausch reichsstädtischer Pfullendorfischer Archivalien abgeschlossen haben. Weiteren Zuwachs mit Laufzeiten ab 1802/03 erhielt der Bestand 217 durch landstädtische, vor allem aber badische Provinzial- und Ministerialakten. Diese reichen vereinzelt bis in die 1850er Jahre. Wie im Generallandesarchiv üblich wurde reichsstädtisches Schriftgut, das andere Orte betraf - z.B. die Dörfer des reichsstädtischen Territoriums - auf den heutigen Bestand 229 verteilt, ebenso kamen Bände zu den Beständen 66 und 67 usw.

Erschließung und Inhalt: Die "Akten Pfullendorf Stadt" (GLA 217) wurden im Generallandesarchiv Karlsruhe 1922-25 von Hermann Baier durch ein nach der Brauerschen Rubrikenordnung gegliedertes Zettelrepertorium erschlossen und 1994 von den Staatsarchivreferendaren Elsbeth Andre, Martin Burkhardt und Martin Stingl unter Anleitung von Clemens Rehm neu verzeichnet. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Akten im Rahmen der Verzeichnung nicht neu klassifiziert, das Augenmerk lag vielmehr in der ausführlichen Titelaufnahme und Indexierung (nach Orts-, Personen- und Sachbetreffen) sowie der Bestimmung der Provenienzen (siehe unten). 2000 wurden im Rahmen des Beständeausgleichs zwischen den baden-württembergischen Staatsarchiven Akten südbadischer Behörden des 19. Jahrhunderts an das Staatsarchiv Freiburg abgegeben (s. unten); die Neubearbeitung des Repertoriums lag bei Eva Kadermann. Die Titelaufnahmen der abgegebenen Archivalien stehen als Verweisungen jedoch im Findbuch. Anlässlich der Konversion der Titelaufnahmen von MIDOSA nach Scope-Archiv 2010 durch Hartmut Obst wurde durch den Unterzeichneten die etwas verunglückte Rubrik "Ausland", die sich nach altbadischem Muster auf wenige nichtbadische Orte bezog, aufgelöst und die Titelaufnahmen den Sachrubriken zugeordnet. Zugleich wurde die Einleitung von 1994 durchgesehen und behutsam neu gefasst. Durch die Vermischung der reichsstädtischen Archivalien mit anderen Provenienzen im 19. Jahrhundert und die Umordnung in die Brauerschen Rubriken ist die Auswahl von Schriftgut aus "hoheitlichen Aufgaben" der Reichsstadt durch die badischen Archivkommissare stark verwischt worden. Schwerpunkte liegen bei der Auseinandersetzung der Stadt mit den benachbarten Herrschaften über Gerichts- und Landeshoheit sowie bei der Verwaltung von Waldbesitz, Lehen und Zehntgefällen; letzteres gilt auch für die Akten der württembergischen Klosterpflege Königsbronn in Pfullendorf. Der Bestand umfaßt 327 Nrr. in 4,5 lfm. Karlsruhe, im Februar 2010 Konrad Krimm

Provenienzen: Baden, Außenministerium --, Besitznahmekommission --, Finanzministerium --, - Oberforstkommission --, Geheimer Rat --, - Justizdepartement --, Großherzogtum (allgem. bzw. nicht näher bestimmbar) --, Hofgericht der Seeprovinz --, Hofrat --, Hofratskollegium des Oberen Fürstentums --, Innenministerium --, - Oeconomiecommission --, Regierungsrevisorat Freiburg --, Rentkammer Freiburg --, Rentkammer Meersburg --, Seekreisdirektorium --, Seekreisregierung Fürstenberg Herdwangen, Amtsverwaltung Hohenzollern-Sigmaringen Königsbronner Pflege Konstanz, Bischof (Geistliches) --, Hochstift (weltl. Verwaltung) --, Jesuitenkonvent Pfullendorf, Obervogteiamt (eventuell zu "Baden" gehörig) --, Pfarrei (?) --, Reichsstadt (bis 1802/03) --, Spitalpflege --, Stadt (ab 1802/03) Überlingen, Reichsstadt Vorderösterreich: Nellenburg Wald, Kloster Württemberg, Herzogtum (allgem. bzw. nicht näher bestimmbar) --, Kirchenrat --, Visitationsrat --, Regierungsrat

Literatur: L. Heizmann, Sacra Juliomagus. Ein Beitrag zur Geschichte der weiland heiligen Römischen freien Reichsstadt Pfullendorf, Radolfzell 1899 P. Hommers, Stadt Pfullendorf im Linzgau am Bodensee, Pfullendorf 1970 K. Walchner, Geschichte der Stadt Pfullendorf vom Jahre 916 bis 1811, Konstanz 1825

Abgaben an das Staatsarchiv Freiburg 2000: Nr. Provenienz 6 Provinzialarchiv Freiburg 1809 21 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1849 - 1857 35 Hofrat Meersburg 1805 - 1807 45 Obervogteiamt Pfullendorf 1807 49 Obervogteiamt Pfullendorf 1809 - 1810 50 Direktorium des Seekreises (Konstanz) 1810 - 1822 51 Direktorium des Seekreises (Konstanz) 1811 - 1817 68 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1832 - 1840 69 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1860 - 1863 96 Hofgericht Meersburg 1817 - 1819 104 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1841 - 1842 140 Direktorium des Seekreises (Konstanz) 1811 - 1861 141 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1831 - 1861 142 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1814 - 1841 143 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1818 - 1856 144 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1818 - 1858 166 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1848 - 1863 191 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1820 - 1859 192 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1842 - 1843 196 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1842 - 1846 201 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1857 - 1860 223 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1837 - 1860 229 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1853 - 1857 230 Regierungsrevisorat Freiburg 1809 242 Obervogteiamt Pfullendorf 1809 263 Hofrat Meersburg 1806 - 1808 264 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1816 - 1818 265 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1853 - 1858 266 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1856 - 1858 303 Hofrat Meersburg 1809 308 Regierung des Seekreises (Konstanz) 1817 - 1856 310 Obervogteiamt Pfullendorf 1808

Bestandssignatur
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 217
Umfang
299 Archivalieneinheiten (Nr. 1-327)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Städte >> Pfullendorf, Stadt
Verwandte Bestände und Literatur
Rainer Brüning/Gabriele Wüst (Bearb.), Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 6, Bestände des Alten Reiches, insbesondere Generalakten (71-228), Stuttgart 2006, S.381

Bestandslaufzeit
[1271] 1280-1863

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Letzte Aktualisierung
03.04.2025, 11:03 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • [1271] 1280-1863

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