Sachakte

6/25 [Nr. 95a]: (D) 1618 Sept. 25, Stuttgart (T) Hz. Johann Friedrich an die Universität

Enthält: (I) Visitationsrezeß. 1) Allgemeines: Die Professoren sollen nicht ständig alte Lektionen repetieren, sondern methodice lesen, nicht lange diktieren, besonders nicht impertinentia. Eine ausfallende Lektion ist Stunde zuvor anzuschlagen und an vorlesungsfreien Tagen zur selben Stunde nachzuholen, oder für ausgefallene Lektionen ist unentgeltlich eine Disputation über denselben Stoff zu halten mit schriftlich vorgelegten Thesen. Jeder Professor hat jährlich 2 ordinarias publicas disputationes zu halten, extraordinarias aber sooft er von den Studenten ersucht wird. Privata collegia zu halten, sind auch gelehrte Studenten befugt. Professores artium, die weder Kostgänger noch privata collegia halten, bekommen keine legumina mehr. Kein Professor darf in eine Fakultät aufgenommen werden, bevor er publice disputierte. Den in der lectio erledigten Stoff soll der Professor ad disputandum proponieren und möglichst mit publicis scriptis sich und die Univ. berühmt machen. Die Ferien sind einzuschränken auf die communes feriae, die Kirchenfeste, die Tage, an denen orationes anniversariae gehalten werden, sowie auf die Hundstage, für die den oberen Fakultäten 4, der fac. phil. 2 1/2 Wochen bewilligt werden. Die baccalaureandi haben künftig ein fehlerloses extemporaneum argumentum anzufertigen. Eine Speise- und eine Gebührenordnung für die Promotionen sind vorzulegen. Vor der Wahl eines Professors oder Senators muss jeder Wähler dem Rektor und Kanzler eidlich geloben, daß er sich mit niemand abgesprochen hat, sondern ohne Affekt und libere pro conscientia wähle. Bei der Zuwahl eines prof. phil. in die fac. phil. wählen nur die 3 Senatoren, und dies ohne vorherige Zusammenkunft. Bei den Promotionen sollen nicht Ausländer fähigen württ. Pfarrern und Stipendiaten vorgezogen werden. Factiones unter den Professoren sind abzustellen. Um die wenigen fremden Studenten nicht zu vertreiben, muss diskret nach der Qualität der Studenten gestraft und neben dem schmutzigen, harten Karzer noch ein milderer gebaut werden. Karzerstrafe darf aber. nicht in Geldstrafe verwandelt werden. Buhlereien und Zechereien in Professoren- und Bürgerhäusern sind zu bestrafen und an die herzogl. Kanzlei zu berichten. Der Kellenbenz, der seine Kostgänger zum Spielen und Zechen anleitet, ist vorzuladen. Philosophieprofessoren, die in die fac. artium eintreten, und alle, die nicht lesen und doch die Privilegien der Univ. genießen, sind bei Strafe der exclusion zum Halten von Tischgängern zu verpflichten. Es ist über eine dreistufige Kosttischtaxe zu berichten. Damit auch Wohlhabende in die Burse gehen, sind dort 2 Tische mit 4 Gängen und wöchentlich dreimal Braten mit besonderer Taxe einzurichten; darüber ist zu berichten. Den Kostherren ist verboten, die Studenten lang bei Extrawein sitzen zu lassen. In der Aula nova ist ein Verzeichnis aller Studentenwohnungen mit Preisen auszuhängen. Wiederholung des Verbots an Kaufleute, die Studenten zu überfordern und ihnen zu borgen. Univ.-verwandten, die keinen Stuhl zur öffentlichen Weinschenke ausgesetzt haben, ist es verboten, Wein ins Fürstl. Collegium und in die Studentenstuben zu schicken.
2.) Theol. Fakultät: Für Dr. Beringer, der krankheitshalber nicht mehr Hebräisch lesen kann und seine Besoldung als Leibgeding behalten soll, sind ein bis zwei qualifizierte Nachfolger vorzuschlagen.
3) Jur. Fakultät: Ein prof. iur., der einen Stoff absolviert hat, soll ihn, in wenige Thesen gefasst, bei den jährlichen ordinariis disputationibus defendieren lassen. Die proff. iur. sollen den Studenten acta zustellen, daruber Gutachten verfassen lassen und diese besprechen. Der Druck von Disputationsthesen darf erst nach Approbation durch die Fakultät erfolgen. Die Relationes der Actorum und die Abfassung der Consilien sollen reihum gehen. Die Institutionen sind ohne viel Diktate und Kommentare in einem Jahr zu erledigen. Dr. Bajer hat primum, Dr. Besold tres posteriores libros Codicis zu lesen.
4) Med. Fakultät: In der fac. med. sind die Lektionen schlecht besucht, es werden wenig Disputationen und Anatomien gehalten, simplicia und Kräuter selten gewiesen. Es ist im Frühling und mehr herbatum zu gehen, eine lectio herbaria anzustellen und möglichst oft Anatomias zu halten. Die Amtleute zu Urach, Nürtingen, Herrenberg und Böblingen müssen winters melden, wenn sie Malefikanten haben, und sie zu bestimmter Taxe liefern.
5) Phil. Fakultät: In der Phil. Fakultät herrschen viele Mängel: Im Examen prüften bisher die Professoren Fächer, die sie gar nicht doziert haben. Künftig soll jeder Professor nur eine lectio completoria halten und sein Fach (scientia) examinieren. Die Lektionen müssen während der Prüfungen weitergehen, ausfallende 1/2 Stunde vorher angeschlagen werden. Der Senat hat Vorschriften für die phil. Disputationen zu erlassen. Das praesidium muss jedesmal dem zufallen, der den behandelten Stoff doziert. Ein Magister, der bei einer außerordentlichen Disputation praesidieren will, muss sich beim Dekan anmelden. Am selben Tag dürfen höchstens 2 Disputationen stattfinden. Die Thesen müssen, 8 Tage vorher diktiert oder angeschlagen werden, gedruckt werden dürfen sie nur bei reichen Respondenten auf Begehr der Verwandtschaft. Der praeses darf außer dem üblichen Präsidiergeld kein angebotenes Geschenk annehmen. Bel disputationes publicae müssen der Dekan und 2 Professoren anwesend sein, ohne Lektionen zu versäumen. Die Kandidaten melden sich 1/4 Jahr vor der Promotion; arme Studenten erhalten die Grade umsonst. Da die 1. und 2. classis bei der Univ. keinen Lehrerfolg zeigen, werden sie abgeschafft und durch ein stärkeres Pädagogium auf dem Österberg oder in der Stadt ersetzt. Die Stipendiaten des Stipendium Martiniani, Fickleriani, Hochmanniani könnten fleißiger sein.
6) Da sich die Stadt Tübingen über die Ausweitung des akad. Bürgerrechts beklagt (96 Haushaltungen lebten z.Zt. darunter),so sind aus der Matrikel alle zu löschen, die nicht Lehrens oder Lernens halber sich aufhalten, noch actu advocieren, keine Tischgänger haben, noch Maler, Buchbinder oder Buchhändler sind. (Or. s. 6/26 Nr. 43). (361-379').

Darin: Digitalisat vorhanden, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/UAT_006_25

Archivalientitel
Visitationes, Bd. I: Nr. 1-104

Kontext
Ältere Universitätsregistratur, Vermischte Sachakten (I) >> 9. Visitationen (1520-1792) >> Visitationes, Bd. I: Nr. 1-104
Bestand
UAT 6/ Ältere Universitätsregistratur, Vermischte Sachakten (I)

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Rechteinformation
Rechteinformation beim Datengeber zu klären.
Letzte Aktualisierung
11.05.2023, 14:59 MESZ

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