Archivalie

lieber armer tull, dein brief heut morg hat mich arg bedrückt...

Tranksription: lieber armer Tull, dein brief heut morg hat mich bedrückt - warum so ver- zweifelt? du darfst dich nicht unterkriegen lassen - wo ist dein grosser mut, deine kampfansage ans leben, dein trotz? muss dir halt ein paar neue reiter- stiefel machen lassen! - die scorpione habens eben nie leider schlecht, das geht aber vorüber- sicher- die sterne lügen wie du siehst, nicht. wenn diese schlimme zeit vorüber ist dann kommen andere dran. hoffentlich nicht die jungfern! was ist denn dein wundester punkt? sag mir ihn damit ich an der richtigen stel- le helfen kann- ich tu natürlich was ich kann, um dir bezüglich mir und meiner sache freude zu machen. er spornt mich auch tüchtig an, nachdem ich was, dass ich damit und nur damit dir helfen kann. aber man kanns eben nicht verzwingen. gera hat geschrieben - es war ja unbestimmt, hätt die vielleicht nicht davon schreiben dürfen, um dich nicht zu enttäuschen. blanke der maler, sagte sch.-d., hätte kein verhältnis zu händel, hoffte desshalb bestimmt, dass es gelingt. von kiesler auch noch nichts - vielleicht wird er daraufhin plötzlich gesund! - es ist eben eine leidenzeit- wir müssen durch. interessant war mir ein aus- spruch von klee, wie wir im neuen haus herumstapften: wir (nächste generation, die wir nach ihm kand. kommen. werdens besser mit dem ruhm haben, wir würden wieder bessere zeiten sehen in einigen jahren als sie, mit krieg und nachkrieg geschädigt. da versteht man, dass die eben jetzt ihren erfolg und ruhm aus- schöpfen wollen, es mir da plötzlich einiges menschliches klar geworden. du hast es ja auch schon gesehen.- insofern ist bühne kein schlechter typ für die zukunft. magdeburg versendet prospekt über grösste theaterausstellung 1926 wo man glauben könnte dass theater anfang und ende der welt bedeutet. ich werde sehr darauf hinarbeiten, da muss was gezeigt werden. vielleicht kriegt man die stadt dazu, das ballett zu übernehmen, so dass sie es einfach machen lassen um es während der ausstellungsdauer zu zeigen. hoffnung1 utopie? mit gropius hab gestern gesprochen. er hat mit dem bürgermstr gesprochen. es sei beim besten willen nicht möglich, das vertraglich festzulegen, atelier beihilfe müsse der staat, resp. landtag immer neu genhmigen, hartmann wolle, aber könne zunächst nicht, vorsichtig auch gegen bauhaus. g. versichert mir die sicherheit. wenn je etwas fraglich würde, würde daraus sofort eine lage, entsteh- en, dass mir anderweitig, von der stadt etc. geholfen werden müsse: ich kann ja wenns je fackelt sofort mit abgang drohen, das umsomehr je mehr ich posi- tives aufweisen.- schmidtchen ist sehr rührig in bühnensachen. gestern grosse debatte mit g. wegen büh-einrichtung. schm. will ein ganzes me chanisches theater. geht nicht, was ich voraussah, auch ich will nicht zunächst. kostet vieltausende, und g. muss sehr sparen. dr. haas sei von berlin zurück bei 25 filmen ein paar kreisel verkauft. sag es lieber nicht hirschfeld. die allg. lage sei verheerend. es sei ein wunder dass das in dessau überhaupt möglich. in dieser zeit. Haas übrigens sehr deprimiert, wolle gehen. Braus, Moholy, Mucke gegen ihn. schmidtchen will etwas machen in der bühne, schawinsky will etwas machen. ich werde aber bis zum bruch meine sache, die die typenbühne ist, durchsetzen. da muss alles andere zunächst zurückstehen. wenn das nicht möglich ist, dass ich keine mitarbeit finde wegen egoistischer interessen, ist meine mission erledigt hier. ich bin dazu sehr entschlossen. also lieber guter armer tull, sei mutig und tapfer und halt dich aufrecht, denn wenn du knickst, knick ich mit. wir müssen und gegenseitig mit optimismus füttern! sobald ich die vorbereitungen in der bühne: vorhänge, tricots, stoffe da liegen habe, ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich meine besprechung mache und appeliere. dann beunruhige ich die werkstätte und theatralisiere das bauhaus. dann soll g. die geister die er rif erst wieder los werden! stimmung dafür ist reichlich

Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer
Inventarnummer
AOS 2015/1467
Material/Technik
Papier; maschinenschriftlich

Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Tut Schlemmer (12.11.1890 - 25.04.1987)
Provenienz
Abschrift vorhanden; Kasten 3 und Ordner 1920-1926

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
28.03.2025, 12:10 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Staatsgalerie Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Archivalie

Beteiligte

Ähnliche Objekte (12)