Bestand
B 30 Hospital- und Stiftungsverwaltung (Bestand)
Form und Inhalt: Der vorliegende Bestand enthält das Schriftgut der Hospital- und Stiftungs-verwaltung mit Ausnahme der Bände vor 1806, diese befinden sich im Bestand B 25, und der Urkunden, die im Bestand B 10 zusammengefasst wurden. Aufgrund der engen personellen und institutionellen Verflechtung von Stiftungs- und Stadtverwaltung kam es schon im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Vermischung mit städtischem Schriftgut, weshalb eine Trennung der einzelnen Provenienzen nicht möglich ist.
1. Behördengeschichte
Das Tübinger Hospital wird erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 1291 erwähnt. Das genaue Gründungsdatum ist unbekannt. Als Stifter werden die Pfalzgrafen von Tübingen angenommen.
Verwaltet wird das Hospital von "Vogt, Bürgermeister, Gericht und Rat", also von landesherrlichen und städtischen Institutionen. Das Amt des Vogtes (vor 1445: Schultheiß) wird seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zunehmend von Mitgliedern der bürgerlichen Ehrbarkeit besetzt, nicht mehr von Adligen, so daß der staatliche Einfluss zugunsten der Gemeinden zurücktritt. Neben dem Vogt oder Oberamtmann, wie er seit 1759 heißt, erscheinen noch der Dekan (erster Ortsgeistlicher) bzw. das gemeinschaftliche Oberamt, das sich aus Oberamtmann und Dekan zusammensetzt als Aufsichtsorgane.
Auf städtischer Ebene übte das Stadtgericht die eigentliche Leitung aus, auch die beiden Spitalpfleger waren ihm untergeordnet. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts wurden nur noch Richter zu Spitalpflegern ernannt, da das Amt durch den zunehmenden Besitz des Hospitals an Bedeutung gewonnen hatte. Erwähnt sei hier nur der Erwerb von Kirchensatz, Widumhof und Zehnten in Weilheim, Derendingen und Kusterdingen 1441 bzw. 1455-1460 sowie des Schwärzlocher Hofes 1544.
Der Spitalverwalter war für die Rechnungsführung zuständig und kontrollierte neben anderen Bediensteten den Seelvater. Diesem oblag die Buchführung über den Verbrauch an Lebensmitteln, Kleidern, Holz etc. und die Aufsicht über die Spitalbewohner.
Neben dem Hospital gab es in Tübingen noch weitere Pia corpora. Dazu zählten das Gutleut- oder Sondersiechenhaus sowie das Seelhaus und der Armenkasten. Sie wurden 1536 bzw. 1539 der Hospitalsverwaltung angegliedert. Getrennte Verwaltungen hatten dagegen der jüngere Armenkasten, die Lazarettpflege und die Stiftspflege, die die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts erhaltenen Stiftungen betreute.
Ein wesentlicher Einschnitt in die städtische Verwaltung der karitativen Einrichtungen wurde durch die königliche Verordnung vom 9. Juli 1811 vorgenommen. Alle Institutionen wurden verstaatlicht und den Kameralverwaltern oder besonderen Stiftungsverwaltern unterstellt. In Tübingen wurden 1813 die bisher getrennt geführten Verwaltungen von Hospital, Armenkasten, Lazarett und Stiftspflege zur Hospital- und Stiftungspflege vereinigt.
Die Rückgabe der Stiftungen an die Gemeinden erfolgte durch das Edikt Nr. III vom 31. Dez. 1818. Der Kameralverwalter wurde durch einen Stiftungsrat, gebildet aus Gemeinderat und Ortsgeistlichen, als Aufsichtsorgan ersetzt. Den Vorsitz führten Ortsvorsteher (Stadtschultheiß) und erster Ortsgeistlicher. Die eigentliche Stiftungsverwaltung bildete der Kirchenkonvent als ständiger Ausschuß des Stiftungsrates. In ihm waren Ortsvorsteher, Ortsgeistliche und der Stiftungspfleger vertreten. Die Oberaufsicht übte das gemeinschaftliche Oberamt aus.
1873 wurden alle Einrichtungen, die nur der weltlichen Armenfürsorge dienten, aus dem Vermögen ausgeschieden und der "Armenpflege Tübingen" (auch "Ortsarmenbehörde", ab 1924 "Ortsfürsorgebehörde) übergeben. Dies betraf Hospital, Gutleuthaus, Lazarett und Seelhaus.
Im Zusammenhang nit der Gründung der Evangelischen Kirchenpflege gingen 1892 Stifts- und Spitalkirche in kirchliches Eigentum über.
Das Restvermögen wurde von der "bürgerlichen Stiftungspflege" verwaltet, die vom Gemeinderat beaufsichtigt wurde.
2. Bestandsgeschichte
Die Registratur des Hospitals wurde von der neugeschaffenen Stiftungsverwaltung zunächst weitergeführt. Im Lauf des 19. Jh. kam es jedoch zu einer Vermischung von städtischen Akten und der Akten der Stiftungsverwaltung. Dies hängt, wie oben dargestellt, mit der engen personellen Verflechtung beider Behörden zusammen. Auf den Aktenaustausch zwischen beiden Körperschaften weist zudem hin, daß einige Faszikel sowohl die Lokatur der Stiftungsverwaltung als auch die Signatur bzw. Lokatur des städtischen Schillingschen Aktenplanes von 1857 tragen.
Diverse Umzüge des Stadtarchivs im 20. Jahrhundert schufen weitere Unordnung und Vermischung mit anderen Beständen des 19. Jahrhunderts.
3. Ordnungs- und Verzeichnungsarbeit
Ein Aktenplan der Hospitals- und Stiftungsverwaltung ist nicht überliefert.
Bei der Verzeichnung des vorliegenden Bestandes wurde daher in erster Linie die Gliederung des vorläufigen Findmittels zugrunde gelegt. Sie entspricht in ihrer ersten Hälfte dem von Stadtpfleger Schilling 1857 entworfenen städtischen Registraturplan, Hauptgruppe "Ökonomische Verwaltung der Stiftungen". Der zweite Teil des alten Verzeichnisses weicht hiervon ab und gliedert nach Lokalbetreffen. Von ihrer Auflösung wurde abgesehen, da sie eine Zersplitterung auf verschiedenste Rubriken des Aktenplanes bedeutet hätte. Überdies ist unklar, ob diese Ordnung nicht bereits in der Registratur der Hospital- und Stiftungsverwaltung bestanden hat. Zu beachten ist allerdings, daß auch unter anderen Gliederungspunkten Material zu diesen Ortschaften vorhanden ist.
Eine Neuordnung der Akten und Bände innerhalb der jeweiligen Betreffe erwies sich allerdings durchgängig als notwendig. Auch wurden einzelne Faszikel anderen Betreffen zugeordnet. Dabei wurde, soweit es möglich war und als sinnvoll erschien, der Registraturplan von 1857 angewendet.
Bei der Titelaufnahme stellte die Wiedergabe der verschiedenen Signaturen und Lokaturen ein besonderes Problem dar. Maximal erscheinen vier Zeichen: Signatur und Lokatur (vierstellig) des Schilling'schen Registraturplans, die Lokatur der Hospital- und Stiftungsverwaltung (dreistellig) und die alte Archivsignatur. Letztere, da unter ihr in früheren Publikationen zitiert wurde. Vom jetzigen und von früheren Bearbeitern erschlossene Signaturen und Lokaturen werden in runden Klammern wiedergegeben. Bei der Neuverzeichnung beschränkte man sich auf die Erschließung der Signatur des Registraturplans von 1857. Die Anwendung dieser Systematik wurde teilweise erschwert durch die häufig unterschiedlichen Betreffe innerhalb der einzelnen Faszikel. In einigen dieser Fälle entschied man sich für eine separate Titelaufnahme, d.h. eine Trennung des Faszikels. Einige Signaturen konnten nur über andere Hauptgruppen (Regiminal- und Polizeiverwaltung, abgekürzt "RV" und "PV") erschlossen werden. Bei einigen Faszikeln war eine sinnvolle Erschließung nicht möglich.
Hinsichtlich der Laufzeit der Archivalien sei angemerkt, dass Abschriften von Akten und Urkunden in runden Klammern vor der eigentlichen Laufzeit aufgeführt werden. Auf eine Erwähnung im Enthält-Vermerk wurde wegen ihres häufigen Vorkommens verzichtet.
Ziel der Neuverzeichnung sollte auch sein, die Provenienzstellen der einzelnen Archivalien zu ermitteln, also Stadt- oder Stiftungsverwaltung Tübingen. Dies erwies sich aufgrund der schon erwähnten engen Verflechtung beider Körperschaften als nicht durchführbar. Lediglich bei B 30/140, Privatwaldungen, liegt eindeutig das Stadtschulheißenamt als Provenienz fest.
Es handelt sich hier allerdings um keine Stiftungsangelegenheit. Von einer Aussonderung wurde abgesehen, da der Schilling'sche Aktenplan diesen Betreff ansonsten nicht enthält, sondern lediglich eine Lokatur angibt, die auf eine gemeinsame Lagerung mit den Stiftungsakten verweist.
Die Verwendung der Begriffe "Hospital" und "Spital" deutet nicht auf verschiedene Institutionen hin, sondern ist als synonym anzusehen. Die Festlegung einer Systematik ist hier wohl auch zwecklos. Die St. Jacobus-Kirche erscheint allerdings durchgängig als "Spitalkirche".
Der Bestand wurde 1989 von Udo Rauch vorbearbeitet, die Abteilung Liegenschaften 1993 von Thomas Schreiner und die Abteilung Bedienstete sowie die Bereiche Allgemeines, Protokollbände, Zehntsachen und Stiftungen 1995 von Michael Konrad.
- Bestandssignatur
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B 30
- Umfang
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55 lfd. m
- Kontext
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Stadtarchiv Tübingen (Archivtektonik) >> B: Hospital, Stiftungsverwaltung und andere soziale Einrichtungen
- Provenienz
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Hospital. Spitalpflege
- Bestandslaufzeit
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1429-1939
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
29.04.2025, 08:21 MESZ
Datenpartner
Stadtarchiv Tübingen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Hospital. Spitalpflege
Entstanden
- 1429-1939