Zeugenverhör wider den verhafteten Hans jung Gairing (Gering), Bürger und Gerber zu Reutlingen

Regest: 1) Salome, Witib des Jacob Metzger selig zu Reutlingen, sagt an Eides Statt, Caspar Helb, des Verhafteten Schwäher (= Schwiegervater), sei zu ihr gekommen und habe gesagt, es sei die Sag (= das Gerede) unter den Leuten, sein Tochtermann habe ihr Leder gebracht und Tuch dafür genommen; ob dem so sei, solle sie anzeigen. Sie habe geantwortet, sie könne ihm, weil sie damals wegen ihres Hauswirts Ableben traurig war, deswegen nichts anzeigen, wisse auch bei ihrem Eid nichts davon zu sagen.
2) Ludwig Stirm, Schuhmacher, sagt bei seinem Eid, ungefähr vor 8 Jahren sei die vorerwähnte Zeugin zu ihm, als er damals auf der Metzger Haus sass, gekommen, habe ein Schwanzstück gebracht und gefragt, was es wert sei. Der Hans Gering habe es ihr gebracht mit Vermelden, sein Vater habe es ihm gegeben, mit ihr zu tauschen gegen ein Paar Strümpf. Er, Zeuge, habe geantwortet, das Leder sei nicht sein, sondern das Zeichen gehöre dem Conrad Brand. Sie solle sehen, womit sie umgehe. Im selben Jahr habe ihm der Doschen Bastlen (Bastle Dosch) zum Flicken eines Paars Schuh ein Mittelstück Leder gebracht, das er dem jungen Hans Gairing abgekauft habe. Darauf habe er, Zeuge, gesagt, das Zeichen sei das des Conrad Brand, nicht des Gairing, soviel er wisse.
3) Marx Dörrer sagt bei seinem Eid, ungefähr 14 Tag nach dem letzten Jahrmarkt habe er eine Krautstand bei dem Cappelbrunnen stehen gehabt. Die habe er verloren. Jerg Stöffler habe ihm angezeigt, am Morgen habe der Gairing sein Ross getränkt und etwas auf der Achsel getragen. Ob es ein Fass oder Krautstand gewesen, könne er nicht eigentlich (= genau) wissen. Gairing habe gesagt, er habe ein Fässlein aus seines Schwähers Haus herabgetragen und es bald als 14 imig (= 14 Imi fassend) bald als 5 imig bald als 4 imig bezeichnet.
Der Zeug zeigt ferner an, die Zunft habe etliche Male Häute verloren. Nun habe Laux Hummel 2 Ochsenhäute gemangelt (= vermisst). Zu selbiger Zeit sei Gairing über Nacht draussen vorm Tor gewesen und sei durch nicht handwerksmässige Behandlung von Häuten aufgefallen. Bei der Haussuchung durch die Zunft seien die verdächtigen Häute in seinem Low (= Gerberlohe) gefunden worden.
4) Georg Stoffler wiederholt die Aussage Dörrers bezüglich der Krautstand. Bezüglich der Häute habe er, Zeuge, selbst gesehen, dass das Zeichen aus den Häuten geschnitten worden sei.
5) Absalon Grötzinger haben vor 6 Jahren 2 Häute, die er ihnen verkaufte, wieder zurückgegeben, weil es nicht Brauch sei, dass einer Häute verkaufe, wenn er bei einem Meister diene.
6) Georg Grötzinger haben vor 6 Jahren 2 Häute, die er ihnen verkaufte, wieder zurückgegeben, weil es nicht Brauch sei, dass einer Häute verkaufe, wenn er bei einem Meister diene.
7) Jacob Hürtter sagt nach geleistetem Eid, vor ungefähr 3 Jahren habe er dem Gairing, als dieser noch dienstweis bei seinem Schwäher Caspar Helb war, 2 Häute nacheinander abgekauft. Woher er sie aber gebracht, könne er, Zeuge, nicht wissen. Gairing habe angegeben, er habe sie den Bauern abgekauft. Sein Meister sei nicht daheim und frage den Häuten nicht viel nach, habe vorher genug.
8) Jacob jung Ensslin sagt nach geleistetem Eid, ungefähr vor Martini sei er zu Hans jung Gairing in sein Haus gegangen. Dieser habe zu ihm gesagt: "Jacob, es ist mir in der weiten Welt zu eng." Es sei die Sag (= das Gerede), er habe die verlorenen Häute entwendet. Er, Zeuge, habe den Gairing gefragt, ob er's getan habe. Dieser antwortete: "Nein" und liess ihn, Zeugen, Die Häute sehen. Als er sie aus der Gelte (= Gefäss) getan, habe er, Zeuge gesagt, dass eine gleich darunter verdächtig sei, er solle sie nicht firben (= reinigen), sondern zuvor die Zwölf sie beschauen lassen. Aber Gairing habe sie dann doch unbeschaut gefirbt.
9) Thoma jung Döttinger sagt, ungefähr um Herbstzeit sei er unter dem Gerbermühltörlein gestanden. Es sei der Murmel (= das Gemurmel, Gerücht) gegangen, Hans jung Gairing habe die verlorenen Häute entwendet. Darauf sei er, Zeuge, zu Gairings Vater gegangen und habe ihm solches angezeigt. Dieser habe seinen Sohn gerufen. Jung Gairing habe gesagt, solches werde kein Biedermann reden, und ihn, den Zeugen, gleich in seine Werkstatt geführt und ihn die Häute sehen lassen. Er, Zeuge, habe gleich eine argwöhnisch (= verdächtig) gefunden und zu Gairings Vater gesagt, er wollte nicht 100 fl nehmen, dass er eine solche Haut in seiner Werkstatt hätte. Denn sie sei vorn an der Stirn bezeichnet gewesen.
10) Ulrich Mutschler bestätigt die Aussage des vorigen Zeugen. Er, Zeuge, habe gesagt, Gairing solle die Häute nicht firben, er lasse sie denn beschauen. Gairing habe seinen Schwäher Caspar Helb geholt. Dieser habe gesagt, er solle nur firben, es klage Laux Hummel, der Häute verloren, nichts. Er, Zeuge, habe gut gesehen, dass etwas an den Häuten geschnitten worden sei.
11) Anna, die Hausfrau des Hans Bandtlin, sagt, sie habe morgens um 5 Uhr gesponnen und gehört, dass einer etwas beim Brunnen ausschüttete. Wer es gewesen, wisse sie nicht. Das habe sie zu Marx Dörrer und seiner Hausfrau gesagt, die am gleichen Tag fragten, ob sie nichts gesehen habe. Sie hätten dort eine Krautstand gehabt.
12) Jerg Buckh, Wächter, sagt, als er nach Mitternacht wachte ungefähr vor Herbstzeit und er und sein Mitwächter Hans Gerstneckher die Stunde ausriefen und um die 12 bei Caspar Helbs Haus herum gingen, sei sein Haus geschlossen gewesen, um 2 aber, als sie wieder daselbst herumgingen, sei die Tür des Caspar Helb hinten am Haus offen gestanden, desgleichen die Werkstatt; wer aber aus- und eingegangen, könne er nicht wissen.

Dorsal-/Marginalvermerke: Auf der Rückseite: Urgicht und Kundschaft Hans Gerings, Bürgers und Gerbers zu Reuttlingen samt inseriertem Urteil, das am 1. März (15)94 exequiert worden.
Das Schriftstück enthält aber nur die Kundschaft d.h. die Zeugenaussagen). Weder Gerings Urgicht noch das Urteil sind darin enthalten. Das Urteil steht im "Blutbuch" Seite 82 a. Er ist mit Ruten gehauen und aus dem Gebiet der Stadt verwiesen worden.

Archivaliensignatur
Stadtarchiv Reutlingen, A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. 7550
Umfang
16 S.
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.
Sonstige Erschließungsangaben
Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26) >> Bd. 21 Urgichten
Bestand
A 2 e (Urfehden u.a.) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26)

Laufzeit
(15)94 Januar 21

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Letzte Aktualisierung
22.02.2023, 09:17 MEZ

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Entstanden


  • (15)94 Januar 21

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