Archivalie

Hausbau und Bauhaus! Eine reale Utopie...

Transkription: Hausbau und Bauhaus! Eine reale Utopie. Durch das bekannte gütige Geschick kam ich in den Besitz fast unbeschränkter Mittel und mache mich nun daran, mein Haus zu bauen. Das Modell ist schon fertig aber auch schon dem Spott preisgegeben. Die einen nennen es den "Grudeherd" (da die Hauswände weiß Emaille sind, Träger u Fensterrahmen Nickel) die andern den Patentkoffer, da es sowol transportabel u zusammenklappbar als auch in seinen Teilen in der Art des Necessaires aufklappbar ist. Die Spott- namen teffen insofern das Richtige als es sich um etwas absolut zweckmäßiges, fern von eitler Pracht u Luxus handelt und daß dabei alle Errungen- schaften von Industrie, Technik u Wissenschaft nutzbar gemacht, ja durch die verschiedenen Bedürfnisse diese zu neuen Erfindungen und Experimenten ver- anlaßt wurden. Das ganze ist eine Sinfonie des modernen Materials: in der Hauptsache: Glas u Metall: geschliffenes Glas der Fenster, farbiges u Prismen, Matt- u Milchglas der Zimmerwände und die stolze Reihe der Metalle: Blei, Eisen, Zinn, Zink, Kupfer, Messing, Nickel, Silber Gold und Platin. Dazu Celleloid, Hartgummi u.s.w. Die elektrische Heizung (verdeckt natürlich) hinter der Kupferbrüstung oder unter dem Fuß- boden oder auf Einzelstücke conzentriert, der erwärmte Stuhl, Bett, Chaiselongue. Das Licht stets indirekt, d.h. verdeckt, den Raum erhellend das hinter den Glaswänden oder auch wieder die Einzelstücke der leuchtende Tisch, nicht der beleuchtete. u.s.w. Die Räume sind schachtelartig ineinander gefügt und können im Sommer aus- und hochgezogen werden, wodurch mehr und ganz lichte Räume entstehen (Hitze? Scheibenberieselung nach Art der Blumenladen). Im Winter hingegen ent- steht durch die mehrfache Schichtung der Wände des nun geschlossenen Hauses fast kein Bedarf an Heizung (Thermosflasche). Staub wird in diesem Hause nich gekannt. Nach Eintritt ins Haus wird in einem Vorraum mit eingebauten Vacuum- reinigern die Kleidung des Eintretenden gereinigt, desinfiziert. Denn die herrliche Ozonluft die im Hause herrscht darf durch nichts verunreinigt werden. Zentrum u Clou des Hauses übrigens ist der Baderaum: ein physikalisch - chemisches Cabinett par ex- cellence, eine optische Lust an Röhren u Glänzenden: Electrisier Apparate und solche von Klee, die verschiedensten Duschen, Höhensonne Föhnapparat und einer "zur Hebung des Selbst- bewußtseins" - die Wiedergeburt in Permanenz! Es ist mein Hauptaufenthaltsraum! Hier lese, schreibe, meditiere ich - pflege den Körper, treibe Gymnastik und denke an Grie- chenland! Soll ich weiter fahren in der Schilderung der Räume der Küche, des Ess- und des Schlafzimmers, des Zimmers der Frau und der Kinder, der Sternwarte und des botanischen Gartens auf dem Dach des Hauses? Ich breche ab denn ich muß rechtzeitig über die Aufträge disponieren und denke dabei vor allem an die Werkstätten des Bauhauses. Sehen wir uns in ihnen um: Steinbildhauerei? Stein kommt, wenn über- haupt nur im Fundament des Hauses in Frage, dies zu errichten wird unter der Würde dieser Werkstatt sein. Für dekorativen Schnickschnack bin ich nicht zu haben und für mein Conterfei ziehe ich das bewegliche Lichtbild vor. So wüßte ich auch für die Holzbildhauerei nichts, aber vielleicht die Tischlerei, sofern ich nicht einem andern Material den Vorzug gebe wie Hartgummi oder einem Preßverfahren. Vielleicht einige combinierbare Kasten, Tisch u Stuhlteile aus erlesenstem Holz, hochpoliert oder Schleiflack. Ich betone daß ich gegen jeden Luxus bin, als welchen ich alles über das Notwendige hinausgehend betrachte, dies dann allerdings aus bestem weil solidestem Material mir wünsche. - "Töpferei? " Bäurisch" kommt nicht in Frage. Dazu die Vergänglichkeit alles Irdenen. "Metallwerkstätte"? für Schmuck hab ich keinen Sinn; er ist un- moralisch, so lang das Notwenige fehlt. Gefäße etc. liefert die Industrie in so vorzüglicher Exacktheit und Form daß ich sie der Handarbeit vorziehe. Patina und Ge- hämmertes lieb ich nicht, um so mehr das

Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer
Inventarnummer
AOS 2016/1190
Material/Technik
Papier; Tinte

Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Provenienz
Abschrift vorhanden; Ordner 1920-1926

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
28.03.2025, 12:10 MEZ

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Objekttyp

  • Archivalie

Beteiligte

  • Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)

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