Archivalie

Des Bauhaus' Schicksalstunde oder meine? Eine Annahme...

Transkription: Des Bauhaus' Schicksalstunde oder meine? I. Teil Eine Annahme. 1922 Durch ein gütiges Geschick kam ich plötzlich in den Besitz fast unbeschränkter Mittel und nachdem ich das Bauhaus mit einer ansehnlichen Stiftung bedacht, kann ich wol daran gehen mein Haus zu bauen.- Wie sieht es aus? Nach dem Modell zu schließen, wird es viel Spott ausgesetzt sein; die einen nennen es den "Grudeherd" (es ist nämlich aus Emaille, die Träger u Fenster- rahmen Nickel) die andern den "Petten Kofer" (sie meinen Patentkoffer) da es sowol transportabel als auch in seinen Teilen in der Art des Necessaires aufklappbar ist. Ich begnüge mich heute mit Andeutungen da seine nähere Beschreibung mit Abbildungen in einem Sammel- werk, "die Wohnmaschine" von Gropius erscheinen soll. Die Spottnamen teffen insofern das Richtige als es sich um etwas absolut zweckmäßiges, fern von Pracht u Luxus handelt und daß dabei alle Errungenschaften von Industrie u Technik nutzbar gemacht, ja durch die verschiedenen Bedürfnisse diese zu neuen Erfindungen veranlaßt wurden. Das ganze ist eine Sinfonie von Glas u Metall: geschliffenes Glas der Fenster, farbiges u Prismen, Matt- u Milchglas der Zimmerwände, und Kupfer, Messing, Nickel, Silber bis zum reinen Gold. Zwischen der Emailleaußenwand und den Glaswänden der Innenräume sitzen Licht und Heizung (elektrisch natürlich) die Räume sind schachtelartig ineinander gefügt und können im Sommer nach oben aus- und hochgezogen werden, wodurch mehr und lichte Räume entstehen (Hitze? Scheibenberieselung nach Art der Blumen- läden). Im Winter ist durch die mehrfache Schichtung der Wände des nun geschlossenen Hauses fast kein Bedarf an Heizung (Thermosflasche). Zentrum u Clou des Hauses übrigens ist der Baderaum: ein physikalisch - chemisches Cabinett par excellence, eine optische Lust an Röhren u Glänzendem: Elektrisier- Apparaten und solchen von Klee, Duschen, Höhensonne, Föhn.... mein Hauptaufenthaltsraum! Die Wieder- geburt in Permanenz. Ich breche ab - denn ich muß rechtzeitig über die Aufträge disponieren und denke dabei vor allem an mein geliebtes Bauhaus. Sehen wir uns in den Werkstätten um: Steinbildhauerei? Stein kommt höchstens im Funda- ment in Frage. Bildhauerei - Außenplastik? Ich wüßte nichts. - Holzbildhauerei? Nein - aber Tischlerei! sofern ich nicht zu anderem Material greife wie Hartgummi: dann einige combinierbare Kasten, Tisch und Stuhlteile aus erlesenstem Holz, hochpoliert, aber sehr compliciert - einfach in der Construktion. Ich betone daß ich gegen jeden Luxus bin, als welchen ich alles über das Notwendige hinaus- gehend betrachte, dies allerdings aus bestem weil solidestem Material erstrebe. Töpferei? - "Bäurisch" kommt nicht in Frage. Metallwerk- stätte? Für Schmuck hab ich keinen Sinn. Ich bin gegen Luxus, gegen das Zwecklose. Gefäße etc. liefert die Industrie in so vorzüglicher Exakt- heit u Form. Gehämmertes und Patina (falsche) lieb ich übrigens nicht, umsomehr das Glatte, Glänzende, Präcise. - Wandmalerei! Daß ich nicht lache. Die Wände sind wie gesagt aus Mattglas oder aus farbigen aufgeschraubten Platten (ein prächtiges eben erst erfundenes Material von ganz seltsamer Beschaffenheit). Allenfalls Lackierung da u dort, aber in chinesischer Vollendung. Glasmalerei? Warum so mittelalterliche Bezeichnungen! Man denkt an Kirchenfenster u Butzenscheibenstil. Nein! Es giebt da ein neues Verfahren Glas aneinanderzufügen.... Glasschleif-Kunst eher - - Überhaupt natürlich Glas, Glas, Glas! Das Material Paul Scheerbarts und der Zukunft. Und dies Glück, daß wir in Thüringen sitzen, dem Glashüttenland. Es lebe die Glasplastik - aber zweckvoll, höchst zweckvoll! (Später mehr.) Weberei? Wandbe- hänge? Aber nein, auf meine Glaswände! Boden teppiche - zwar denk ich mit Vorliebe an einfarbigen z.B. blauen Samt auf den ganzen Boden exakt bis in die Ecken. Aber immerhin ein Teppich vielleicht. Übrigens für meine Frau ein seidener Schaal. Kunstdruck? - Doch - ich werde dies da druck

Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer
Inventarnummer
AOS 2016/1192
Material/Technik
Papier; Tinte; Bleistift

Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Provenienz
Abschrift vorhanden; Ordner 1920-1926

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
28.03.2025, 12:10 MEZ

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Objekttyp

  • Archivalie

Beteiligte

  • Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)

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