grafische Künste

Die Taufe Wittekinds im Jahre 785. Vierter von fünf Kartons für die Fresken im Kaisersaal des Rathauses zu Aachen

1840 gewann Alfred Rethel den Wettbewerb des Düsseldorfer Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen zur Ausschmückung des Aachener Rathaussaales mit einem Freskenzyklus zum Leben Karls des Großen »in historischer und symbolischer Auffassung« mit Bezug auf die »allgemeine geschichtliche Bedeutung als auch auf die Stadt Aachen als dessen Lieblingsaufenthalt« (Alfred Rethel, Die Karlsfresken, Ausst.-Kat., Aachen 1987, S. 9). Friedrich Wilhelm IV. befürwortete die vorgelegten Entwürfe. Akademiedirektor Wilhelm Schadow erhob aus Neapel vergeblich Einspruch, er hielt Rethel, der bereits an der Ausmalung des Frankfurter Römers mitgewirkt hatte, für überschätzt und den Auftrag für zu rasch vergeben. Nach langer Diskussion und baulichen Veränderungen am Saal einigte man sich 1846 über acht Kompositionen, 1847 bereits begann Rethel mit der Ausführung der Fresken, 1853 mußte er die Arbeit wegen einer psychischen Erkrankung abbrechen. Nur vier der Fresken wurden von Rethel selbst vollendet, die übrigen wurden von Josef Kehren (1817–1880) nach Rethels Kartons ausgeführt. Die ursprünglich fünf Kartons wurden 1868 aus dem Nachlaß des Künstlers für die Nationalgalerie erworben; der erste und der letzte Karton des Zyklus, »Zerstörung der Irmensäule bei Paderborn im Jahre 772« (ehemals Inv.-Nr. A I 44) und »Kaiser Otto III. in Karls des Großen Gruft im Jahre 1000« (ehemals Inv.-Nr. A I 48), zählen zu den Kriegsverlusten. Der zweite Karton (Inv.-Nr. A I 45) zeigt den Einzug Karls des Großen in Pavia im Jahre 774: Nach dem Sieg über den Langobardenkönig Desiderius (774 n. Chr.) zieht Karl der Große mit der eisernen Krone der Langobarden in der Hand durch das Stadttor ein. Auf dem Pferd rechts weist Bischof Turpin mitleidheischend auf das gefangene Königspaar vorne rechts, der alte Krieger hinter ihm deutet mit ausgestrecktem Arm auf die zerstörte Stadt. Hinter den zerborstenen Stadtmauern sieht man einzelne Krieger mit dem Bergen der Toten und mit Löscharbeiten beschäftigt, die Stadt verlassende Bürger und einziehende Sieger. – Für den Karton suchte sich Rethel seine Modelle in Dresden, wo er seit dem Winter 1848/49 wohnte, und zeichnete dort in der königlichen Rüstkammer und im Marstall. Den dritten Karton »Sarazenenschlacht bei Cordoba im Jahre 778« (Inv.-Nr. A I 46) entwickelte Rethel nach Friedrich Schlegels Rolandromanze über den spanischen Feldzug Karls des Großen im Jahre 778. Das bewegte Kampfgetümmel bindet Rethel hier in eine dynamische Diagonalkomposition. Das Heer stürmt auf den Betrachter zu: In der Mitte reitet Karl der Große, er hat von dem feindlichen, von Stieren gezogenen Wagen die Fahne heruntergerissen. Links sieht man den kreuztragenden Bischof Turpin. Den Pferden hat man die Augen verbunden, damit sie vor den Sarazenen nicht scheuen. Rechts bäumt sich der tödlich getroffene Kalif in seinem Streitwagen noch einmal auf. Der vierte Karton zeigt die Taufe Wittekinds im Jahre 785 (Inv.-Nr. A I 47) und die dadurch besiegelte Unterwerfung der Sachsen. Im Zentrum der Darstellung wird der kniende Sachsenherzog von Bischof Turpin getauft (785 n. Chr.), links sind die weltlichen, rechts die geistlichen Würdenträger zu sehen. Die Sachsen an der Freitreppe haben zum Zeichen ihrer Unterwerfung die Fahne gesenkt. »Diese von inneren Bewegungen erfüllten Szenen an der Seite der Freitreppe stehen im wirksamen Gegensatz zu der zu einem feierlichen Staatsakt erhobenen Taufe auf der Plattform, die durch den Bischof eine besondere Weihe erhält« (H. Schmidt, Alfred Rethel, Neuß 1959, S. 116). Eine Ölstudie der Szene von 1853 befindet sich im Museum Kunstpalast Düsseldorf. – Rethel unterschied die verschiedenen Vorstufen der Arbeit genau, wie er dem Bruder Otto 1844 auseinandersetzte: Studien, den Karton, die Farbenskizze und die Untermalung. Und es gilt, sich »eine geistige Frische und Neuheit des Gegenstandes« möglichst lange zu erhalten und »das Werk rasch bis zu einem gewissen Punkte zu bringen, bei der Übermalung fehlen in der Regel jene beiden Hülfen« (J. Ponten, Alfred Rethels Briefe, Berlin 1912, S. 78). Das Fresko wurde nach Rethels Entwürfen von Josef Kehren ausgeführt (1944 zerstört). | Angelika Wesenberg

Vorderseite | Fotograf*in: Andres Kilger

Public Domain Mark 1.0

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Material/Technik
Kohle auf Papier, auf Leinwand kaschiert
Maße
Höhe x Breite: 280 x 399 cm (Spitzbogenfeld)
Standort
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
A I 47

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
1868 erworben von Marie Rethel, der Witwe des Künstlers, aus dessen Nachlaß
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
um 1849/1850

Letzte Aktualisierung
08.08.2023, 11:02 MESZ

Objekttyp


  • grafische Künste

Beteiligte


Entstanden


  • um 1849/1850

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