Bestand

Familien- und Herrschaftsarchiv von Oberndorff (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Die Familie leitet ihren Namen von der Gemeinde Oberndorf bei Kemnath in der Oberpfalz ab, in deren Kirche um 1650 ihre Wappen bezeugt sind. Angehörige des Geschlechts begegnen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts im Umkreis der Landgrafen von Leuchtenberg, als Richter in Vilseck (1415), im 17. Jahrhundert in kurbayerischen Diensten. Überregionale Bedeutung erlangte Franz Albert von Oberndorff, Großmeister des Malteserordens im Herzogtum Neuburg, mit seinem Aufstieg in leitende Positionen am kurpfälzischen Hof Karl Theodors. Diesem Kurfürsten verdankt die Familie ihre Aufnahme in den Grafenstand (1790). Das zuletzt im Schloss Neckarhausen verwahrte Familien- und Herrschaftsarchiv hinterlegten 1970/72 nach dem Tod des Grafen Fritz von Oberndorff dessen Erben im Generallandesarchiv Karlsruhe.

Inhalt und Bewertung

1. Familien- und Herrschaftsarchiv: Dokumente einzelner Familienmitglieder und verschwägerter Familien vorwiegend aus der Zeit vom 17. - 20. Jahrhundert. Schriftgut zu den im ausgehenden 18. Jahrhundert erworbenen Besitzungen (Schwerpunkt Raum Heidelberg/Mannheim).
2. Politischer Nachlass des kurpfälzischen Ministers Franz Albert Graf von Oberndorff.
3. Akten über den Malteserorden des Großpriorats Neuburg, die aus der Tätigkeit des Grafen Franz Albert von Oberndorff als Großmeister stammen.

I. Die Familie: Die offenbar kleinen Anfänge der Familie von Oberndorff, die ihren Namen von der Gemeinde Oberndorf bei Kemnath in der Oberpfalz ableitet, in deren Kirche um 1650 ihre Wappen bezeugt sind, liegen nahezu im Dunkeln. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts begegnen Angehörige des Geschlechts im Umkreis der Landgrafen von Leuchtenberg als Zeugen in Urkunden, aus deren Ministerialität die Familie möglicherweise hervorgegangen ist. Ihre Besitzungen lagen zumeist in der Gegend um Neustadt und Ulm, unter anderem in Mockersdorf und Bruck (Lehen von Leuchtenberg), in Erlbach, Mühldorf und Lobensteig (Lehen von Kloster Ensdorf), Wirbenz (Lehen von den Burggrafen von Nürnberg) sowie in Berndorf und Kirchenthumbach. Hans Oberndorffer begegnet 1415 als Richter zu Vilseck. Wolf Martin von Oberndorff war in der Mitte des 17. Jahrhunderts kurbayerischer Pflegverwalter in Grafenwörth, Pfleger zu Eschenbach und Klosterrichter zu Weißenohe. Wolf Peter von Oberndorff (gest. 1704) stand zunächst in kurbayerischen, dann venezianischen Kriegsdiensten, geriet bei der Eroberung von Candia durch die Türken 1669 in Gefangenschaft und wurde nach Tripolis verschleppt. Nach seiner Freilassung trat er schließlich wieder in bayerische Dienste. Der eigentliche Aufstieg der Familie wurde eingeleitet mit dem Engagement ihrer Angehörigen in pfalz-neuburgischen bzw. kurpfälzischen Diensten: Franz Albert von Oberndorff, Großballi des Malteserordens im Herzogtum Neuburg, stieg am kurpfälzischen Hof Karl Theodors in eine leitende Position auf; mit der Übersiedlung des Kurfürsten nach München 1778 wurde er dessen Statthalter in der Kurpfalz. In der Umgebung von Mannheim erwarb er stattliche Besitzungen und Rechte, die größtenteils aus heimgefallenen pfälzischen Lehen oder Pachtgütern bestanden: unter anderem Heddesheim, Schriesheim, Ilvesheim, Ladenburg, Burg Gronau mit Dorf Alsheim (1780), Schloss Laumersheim (1783) und die pfälzischen Lehengüter der Schliederer von Lachen in Haßloch, Lachen, Speyerdorf und Friesenheim. Die Besitzungen in Neckarhausen (1778), Handschuhsheim, Wieblingen, St. Ilgen und Edingen (1792) fasste Franz Albert in seinem Testament 1792 zu einem Fideikommiss zusammen; in den Jahren 1823/24 entstand das Schloss in Neckarhausen. Entlegenere Besitzungen hatte die Familie in Stein am Kocher, in Kochertürn, in Sickingen (1. Hälfte 19. Jahrhundert) und am Niederrhein, in Tromberg (1778). Am 19. Februar 1790 erhob Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz seinen Minister Franz Albert von Oberndorff, dessen Bruder und die Nachkommen eines weiteren Bruders in den Grafenstand. Die Tradition des kurpfälzischen bzw. dann bayerischen Dienstes setzte sich in den folgenden Generationen fort. Im 19. Jahrhundert teilte sich die Familie in zwei Linien: die ältere in Neckarhausen (Nachkommen des Alfred Maria Fortunant) und die jüngere, inzwischen ausgestorbene Linie in Regendorf bei Regensburg (Nachkommen des Gustav Adolf Maria Fortunant); die letzere Linie war zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Österreich-Ungarn begütert. Von Graf Karl Gustav Adolf von Oberndorff stammte eine "Edinger" Linie ab, der auch der Historiker Graf Lambert von Oberndorff angehörte, der das Archiv zu Neckarhausen geordnet hat.

II. Archivgeschichte: Das Archiv auf Schloss Neckarhausen ist aus verschiedensten Teilen zusammengewachsen. Zur älteren Familiengeschichte enthält es nur wenig Material - meist Urkundenabschriften aus fremden Archiven. Immerhin sind aber drei Urkunden von 1415 (Nr. 3, 4 und 5) vorhanden, die sich im Familienbesitz erhalten haben. Der Großteil der Urkunden - so diejenigen über die Apotheke in Heidelberg - sind jedoch erst in späterer Zeit angefallen und haben keinen direkten Bezug zur Familie von Oberndorff. Die Akten und Amtsbücher betreffen vorwiegend die Herrschaftsverhältnisse der im ausgehenden 16. Jahrhundert an die Familie gelangten Besitzungen, insbesondere aus der Zeit des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts. Ein geschlossener Komplex von Akten ist das im amtlichen Bereich des Grafen Franz Albert von Oberndorff erwachsene Material und umfasst vor allem seine diplomatische Korrespondenz sowie Gesandtschafts- und Ministerialakten kurpfälzischer Provenienz. Ein weiterer Teilbestand existiert über den Malteserorden. Er enthält Akten zur Gründung und Auflösung der englisch-bayerischen Zunge des Ordens aus dem Bereich des Fürsten von Bretzenheim als Großprior, ferner Akten über die Würde und Stellung eines Großballi aus dem Bereich des Grafen Franz Albert von Oberndorff, der bei der Verwaltung der Großballei Neuburg von seinem Bruder vertreten wurde, und schließlich Verwaltungsakten der Großballei Neuburg. Dabei befinden sich auch einige Vorakten und Einzelnes von anderen Kommenden. Das Archivmaterial lag wohl weitgehend unerschlossen im Archivraum des Schlosses Neckarhausen. Einzelne Verzeichnisse existierten nur für Teilzugänge und -abgaben von Akten. Ein Archivrepertorium (Nr. 963) wurde erst um 1900 gefertigt, wahrscheinlich durch Lambert von Oberndorff, der in einem Pflegerbericht des Jahres 1908 auch den Inhalt des Neckarhäuser Archivs veröffentlichte. Zur Ordnung: Im Archivraum standen eine Reihe von Schränken, die ihrerseits in Kästen und Fächer unterteilt waren. In Schrank I lagen die Familienakten und -prozesse. Schrank II betraf die Akten des Hausfideikommisses und Schrank III Akten über den Zeitpunkt verlorener Güter. In Schrank IV befanden sich die Ministerialakten des Franz Albert von Oberndorff. Daneben lagen wohl ziemlich ungeordnet weitere Akten der kurpfälzischen Staatsverwaltung, Malteserakten, Verwaltungsakten und Beraine von Edingen, Neckarhausen und Laumersheim. Späteres wurde ohne Erweiterung des Ordnungsschemas dazugelegt. Die Urkunden waren im gedruckten Verzeichnis einzeln registriert und nach diesem System auffindbar. Das im Schloss Neckarhausen verwahrte Familien- und Herrschaftsarchiv hinterlegten 1970/72 nach dem Tod des Grafen Fritz von Oberndorff dessen Erben im Generallandesarchiv Karlsruhe, zumal auch das Schloss Neckarhausen an die Gemeinde verkauft wurde. Ein weiterer Zugang von Akten, die sich im Besitz der Gräfin Elisabeth von Oberndorff befanden, wurde dem Archiv 1972 angeschlossen.

III. Bearbeiterbericht: An der Erschließung des Adelsarchivs waren mehrere Archivare beteiligt. In den Jahren 1791/72 hat der Direktor Dr. Haselier zusammen mit Dr. Kaller, Dr. Schäfer, Dr. Schwarzmaier und Dr. Zier etwa die Hälfte der Akten neu verzeichnet, was durch personelle Veränderungen im Generallandesarchiv Karlsruhe zunächst unterbrochen wurde. 1977 registrierte Dr. Schwarzmaier die Urkunden und nahm im darauffolgenden Jahr den ganzen Bestand nochmals in Arbeit. Die Archivreferendare und Herren Drüppel, Martin, Dr. Rödel und Rolf beendeten die Aktenverzeichnung und erarbeiteten gemeinsam eine Neuklassifikation des gesamten Bestands. Anschließend wurde der Bestand durch eine Hilfskraft (Herr Hölzer) umsigniert und neu verpackt sowie beschriftet. Nach einer nochmaligen Revision des gesamten Zettelbestands durch Kurt Andermann wurde das Bandrepertorium 1979 durch Frau Seitz geschrieben. Urkunden, Akten, Amtsbücher, Karten und Stammbäume wurden darin in der Nummernfolge hintereinandergestellt. Da eine Beibehaltung der kaum mehr erkennbaren älteren Ordnung des Archivs nicht möglich war und das moderne Material in dieser ohnehin nicht erfasst war sowie ältere Signaturen weitgehend fehlten, wurde eine neue Klassifikation entworfen. Diese unterteilt grob in Urkunden, Akten und Rechnungen. Die Akten wiederum unterteilen sich in Familiensachsen (darin die geschlossenen Komplexe der Ministerialakten und Malteserakten) sowie Besitz- und Herrschaftsakten, letztere größtenteils unter lokalem Betreff. Das gedruckte Inventar von 1908 ist demnach nicht mehr benutzbar; von der Herstellung einer Konkordanz wurde abgesehen. Im Großen und Ganzen dürfte das Material, wie es 1908 vorgelegen hatte, auch im heutigen Archiv noch vorhanden sein. Die bei den Urkunden fehlenden Stücke liegen, da es sich um spätere Abschriften handelt, wohl unter den Materialsammlungen zur Familiengeschichte (Nr. 78 und Nr. 79). Karlsruhe, den 8.5.1979 Dr. Hansmartin Schwarzmaier

IV. Konversion und Bemerkung zu den Findmitteln: Im Jahr 2017 wurde das maschinenschriftliche Findmittel durch Frau Sigrun Gees konvertiert. Die Endredaktion führte Sara Diedrich im Frühjahr 2018 durch. Das Papier-Findbuch von 1979 enthält im Gegensatz zum Online-Findmittel von 2018 einen Orts- und Personenindex sowie einige Verweise auf andere Archivalien im Hause. Jedoch wurden in der Online-Version Ortsbezeichnungen und Personennamen - sofern bekannt und möglich - zusätzlich in normalisierter, heutiger Schreibweise angegeben. Korrekturen und Ergänzungen bei den Verzeichnungsangaben sind in beiden Findbuch-Versionen eingetragen. Die Klassifikation wurde in der Online-Version in einigen wenigen Punkten ergänzt und abgeändert (v.a. im Bereich B.II.7. Rechnungswesen, B.II.10. Prozesse und Streitsachen sowie bei C. Rechnungen); gerade für die Rechnungen lag im Papier-Findbuch keine übersichtliche systematische Gliederung vor. Karlsruhe, im Mai 2018 Sara Diedrich

V. Verweise: Einige Lehensurkunden und Akten der Familie von Oberndorff im Generallandesarchiv Karlsruhe im Lehen- und Adelsarchiv: 44 Oberndorff und 72 Nrn. 6679 bis 6728.

VI. Literaturhinweise: Becke-Klüchtzner, Edmund von der: Stamm-Tafeln des Adels des Großherzogtums Baden, Baden-Baden 1886, S. 309 - 311. Ehrenbrook, Hans Friedrich von: Genealogisches Handbuch des Adels, 2. Gräfliche Häuser A, Bd. 1, Glücksburg 1952, S. 275 - 279. Oberndorff, Lambert von: Gräflich von Oberndorff'sches Archiv zu Neckarhausen, in: ZGO 62, NF 23 (1908), S. m19 - m45. Oberndorff, Lambert von: Der Wappenstein im Pfarrgarten zu Mockersdorf, in: Verhandlungen des Historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg 63 (1911), S. 1 - 28. Walter, Friedrich: Die Ernennung des Ministers von Oberndorff zum kurpfälzischen Statthalter 1778, in: Mannheimer Geschichtsblätter 28 (1927), Sp. 2 - 5.

Reference number of holding
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 von Oberndorff
Extent
3054 Archivalieneinheiten (davon 78 Urkunden, 16 Aufschwörungen und Stammbäume, 19 Karten und Pläne)

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nichtstaatliches Archivgut >> Familien- und Herrschaftsarchive >> Adel >> von Oberndorff
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03.04.2025, 11:03 AM CEST

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