Tektonik

02.03.03.09 Heil- und Wohlfahrtsanstalten

Im Jahre 1716 wurde in Waldheim die erste Landesanstalt Sachsens als Zucht-, Armen- und Waisenhaus in Betrieb genommen. Diese unterstand, ebenso wie die später gegründeten Landesanstalten, der 1714 eingerichteten Armenhauskommission in Dresden, die ab 1787 als Kommission für Zucht- und Armenhäuser und ab 1811/12 als Kommission für Straf- und Versorgungsanstalten bezeichnet wurde.

Nach Einrichtung der Ministerien im Jahr 1831 wurde die Kommission dem Ministerium des Innern zugeordnet, bevor man sie 1845 auflöste und durch die Abteilung für Straf- und Versorgungsanstalten ersetzte. Die Heil- und Pflegeeinrichtungen (ehemals Armenhäuser) wurden Mitte des 19. Jahrhunderts vom Strafvollzug getrennt und zu eigenständigen Heil- und Wohlfahrtsanstalten ausgebaut. Landes-Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke bestanden in Großschweidnitz, Hubertusburg, [Pirna-]Sonnenstein, Untergöltzsch und Zschadraß Die erste Heilanstalt bestand bereits seit 1811 auf dem Sonnenstein bei Pirna. Mit Verordnung vom 31. Juli 1893 wurde die Trennung von Heilanstalten und Versorgungsanstalten für unheilbar Kranke aufgehoben. Die Anstalten wurden zu Heil- und Pflegeanstalten erhoben, deren Zuständigkeiten in den Verordnungen vom 1. März 1902 bzw. 12. September 1913 geregelt wurden.

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs bestanden für die Kreishauptmannschaften Dresden und Bautzen die Heil- und Pflegeanstalten Arnsdorf, Großschweidnitz und Pirna-Sonnenstein. In der Kreishauptmannschaft Leipzig waren Landesheil- und Pflegeanstalten in Hochweitzschen, Hubertusburg, Zschadraß, Leipzig-Dösen, Colditz und Waldheim eingerichtet. Für die Kreishauptmannschaften Chemnitz und Zwickau bestand die Heil- und Pflegeanstalt Untergöltzsch (deren archivische Überlieferung im Bestand 32810 Sächsisches Krankenhaus Rodewisch enthalten ist). Die Anstalten in Colditz und Waldheim nahmen Geisteskranke und Epileptiker mit Vorstrafen aus dem gesamten Königreich auf, während für die anderen Anstalten die Zuständigkeiten auf einzelne Amtshauptmannschaften beschränkt waren.

Die Aufsicht über die Heil- und Pflegeanstalten sowie das Elsterbad in Bad Elster verblieb während der Weimarer Republik in der Zuständigkeit des Innenministeriums. Die Erziehungs- und Korrektionsanstalten hingegen unterstanden zwischen 1924 und 1934/35 dem neu eingerichteten Arbeits- und Wohlfahrtsministerium. Konnten anfangs noch die Bürgermeister im Benehmen mit den Bezirksärzten die Einweisung in eine Anstalt veranlassen, wurden die Zuständigkeiten 1934 auf die Landesanstalten übertragen. Die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Waldheim wies die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt an, die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Sonnenstein die Unterbringung in einer Trinkerheil- und Entziehungsanstalt und die Landeskorrektionsanstalt Bräunsdorf die Unterbringung in einem Arbeitshaus bzw. Asyl. Die Ausbildung des Pflegepersonals erfolgte im Pflegerhaus in Hochweitzschen (seit 1922 in Pirna-Sonnenstein) und im Schwesternhaus in Hubertusburg (seit 1918 in Arnsdorf). Daneben entstanden weitere Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft, wie z. B. die Landesversicherungsanstalt, welche die Kureinrichtung in Bad Gottleuba errichten ließ. Mit Inkrafttreten des Sächsischen Wohlfahrtsgesetzes am 28. März 1925 wurden auf Bezirks- und Landesebene Wohlfahrtsverbände eingerichtet, die u. a. für die Jugendwohlfahrt, die Fürsorge für Alkoholkranke sowie geistig und körperlich Behinderte, die Strafentlassenenpflege sowie für die Arbeitsfürsorge für Schwerbeschädigte und Schwererwerbsbeschädigte zuständig waren. Die selbstständigen Anstaltsmedizinalbezirke wurden 1935 in Umsetzung des Reichsgesetzes zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 3. Juli 1934 aufgehoben. Ihre Funktion übernahmen die Gesundheitsämter, die 1936/37 dem Ministerium des Inneren unterstellt wurden.

Das mit Kriegsbeginn 1939 begonnene "Euthanasieprogramm" führte zum Umbau der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein in eine Tötungsanstalt. Die Heil- und Pflegeanstalten Zschadraß und Waldheim fungierten als Zwischenanstalten für den Transport von rund 15 000 psychisch kranken und geistig behinderten Menschen, auch KZ-Häftlingen, nach Pirna-Sonnenstein. Dort wurden sie 1940/41 durch Gas getötet. Danach wurde die Euthanasieaktion mittels überdosierter Medikamente, gekürzter Essensrationen und mangelhafter hygienischer Versorgung bis zum Ende des Krieges in den Anstalten fortgesetzt.

Nach 1945 unterstellte man die Verwaltung der landeseigenen Kranken- und Heilanstalten sowie der Bäder dem Ministerium für Arbeit und Sozialfürsorge, in dessen Zuständigkeit auch das Gesundheitswesen gehörte.

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Sächsisches Staatsarchiv (Beständegliederung) >> 02. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945 >> 02.03 Fachbehörden und nachgeordnete Einrichtungen >> 02.03.03 Inneres

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