Handschriften

Krackow an Karl Weltzien

Enthält: (1r) Krackow nimmt nach längerer Unterbrechung seinen Kontakt mit Weltzien wieder auf und stellt Überlegungen zur allgemeinen Entwicklung und insbesondere zum technischen Fortschritt ("Eisenbahn und Telegraph") an. Krackows Einstellungen blieben unverändert. (1v) Krackow begleitete Weltzien auf dessen Reise von Erfurt nach Eisenach. Krackow arbeitete in der Folgezeit für ein Jahr am Kammergericht in Berlin und unterzog sich danach dem "3. Examen". Den "heißen Sommer" verbrachte er mit den Prüfungsvorbereitungen. Krackow bestand die für den 18. Oktober anberaumte mündliche Prüfung "glücklich". Anschließend waren zwei schriftliche Arbeiten abzugeben. Vor zwei Monaten wurde Krackow zum Gerichtsassessor berufen. Krackows Teilnahme am "Feldzug mit der Landwehr" wird auf sein Dienstalter ("Anciennetät") angerechnet und diese auf den 1. April 1853 datiert. Krackow bestand alle Examina. In jener Zeit schrieb er wegen Zeitmangel und Ruhelosigkeit keine Briefe. Nach der Abgabe der schriftlichen Arbeiten zur Weihnachtszeit bewarb er sich um einen Auftrag beim Justizminister. (2r) Stattdessen wurde ihm eine freie Stelle am Kreisgericht Insterburg angetragen. Trotz seiner Bedenken gegenüber Litauen nahm der die Stelle an. Nach einem Besuch in der "Heimath" ist Krackow seit dem 1. Februar in Insterburg. Weltzien kennt möglicherweise diese Stadt und weiß, dass die vormalige Hauptstraße von Königsberg nach Sankt Petersburg hindurchführt. Die Gegend ist "anmuthig". Hier liegt der Zusammenfluss von Inster und Angerapp zum Pregel, auf dem "eine recht lebhafte Schiffahrt nach Königsberg betrieben wird". Die Flusstäler liegen in einer ebenen Landschaft mit Lehmboden und ausgedehnten Wiesen. Sanft abfallende Täler dienen der Landwirtschaft, scharf abfallende sind teils beforstet. Es gibt sehr angenehme Spazierwege, jedoch "nirgends einen Ruhepunkt oder ein Local" zur Erholung. Dörfer sind selten. Krackow vergleicht die Siedlungsweise der ansässigen Bauern, ein jeder mit seinem Haus inmitten seiner Felder, mit jener der Farmer in Amerika. Bei nahestehenden Gehöften siedelten sich "Arbeits-, sogenannte Losleute" an, darum herum liegen die sogenannte "Ausbauer"-Häuser. Diese Gemeinschaft gilt als Dorf. Es gibt keine Dörfer ("nach unseren Begriffen"), (2v) sondern nur einzeln liegende Höfe. Auch Kirchdörfer umfassen nicht mehr als sechs bis zehn Häuser, zu einem Kirchspiel gehören 30 bis 40 Orte. Die strohgedeckten Häuser sind in der Regel aus Fachwerk und "selten massiv". Auch die Häuser der Gutsbesitzer stehen hinter dem eines "wohlhabende[n] Bauer[n]" zurück. Die Güter werden von den Eigentümern selbst bewirtschaftet. Im Vordergrund steht dabei der "materielle Vortheil". Gärten und Parkanlagen werden zu Klee- und Kartoffelfeldern umgewandelt. Bis Ende April herrscht frostiger Winter. Die Vegetationsperiode bricht im Frühjahr schlagartig aus ("durch Zauberschlag"). Krackow steht der Lebensweise vor Ort distanziert gegenüber. Im Sommer ist man geselliger als im Winter. Im Winter gibt es kein "gemüthliches Zusammensein an irgendeinem öffentlichen Orte bei einem Glase Bier". Grog ist üblich, Bier gilt als ungesund. Vorhandene Gaststätten werden abends nicht besucht. Die Gesellschaft ist allgemein "steif". Krackow (3r) ist mit zwei Freunden nach Insterburg gekommen. Die Hilfsbereitschaft untereinander war existenziell. In Insterburg gibt es ein Appellationsgericht, ein Kreisgericht und die Garnison "von 2 Schwadronen Dragoner". Die Einwohnerzahl beläuft sich auf 8.000. Das von Krackow bisher kommissarisch versehene Amt wurde in ein dauerhaftes umgewandelt. Er entschied sich aus ökonomischen Erwägungen zur Annahme dieser festen Stellung. Aufgrund der hohen Bewerberzahl erachtete Krackow seine Aussichten auf eine entsprechende Stelle in einer größeren Stadt in den westlichen Provinzen als gering. Mit der Dauer der Dienstzeit erwirbt Krackow einen Anspruch auf Versetzung "auf eine bessere Stelle in den gesuchten westlichen Provinzen". Vor fünf Jahren lernte Krackow Weltzien und dessen Familie kennen und wünscht sich ein Wiedersehen. (3v) In den von Juli bis zum 1. September dauernden Gerichtsferien wird Krackow seine Mutter in Erfurt besuchen. Er zieht eine Rückreise über den Rhein in Erwägung, sofern es die politischen Umstände in Baden ("bei Ihnen"), die "kirchlichen Männer", in Preußen ("bei uns") "die schwankende Politik" sowie "weit hinten in der Türkei" die kriegerischen Auseinandersetzungen (= Krimkrieg) zulassen. Krackow ist zum örtlichen "Landwehrregiment, den 3ten", versetzt worden und muss jährlich Ende Mai an einer zweiwöchigen Übung teilnehmen. Krackow grüßt Weltziens Ehefrau und dessen Töchter.

Archivaliensignatur
27072/260
Umfang
3 Blatt

Kontext
27072 Nachlass Karl Weltzien >> 1 Korrespondenzstücke in der alphabetischen Folge der Absender >> 1.80 Krackow, von
Bestand
27072 Nachlass Karl Weltzien

Indexbegriff Person
Weltzien, Karl (*1813, +1870)
Krakow, von
Weltzien (geb. König), Leontine
Weltzien (Tochter des 1813 geborenen Karl Weltzien)
Indexbegriff Ort
Angerapp (Angrapa)/RU
Angrapa (Angerapp)/RU
Berlin/DE
Erfurt/DE
Eisenach/DE
Insterburg (Tschernjachowsk)/RU
Tschernjachowsk (Insterburg)/RU
Königsberg (Kaliningrad)/RU
Kaliningrad (Königsberg)/RU
Sankt Petersburg/RU

Laufzeit
1854 Mai 21, Insterburg (Tschernjachowsk)

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Letzte Aktualisierung
07.03.2025, 09:23 MEZ

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Objekttyp

  • Handschriften

Entstanden

  • 1854 Mai 21, Insterburg (Tschernjachowsk)

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