Bestand

Brandenburgische Landtage (Bestand)

Findmittel: Datenbank; Findbuch, 1 Bd.

Vorbemerkung

Behördengeschichte:

Die Repositur 20 gehört zu den innenpolitischen Überlieferungen des 1604 gegründeten Geheimen Rats. Der Geheime Rat stellte im 17. Jahrhundert die wichtigste zentrale Verwaltungsbehörde im Kurfürstentum Brandenburg dar - zuständig für Kultus, Justiz, Finanzen und Auswärtiges. Die kurfürstlichen Finanzen waren in hohem Grade von den Steuerbewilligungen der Brandenburgischen Landtage abhängig. Die Landtage umfassten drei Kammern: Prälaten, Ritterschaft und Städte.

Die Überlieferung der Kurmärkischen Stände selbst wird heute im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (Potsdam) aufbewahrt (BLHA, Rep. 23). Eine Geschichte der Landstände kann im Online-Findmittel dieses Bestands nachgelesen werden.

Kennzeichnend für den Ablauf der seit dem 13. Jahrhundert greifbaren Landtage waren Beratungen auf Grundlage ständischer Gravamina (Beschwerdekataloge) und landesherrlicher Propositionen (Beschlussvorlagen). Beraten wurde namentlich im 16. Jahrhundert - parallel zum Prozedere der Reichstage - durch die Ausarbeitung von im Wechsel vorgelegten landesherrlichen und ständischen Schriftsätzen, die an die Proposition anschlossen (Duplik, Triplik usw.). Am Ende der Beratungen standen Beschlüsse in Form von Abschieden und Rezessen. Die Steuerbewilligung durch die Landstände bildete den Mittelpunkt der Beratungen. Die Landschaft besaß kein Selbsteinberufungsrecht, sondern trat nur nach landesherrlichem Ausschreiben (Einladung) zusammen.

Die Beratung auf Landtagen war für die Beteiligten mit hohen Kosten verbunden - nicht zuletzt, wenn diese sich in die Länge zogen. Daher begann man schon früh, nach Mitteln zur Kostenminderung und Effizienzsteigerung zu suchen. Bereits im 16. Jahrhundert ging man sukzessive dazu über, in den verschiedenen kurbrandenburgischen Landesteilen (Kreisen) separate Zusammenkünfte abzuhalten; außerdem verhandelten die Landesherren zunehmend nicht mehr mit der Gesamtheit der Landstände, sondern nur noch mit den dazu bestellten Verordneten und Delegierten, die sich für längere Zeit in Berlin-Cölln aufhielten. Langfristig verminderte dies den Einfluss der Stände als Körperschaft; im 18. Jahrhundert wurden sie nicht mehr einberufen.

Zudem war die Brandenburgische Landschaft seit der Entstehung des Ständischen Kreditwerks im 16. Jahrhundert auch eine bankenartige Institution, welche Geldeinlagen von Kreditoren (Gläubigern) verzinste und auch an Dritte Obligationen und Darlehen vergab. Im Zentrum der Wertschöpfung stand jedoch das Eigeninteresse des brandenburgischen Kurstaats.

Mit welchem Personal und mit welchen Verfahrensweisen der Geheime Rat in die landesherrlichen Verhandlungen mit den Landständen eingebunden war, wurden bislang noch nicht eingehend erforscht; nähere Aussagen hierzu sind daher gegenwärtig nicht möglich.

Bestandsgeschichte:

Der heutige Bestand wurde im 17. Jahrhundert von dem kurfürstlichen Archivar Christoph Schönbeck (1601-1662) als Repositur 20 formiert. Sie erhielt den Titel: "Land- und Ausschusstage, item Biergeldes und der Landschaft Sachen, derselben Schuldenwesen, Gravamina, Krüge auf'm Lande, Bier- und Weinschank in den Städten." In die neu formierte Repositur gingen neben der bereits von dem kurfürstlichen Sekretär und Archivar Johann Zernitz (gest. 1639) angelegte älteren Rep. 20 ("Allerlei alte Partikularitäten in Landschaftssachen, jedoch nihil fere solidi vel completi [weder konsistent noch vollständig]") auch Teile der Rep. 21 ("Kurze Delineation der Traktaten mit denen märkischen Ständen diesseits der Oder bei Regierung beider Kurfürsten Joachimi Friderici und Johann Sigismund, unserer gnädigsten Herren") ein. Im Kurmärkischen Hauptbuchs entstand Ende des 17. Jahrhundert eine summarische Verzeichnung, die bis in die Gegenwart hinein als Findbuch diente.

Die Überlieferung der Rep. 21 war seit dem 17. Jahrhundert in einer mit Buchstaben gekennzeichneten (literierten) und einer nummerierten Abteilung aufgestellt. Die literierte Abteilung enthielt in chronologischer Reihenfolge die landesherrliche Überlieferung zu den einzelnen Versammlungen (Tagen) der Kurmärkischen Landschaft. Untergemischt waren Akten, welche (auch) die Verhandlungen der Landesherren mit den Ausschüssen der Landschaft bzw. mit deren Deputierten und Verordneten zwischen den einzelnen Landtagen behandelten. Die nummerierte Abteilung umfasste dagegen Unterlagen zu denjenigen Themen, welche Kurfürst und Landschaft gemeinsam beraten mussten; das betraf vor allem die Erhebung von Grund- und Verbrauchssteuern.

Die Überlieferung beider Abteilungen beginnt im späten 15. Jahrhundert, beinhaltet mithin auch Unterlagen, die älter sind als der Geheime Rat, von den Archivaren aber im 17. Jahrhundert in die Überlieferung des Geheimen Rats eingearbeitet wurden.

In der nummerierten Abteilung wurden zudem Unterlagen des Geheimen Rats aus dem 17. und 18. Jahrhundert abgelegt, die zwar mit jenen Materien zusammenhingen, die mit den Landständen beraten wurden, selbst aber nicht aus diesen Beratungen hervorgegangen sind. So wurden - ausgehend vom Biergeld als vielleicht wichtigster zustimmungspflichtiger Steuer - hier auch zahlreiche Betreffe zu Brauwesen und Krugverlag geführt; darunter auch zahlreiche Dekrete (Weisungsschreiben) an verschiedenste Amts- und Herrschaftsträger im Lande.

Außerdem muss betont werden, dass nicht alle Unterlagen zu den Verhandlungen mit den Ständen in der Rep. 20 abgelegt wurden; teilweise wurden Unterlagen auch ausgehend vom jeweiligen Sachbetreff anderen Reposituren zugeteilt. So befinden sich die landständische Beschwerden gegen das Kurmärkische Konsistorium beispielsweise in der Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten.

Im 19. und 20. Jahrhundert teilt der Bestand I. HA GR, Rep. 20 die Geschicke der übrigen Reposituren des Geheimen Rats. Mit diesen zusammen war sie zunächst im Geheimen Staatsarchiv im Berliner Schloss, dann im Berliner Hohen Haus und schließlich im Dahlemer Archivzweckbau aufgestellt.

Wohl bereits in der Geheimen Registratur der Geheimen Staatskanzlei wurden Teile der Repositur nach Ortschaften zu Faszikeln formiert. Eine erste archivische Bearbeitung erfolgte dagegen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wie zahlreiche neuformierte Akten belegen; nach der Einführung des Provenienzprinzips in den Jahren nach 1881 wurden zudem die nach 1808 entstandenen Akten nahezu vollständig aus der Repositur herausgelöst und gemäß ihrer Provenienz aufgeteilt (vor allem I. HA Rep. 77 Innenministerium). Leider kamen bis 1945 auch einzelne Konvolute abhanden.

Nach kriegsbedingter Auslagerung gelangte der Bestand schließlich ins Zentrale Staatsarchiv der DDR, Abteilung Merseburg. Dort wurde er im Januar und Februar 1992 revidiert, faszikuliert, in Teilen neu verzeichnet und paketiert. Vereinzelt wurden auch Akten neuformiert und das vorhandene Findmittel entsprechend ergänzt. Die Neuverzeichnung 2022 konnte daher auf umfangreichen Vorarbeiten aufsetzen. Dabei wurden die Faszikel durch Verpackung in Jurismappen erstmals durchgehend physisch formiert, Aktentitel gebildet und in eine Klassifikation eingeordnet.

Bei der Erschließung der Überlieferungen zu den Landtagen wurden auf Basis der landesherrlichen Propositionen teilweise Enthält-Vermerke gebildet - und zwar immer dann, wenn die darin enthaltenen landesherrlichen Forderungen - z.B. durch Unterstreichungen oder Nummerierungen - so kenntlich gemacht waren, dass sie leicht übernommen werden konnten. Da dies gerade bei den Akten des 16. Jahrhundert vielfach nicht der Fall war, sollte für einen Überblick auf folgende Auswahledition zurückgegriffen werden:

- Kurmärkische Ständeakten aus der Regierungszeit Kurfürst Joachims II., hrsg. von Walter Friedensburg; Bd. 1: 1535 - 1550; Bd. 2: 1551 - 1571, München [u.a.] 1913-1916.

Für die Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg kann zudem herangezogen werden:

- Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Bd. 10: Ständische Verhandlungen, Bd. 2 (Mark-Brandenburg), hrsg. von Siegfried Isaacsohn, Berlin 1880.

Die Zuordnung zur literierten (Klassifikationsgruppe 01) bzw. nummerierten Abteilung (Klassifikationsgruppen 02 bis 04) wurde überwiegend respektiert. Die ursprüngliche Reihenfolge der einzelnen Faszikel in den aufgelösten Paketen kann aus der Altsignatur abgeleitet werden; wo zuvor noch keine Faszikel gebildet worden waren, wurden zu diesem Zwecke in eckigen Klammern auf dem Stand der derzeitigen Faszikulierung basierende Faszikel-Zählungen ergänzt.

Orts- und Personennamen wurden bei der Neuverzeichnung normalisiert. Die Verzeichnungstiefe entspricht den Kriterien der "einfachen Verzeichnung" gemäß der gültigen Verzeichnungsrichtlinie für Akten im GStA PK.

Formalangaben:

Umfang (in laufenden Metern): 9,8
Gesamtlaufzeit des Bestandes: 1470-1808
Lagerungsort: Westhafen
Die Akten sind auf gelbem Leihscheinen wie folgt zu bestellen: I. HA GR, Rep. 20, Nr. ###
Zitierweise: I. HA Geheimer Rat, Rep. 20 Brandenburgische Landtage, Nr. ###

Berlin, 10.10.2022
Dr. Mathis Leibetseder

Zitierweise: GStA PK, I. HA GR, Rep. 20

Bestandssignatur
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA GR, Rep. 20
Umfang
Umfang: 9,8 lfm (410 VE); 9,8 lfm (410 VE)
Sprache der Unterlagen
deutsch

Kontext
Tektonik >> ZENTRALE VERWALTUNGS- UND JUSTIZBEHÖRDEN BRANDENBURG-PREUSSENS BIS 1808 >> Geheimer Rat >> Territorial-Reposituren >> Verwaltung und Rechtsprechung in der Mark Brandenburg (Kur- und Neumark)

Bestandslaufzeit
Laufzeit: 1470 - 1808

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Letzte Aktualisierung
28.03.2023, 08:52 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • Laufzeit: 1470 - 1808

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