Eine kurze Kulturgeschichte des Regens oder Warum der Regen der Demokratie hilft

23.08.2017 Wiebke Hauschildt (Online-Redaktion)

Eskimos sollen der Legende nach 100 verschiedene Wörter für Schnee haben, je nach Aggregatzustand sollen diese körnigen, feinen, nassen, halbgefrorenen und viele weitere Schneearten beschreiben. Nun möchte man nicht übertreiben, könnte aber nach einem Blick in den deutschen Duden vermuten, dass im Deutschen ähnlich viele unterschiedliche Wörter für Regen existieren: Dauerregen, Starkregen, Platzregen, Sprühregen, Schneeregen, Sommerregen, saurer Regen, Graupelschauer und viele mehr.

Der Sommer 2017 gilt jetzt schon in einigen Regionen Deutschlands als der verregnetste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Überflutungen, Hochwasser, zerstörte Häuser und Straßen sind die Konsequenzen des Dauerregens, der einige Gebiete heimgesucht hat. Unbekannt ist diese Dimension nicht; unvergessen ist die Sturmflutkatastrophe 1962 in Hamburg, ebenso wenig die „Jahrhundertflut“ 2002 in Sachsen und Niedersachsen.

Regen als Kulturphänomen hatte und hat in der Menschheitsgeschichte unterschiedlichste Ausformungen und Einflüsse: Wir möchten an dieser Stelle von hydraulischen Gesellschaften, königlichem Regen, dem Anfang der Meteorologie und zu guter Letzt dem Regenbogen erzählen.

Hydraulische Gesellschaften, königlicher Regen und Galileo Galilei

Dass der Regen eine kritische Rolle bei der Ermöglichung der Demokratie spielt, ist eine eher unbekanntere Dimension des gemeinen Niederschlags. Doch formulierte der deutsche Soziologe Karl August Wittfogel (1896 – 1988) in seinem Buch „Wirtschaft und Gesellschaft Chinas“ von 1931 genau diese Theorie. Er untersuchte unterschiedliche antike Kulturen und Gesellschaften, unter anderem das ägyptische Pharaonentum am mittleren und unteren Nil, das antike chinesische Kaiserreich und seine Zähmung des Huang Hes und das Babylonische Reich und dessen Regulierung des Euphrat und Tigris. „Hydraulische Gesellschaften“ war der Name, den er ihnen gab.

Zentral für die „hydraulischen Gesellschaften“ sind demnach seltene Regenfälle und die damit einhergehende Notwendigkeit der Verteilung und Regulierung von Wasservorkommen.  Diese Gesellschaften hatten hochentwickelte Bewässerungssysteme, einen Staatskult mit einer mächtigen Beamten- und Priesterschaft und zentralisierte Herrschaftsformen oder einen „hydraulischen Despotismus“. Es scheint, als würden „Gesellschaften, die auf künstliche Bewässerungssysteme setzen, … sich seltener zu Demokratien [entwickeln] als solche, deren Landwirtschaft auf natürlichen Niederschlägen basiert“, schreibt Kathrin Passig[1]. Und führt weiter aus: „Denn wer das Bewässerungssystem überwacht, der hat das Land unter Kontrolle. Regen hingegen ist unkontrollierbar. Wo die Felder von allein genug Wasser bekommen, gedeihen zentralistische Systeme schlechter.“

In der westlichen Welt können mit Einschränkungen die Niederlande als Beispiel einer „hydraulischen Gesellschaft“ genannt werden: In ihrem beständigen Kampf gegen den „Blanken Hans“ – ein alter Begriff für die tobende Nordsee bei Sturmfluten – mussten sie ihre Stadtrepubliken effizient vereinigen und streng führen, um ihre Gebiete vor den Fluten schützen zu können.

Ein weiteres Beispiel für Regen, der für eine Herrschaftsform von grundlegender Bedeutung ist, ist der „Fon Iuang“ und sein Verhältnis zur thailändischen Monarchie. Fon Iuang[2] ist die Bezeichnung für den künstlichen Regen in Thailand, der auf eine Initiative von König Bhumibol Adulyadej (1927-2016) zurückgeht und direkt übersetzt „königlicher Regen“ heißt. Der König hatte bei einer Reise in die Nordostregion Thailands im Jahr 1956 festgestellt, dass die dortigen Wolken zwar vorhanden waren, aber nicht abregneten. Er finanzierte ein Projekt, das zum Ziel hatte, eine nicht-giftige Chemikalie zu entwickeln, die die Wolken zum Regnen bringen sollte.  Das Projekt war ein Erfolg und seit 1972 bis heute wird das Mittel in niederschlagsarmen Regionen Thailands eingesetzt. Als „Wettermodifizierung durch königliche Regenerzeugungstechnologie“ ist es seit 2003 in den USA auch als Patent angemeldet. Für viele Thailänder ist der königliche Regen nach wie vor einer der größten Verdienste von König Bhumibol.

Der Beginn der modernen Wetterkunde kann auf um 1600 datiert werden, als Galileo Galilei (1564-1642) das erste Thermometer baute. Denn erst als Geräte entwickelt wurden, um das Wetter zu messen und Vorhersagen treffen zu können, begann man die Entstehung von Wetterphänomenen auch zu verstehen. Das Galileo-Thermometer kennen wir auch heute noch: In einem Glasröhrchen befindliches Quecksilber dehnt sich bei hohen Temperaturen aus und zieht sich bei tiefen zusammen. 1644 dann entwickelte ein Schüler Galileis, Evangelista Torricelli, das Barometer und der französische Philosoph und Physiker Blaise Pascal lieferte etwa zur gleichen Zeit die Erklärung für den Luftdruck. Alle drei zusammen verhalfen so der Meteorologie zu ihren ersten wichtigsten Meilensteinen und ermöglichten deren weitere Entwicklung.[3]

Es meimelt in Münster

Auch wenn man intuitiv vielleicht eher an Hamburg denkt, ist in Deutschland Münster für sein häufig regnerisches Wetter bekannt. Sprichwörtlich sagt man: „In Münster regnet’s, oder es läuten die Glocken, und wenn beides ist, ist Sonntag“.[4] In einem lokalen Münsteraner Dialekt namens „Masematte“ gibt es zudem den Begriff „meimeln“, was einen flüchtigen leichten Dauerregen bezeichnet.

Für das gute Wetter hingegen ist im katholischen Christentum der Heilige Georg verantwortlich, der einer der Vierzehn Nothelfer ist: Vierzehn Heilige, die als Schutzpatrone im Gebet angerufen werden. Zu diesen gehört auch der Heilige Christophorus, der Schutzheilige der Reisenden, bei Unwetter, Gewitter und Hagelstürmen, der Seefahrer, Bus- und Taxifahrer und der Obst- und Gemüsehändler.[5]

In vielen Kulturen spielt zudem der Regenbogen eine besondere Rolle: Im Christentum als zentrale Verheißung Gottes, die Sintflut nicht zu wiederholen. In unterschiedlichen Mythologien ist er die Brücke zwischen der Götter- und der Menschenwelt. Und auch als Fahne wurde und wird er vielfach genutzt: bei den Inkas, während der Bauernkriege, als internationales Symbol für Homosexualität und auch als Symbol der Friedensbewegung mit dem italienischen Wort „Pace“ für Frieden.

[1] „Die hydraulische Internetgesellschaft“, Kathrin Passig, Zeit Online (5. August 2013), http://www.zeit.de/digital/internet/2013-08/social-media-passig-hydraulische-gesellschaft (Zuletzt abgerufen: 02.08.2017)

[2] Fon Iuang, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Fon_luang (Zuletzt abgerufen: 02.08.2017)

[3] Meteorologische Instrumente, https://web.archive.org/web/20041221174416/http://www.schaepp.de/wetter/meteorologie/in.html (Zuletzt abgerufen: 02.08.2017)

[4] Regen – Volkskundliche Aspekte, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Regen#Volkskundliche_Aspekte (Zuletzt abgerufen: 02.08.2017)

[5] Vierzehn Nothelfer, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Vierzehn_Nothelfer (Zuletzt abgerufen: 02.08.2017)

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