Kultur-Hackathon Coding da Vinci: Ein Ende & ein Anfang

Kultur-Hackathon Coding da Vinci: Ein Ende & ein Anfang

12.09.2022

Von Wiebke Hauschildt (Online-Redaktion)

Bei der Abschlusskonferenz am 23. September 2022 findet der Kultur-Hackathon Coding da Vinci sein Ende dort, wo er seinen Anfang nahm – im Jüdischen Museum Berlin, in dem 2014 die allererste Preisverleihung stattfand. Über acht Jahre hinweg haben Kultureinrichtungen und Kreative im Rahmen des Hackathons bundes- und länderübergreifend zueinander gefunden, voneinander gelernt und sind miteinander aktiv geworden, um den Wert digitaler, offener Kulturdaten öffentlich bekannt zu machen. Kleines Fazit vorab: Es ist ihnen auf außergewöhnliche Art und Weise gelungen. 

Impressionen von Coding da Vinci Nord in Hamburg 2016, Fotos: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek (CC BY 4.0 International)
Impressionen von Coding da Vinci Nord in Hamburg 2016, Fotos: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek (CC BY 4.0 International)

Wie alles beginnt: Wenn Hacker*innen auf Behörden treffen

Die ersten Überlegungen zum Format Kultur-Hackathon gab es bereits 2013. Die Beta-Version der Deutschen Digitalen Bibliothek war ein Jahr zuvor online gegangen, gerade war die API der DDB frisch veröffentlicht und in Berlin findet die Konferenz zur digitalen Gesellschaft re:publica statt. Dort trifft die Deutsche Digitale Bibliothek – auf der Suche nach einem Format, um Entwickler*innen für ihre API zu begeistern – auf Wikimedia Deutschland, die Open Knowledge Foundation Deutschland und das Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin, kurz digiS. Die Idee? 

„Uns als die Gründer*innen verband und verbindet eine gemeinsame Vision, nämlich durch den Kultur-Hackathon Coding da Vinci die Kultur- und Technikwelt zu vernetzen und den Wert digitaler, offener Kulturdaten öffentlich bekannt zu machen. Wir wollten den Anstoß geben für einen Kulturwandel innerhalb der Institutionen – sich zu öffnen für neue Interessensgruppen, Zugänglichkeit auch digital stärker zu fördern und mit uns und einer begeisterten Community das Potenzial dieser Schätze für Kultur und Gesellschaft durch ihre Nachnutzung zu ergründen.“ (Anja Müller, digiS)

Die Umsetzung gestaltet sich nicht ganz unproblematisch. Viele Kultur- und Wissenseinrichtungen werden angesprochen, um ihre Daten für eine erste Ausgabe von Coding da Vinci zur Verfügung zu stellen. Stephan Bartholmei, Mit-Gründer des Hackathons auf Seiten der Deutschen Digitalen Bibliothek erhält als Antwort: „Herr Bartholmei, wir sind eine anständige Behörde. Wir arbeiten nicht mit Hackern zusammen!“

Letztlich stellt sich heraus, dass das nicht ganz korrekt ist. Viele Kultureinrichtungen entscheiden sich nicht nur 2014, sondern auch im Laufe der darauffolgenden Jahre für das genaue Gegenteil. Doch was ist das Besondere an diesem Hackathon, das ihn von anderen absetzt? Philippe Genêt, Projektkoordinator Coding da Vinci an der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, sagt im Interview:

„Ein klassischer Hackathon gibt den Teilnehmenden wenig Zeit, um Softwareanwendungen zu entwickeln – in der Regel ein Wochenende. Coding da Vinci hingegen erstreckt sich über sechs bis zehn Wochen. Dieser erweiterte Zeitrahmen schafft den nötigen Raum, in dem sich die Open Data- und Creative Tech-Communitys und die Kulturerbeinstitutionen treffen… . Da sie sich bis dahin oft in verschiedenen Sphären bewegt haben, ist der Faktor Zeit ein wichtiger Brückenbauer.“

Die Gewinner von Coding da Vinci 2017 im Jüdischen Museum Berlin, Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek
Die Gewinner von Coding da Vinci 2017 im Jüdischen Museum Berlin, Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek (CC BY 4.0 International)

Wie es weitergeht: Viele regionale Hackathons

Als „Coding da Vinci Nord“ findet der Kultur-Hackathon 2016 erstmals in Hamburg statt. Die vorherigen Berlin-Ausgaben hatten nämlich die Erkenntnis gebracht, dass alle Beteiligten großen Spaß an diesem Format haben, die Distanzen zwischen Hacker*innen und Kultureinrichtungen bei der bundesweiten Teilnahme für eine längerfristige Zusammenarbeit jedoch zu groß sind. Die Lösung: Regionalisierung. Und so treffen nun Hamburger Museen, Archive und Bibliotheken auf Kreative aus eben dieser Region, um die entstehenden Projekte über das Ende des Hackathons hinaus einfacher weiterführen zu können:

„… schließlich ist auch die Vernetzung ein wichtiger Aspekt, der im Kleinen besser funktioniert als auf bundesweiter Basis: Bei Coding da Vinci treffen … Open Data- und Creative Tech-Communitys auf Kulturinstitutionen aus der Region und daraus können langfristige persönliche und berufliche Kontakte entstehen, die nicht an geografischen Hürden scheitern.“ (Philippe Genêt, Projektkoordinator Geschäftsstelle Coding da Vinci)

Das Format Coding da Vinci etabliert sich. Einmal jährlich findet der Hackathon an unterschiedlichen Standorten statt. Es geht wieder zurück nach Berlin, als „Coding da Vinci Ost“ nach Leipzig und dann als „Coding da Vinci Rhein-Main“ nach Mainz. Und zwischendrin kommt die alles verändernde Nachricht. 

Coding da Vinci Westfalen-Ruhrgebiet 2019: Das Kick-off in Dortmund, Foto: Uwe Grunwald (CC BY 3.0 Deutschland)
Coding da Vinci Westfalen-Ruhrgebiet 2019: Das Kick-off in Dortmund, Foto: Uwe Grunwald (CC BY 3.0 Deutschland)

Was alles noch besser macht: Die Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes

Im Juni 2018 verkündet die Kulturstiftung des Bundes, Coding da Vinci im Rahmen des Programms Kultur Digital von 2019 bis 2022 mit einer Summe von 1,2 Millionen Euro zu fördern. Durch die Förderung wird nicht nur die Geschäftsstelle Coding da Vinci an der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main eingerichtet, die fortan die Hackathons koordiniert, sondern es besteht auch die Chance, die Veranstaltung insgesamt achtmal an bundesweit wechselnden Standorten auszurichten. Weiterhin können Stipendien an Projektteams vergeben werden, um Prototypen weiterzuentwickeln, die während der Hackathons entstehen. 

Die vorerst letzten Präsenzveranstaltungen der Hackathons finden 2019 als „Coding da Vinci Westfalen-Ruhrgebiet“ und „Coding da Vinci Süd“ statt bevor im März 2020 die Corona-Pandemie ein schnelles und gründliches Umdenken bezüglich des Veranstaltungsformats erfordert. Was folgt, sind gleich zwei Premieren: Der erste internationale Kultur-Hackathon für die Großregion „Saar-Lor-Lux“ (Deutschland/Frankreich/Luxemburg) findet im April 2020 ausschließlich digital statt. Die Bereitschaft, schnell etwas Außergewöhnliches auf die Beine zu stellen und Widrigkeiten zu trotzen, erinnert an die Anfangszeit Coding da Vincis. Beispielsweise beim Hackathon 2015, als neun Terabyte Daten der Staatsbibliothek zu Berlin von Gründungsmitglied Stephan Bartholmei eigenhändig (auf Festplatten in Jutebeuteln) zum Veranstaltungsort getragen werden müssen, um rechtzeitig bereitzustehen.

Auch als reines Online-Format wird Coding da Vinci ein Erfolg – es folgen hybride Formate je nach Stand der pandemischen Lage und aktuellen Bestimmungen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, im Rheinland, Baden-Württemberg und erneut in einem Dreiländereck: Coding da Vinci Ost³ vereint Kultureinrichtungen und Kreative aus Deutschland, Tschechien und Polen. 

Dolmetscher*innen sorgen dafür, dass alle Beteiligten ihre Muttersprache sprechen und hören können, Foto: Fotofeinwerk (CC BY-SA 4.0 International)
<p>Dolmetscher*innen sorgen dafür, dass alle Beteiligten ihre Muttersprache sprechen und hören können, Foto: Fotofeinwerk <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/">(CC BY-SA 4.0 International</a>)</p>

Was bleibt: Projekte, Ideen und ein besserer Ort

Waren es 2014 noch 16 Museen, Bibliotheken und Forschungsinstitute, die ihre Daten im allerersten Kultur-Hackathon zur Verfügung stellten, hatte sich die Zahl ein Jahr später bereits verdoppelt. Bei Coding da Vinci Ost³ 2022 waren es unglaubliche 40 Einrichtungen. 
Insgesamt haben über 370 Kultur- und Wissenseinrichtungen in diesen Jahren ihre offenen Kulturdaten zur Verfügung gestellt, über 200 Projekte sind entstanden, über 2.000 Menschen haben als Besucher*- und/oder Teilnehmer*innen die Veranstaltungen besucht. 

Und es gibt so viele Projekte, an die wir uns gerne erinnern, dass sie an dieser Stelle nicht alle aufgezählt werden können. Vom mittlerweile legendären zzZwitscherwecker der ersten Stunde, bei dem auf Basis der Vogelstimmen aus dem Museum für Naturkunde Berlin das Weckgeräusch generiert wird und erst aufhört, wenn man errät, welcher Vogel hier zwitschert bis zur Schmankerl Time Machine, auf Datenbasis der historischen Speisekarten der Monacensia im Hildebrandhaus. Mit der Schmankerl Time Machine kann man sich nicht nur mit einem bestimmten Budget ein historisches Münchener Menü zusammenstellen – zum Beispiel aus Hirnsuppe und Herz am Spieß –, seine Lieblingsrezepte kann man dank einer Verlinkung zur Datenbank von chefkoch.de sogar nachkochen.

Teilnehmer*innen beim Ausprobieren der VR-Anwendung "Skelex" 2017 im Jüdischen Museum Berlin, Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek (CC BY 4.0 International)
<p>Teilnehmer*innen beim Ausprobieren der VR-Anwendung "Skelex" 2017 im Jüdischen Museum Berlin, Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">(CC BY 4.0 International</a>)</p>

Was alles mit offenen Kulturdaten möglich ist, zeigt auch die Berliner MauAR-App: Sie bietet allen Berliner*innen und Besucher*innen der Stadt die Möglichkeit, die Berliner Mauer mittels ihrer Smartphones und Tablets wieder zu erleben. Mit Augmented Reality, GPS-Lokalisierung und Cloud Anbindung lädt die App historische Bilder der Berliner Mauer herunter und positioniert sie im freien Feld dort, wo sie aufgenommen wurden. Die Fotos zeigen, wie die Mauer aussah und wie sie sich über die Zeit veränderte. Bei einem Klick auf die Bilder erscheinen Erklärungstexte des Datengebers Stiftung Berliner Mauer im 3D-Raum und geben weitere Einblicke in die Geschichte Berlins.

Die vergangenen acht Jahre Kultur-Hackathon lassen sodann nur ein Fazit zu: Coding da Vinci macht die Welt zu einem besseren Ort. Warum? 

„Ganz einfach: Coding da Vinci bringt Menschen zusammen, die gemeinsam kreativ werden, die sich mit Kultur und Geschichte befassen und daraus Neues erschaffen – ohne Konkurrenzdruck, ohne wirtschaftliche Hintergedanken, einfach aus Spaß an der Sache. Und ganz nebenbei hilft Coding da Vinci, das kulturelle Erbe in Deutschland ein Stück offener und zugänglicher für alle zu machen.“ (Philippe Genêt, Projektkoordinator Geschäftsstelle Coding da Vinci)

Mit dem Ende der Förderung am 31. Dezember 2022 geht auch Coding da Vinci zu Ende – zumindest so wie wir es bisher kennen. Denn wie auf dem Erreichten aufgebaut werden und die gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Kulturinstitutionen und Zivilgesellschaft in Zukunft gestaltet werden kann, ist schon in Planung. 

Geschäftsstelle Coding da Vinci (v.l.n.r.): Philippe Genêt (Projektkoordinator), Ilias Kyriazis (Datenmanagement & Entwicklung), Andrea Lehr (Projektassistenz), Foto: Stephan Jockel (Deutsche Nationalbibiliothek)
Geschäftsstelle Coding da Vinci (v.l.n.r.): Philippe Genêt (Projektkoordinator), Ilias Kyriazis (Datenmanagement & Entwicklung), Andrea Lehr (Projektassistenz), Foto: Stephan Jockel (Deutsche Nationalbibliothek)

Danke!

Coding da Vinci dankt allen Gründer*innen, allen Mitarbeiter*innen, allen Förder*innen, allen Teilnehmer*innen, allen Möglichmacher*innen, die das Projekt mit ihrem Enthusiasmus, ihrem Engagement und ihrer Arbeit mitgestaltet haben. Danke! 

Weitere Infos unter codingdavinci.de I Coding da Vinci auf Twitter folgen: @codingdavinci

 

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Gefördert im Programm Kultur Digital der Kulturstiftung des Bundes

Gefördert im Programm Kultur Digital der Kulturstiftung des Bundes.

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

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Coding da Vinci – Der Kultur-Hackathon wird von der Kulturstiftung des Bundes gefördert als gemeinsames Projekt der Deutschen Digitalen Bibliothek, dem Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS), der Open Knowledge Foundation Deutschland und Wikimedia Deutschland

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