Es begann mit Spott, Beleidigungen und geworfenem Müll, als der Engländer Jonas Hanway in den frühen 1750ern von einer Frankreichreise zurückkehrte und im verregneten London mit seinem Regenschirm spazieren ging. Seine Mitbürger waren fassungslos, ja geradezu schockiert von seinem Gebaren. Hanway ließ sich von den Reaktionen seiner Zeitgenossen wenig beeindrucken. Ohne sich auch nur im Geringsten dafür zu schämen, trug er seinen Regenschirm durch London und blieb im Gegensatz zu allen anderen von den ungünstigen meteorologischen Bedingungen verschont.
Im England des 18. Jahrhunderts war das Tragen von Regenschirmen Tabu – speziell bei Männern stand es für Schwäche, Verweiblichung und – und das war vielleicht der wichtigste Grund – für Frankreich.
Die Geschichte des Regenschirms und seiner sozialen Konsequenzen
Der Regenschirm in Europa
Die Franzosen hatten den Regenschirm schon Anfang des 18. Jahrhunderts für sich entdeckt. Inspiriert vom Sonnenschirm, eine fernöstliche Erfindung, der die noble Blässe schon seit Jahrhunderten vor der Sonne schützte, erfand der Pariser Kaufmann Jean Marius eine leichtere und zusammenklappbare Version, die er mit wasserabweisendem Material ausstattete. Als die französische Prinzessin Palatine im Jahr 1712 einen dieser Regenschirme erwarb, wurde er schnell zum modisch notwendigen Accessoire für Frauen im ganzen Land.
Die erste Erwähnung eines Schirms zum Schutz gegen Regen in Europa geschah jedoch bedeutend früher. Im Jahr 800 schickt Abt Alcuin von Tours dem Bischof Arno von Salzburg ein Exemplar: „Ich sende dir ein Schutzdach, damit es von deinem verehrungswürdigen Haupte den Regen abhalte.“ Der Sonnenschirm hingegen ist bereits auf alten Darstellungen in China von vor 4000 Jahren zu sehen. Sie waren Jahrtausende lang Herrschaftssymbol von Kaisern, Königen, Shahs und Pharaonen und wurden aus Bambus und Ölpapier gefertigt. Heutige Modelle bedienen sich hingegen imprägnierter Baumwolle, Kunststoff oder Nylon, zusammengehalten durch ein Stahlgestänge.
Durch Handelsreisende kommt der Schirm über Persien nach Griechenland und Italien und schließlich nach ganz Europa. Die ersten Ausführungen sind jedoch sperrig und schwer und wie Lukas Weber von der FAZ schreibt, hatte man „zu dieser Zeit die Hände gern für Streitigkeiten frei“, weshalb der Schirm bis ins späte Mittelalter aus der Mode geriet. Im 16. Jahrhundert findet man ihn im Mittelmeerraum wieder, ab dem frühen 18. Jahrhundert dann auch als klappbare Version. Diese Schirme hatten noch Gestelle aus Holzstäben und Fischbein und wogen etwa fünf Kilo – ein vielfaches mehr als unsere heutigen Modelle.
Der Bergassessor und der Knirps
Hans Haupt, Bergassessor a.D. aus Breslau, ließ sich 1934 ein Regenschirmmodell patentieren, welches zusammenfaltbar war und möglichst wenig Raum bei Nichtverwendung einnahm: Er nannte es Knirps. Dieser kleine Regenschirm, von Haupt schon 1928 erfunden, war der Erste seines Zeichens mit einem Teleskop-Gestell. Wie Herr Haupt auf die Idee kam? Aufgrund einer alten Beinverletzung aus dem Ersten Weltkrieg störte es ihn beträchtlich neben dem Gehstock auch noch zusätzlich einen langen starren Regenschirm mit sich tragen zu müssen.
Die Erfindung sollte die Regenschirmbranche revolutionieren: Das Unternehmen Bremshey & Co. aus Solingen übernahm die Serienherstellung und die stetig steigenden Verkaufszahlen gaben dem Erfolgsinstinkt des Unternehmens recht.
Das Erbe von Jonas Hanway
Hanway war ein sturer Mann und wollte von sozialen Stigmata wenig wissen, also trug er, wie eingangs erwähnt, seinen Regenschirm. Die stärksten Angriffe, denen er sich ausgesetzt sah, kamen jedoch aus einer unerwarteten Richtung: von den Pferdekutschenfahrern, die Angst vor Geschäftsverlusten hatten, sollte der Regenschirm sich durchsetzen. Im England jener Zeit waren sie das häufigste Transportmittel und die Geschäfte liefen speziell an Regentagen gut, da die Kutschen überdacht waren. Die Fahrer sahen Hanway als Bedrohung für ihre Geschäfte und wurden teilweise ihm gegenüber sogar gewalttätig. Sie bewarfen ihn mit Müll und es gab wohl auch einen Versuch ihn zu überfahren. Diesen wehrte Hanway ab, indem er den Fahrer mit seinem Schirm verdrosch, schreibt das britische Geschichtsmagazin „Look and Learn“.
Doch Jonas Hanway als Regenschirmpionier sollte Recht behalten: Immer mehr Engländer nutzten den Regenschirm und drei Monate nach Hanways Tod erschien – sehr zum Unmut der Londoner Kutscher – sogar eine entsprechende Werbeanzeige in der London Gazette. An anderer Stelle irrte sich der Schirmtrendsetter allerdings: In seinem Aufsatz „Essay Upon Tea and Its Pernicious Consequences“ (1756) sprach er sich vehement gegen den Tee-Import nach England aus. Nun, sowohl der Regenschirm als auch der Tee waren ins Empire gekommen, um zu bleiben.