Berge, Gasthöfe, Meer: In die Sommerfrische mit der Deutschen Digitalen Bibliothek

06.10.2021 Theresa Rodewald (Online-Redaktion)

Sommerzeit ist Urlaubs-, Reise- und Ausflugszeit. Für die Deutsche Digitale Bibliothek Anlass genug zu einem virtuellen Ausflug einzuladen, der unabhängig von Urlaubstagen oder Witterungsbedingungen genossen werden kann.

Bevor wir uns auf unseren Ausflug begeben, sei kurz erwähnt, dass Spazieren, Flanieren und Wandern erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zur beliebten Freizeitbeschäftigung wird. Zuvor genießen vor allem Angehörige des Adels das Privileg, in ihren Barocken Lustgärten umherzuwandeln. Den Spaziergang als Statussymbol, mit dem Zweck zu sehen und gesehen zu werden, praktiziert aber auch das wohlhabende Bürgertum – bekanntermaßen etwa im London des 19. Jahrhunderts. Ausgerüstet mit dem Wissen, dass das Spazieren um des Spazierens willen historisch gesehen also ein relativ junges Vergnügen ist, machen wir uns an die Vorbereitungen für unseren Ausflug.

Grundlagen des Ausflugs Teil 1: Gute Gesellschaft

Ob ein traditioneller Sonntagsspaziergang mit der Familie, eine Wandertour mit Freunden, eine Klettertour mit unserem Kletterverein, oder ein Betriebsausflug – in guter Gesellschaft lassen sich hohe Berge leichter überwinden, und die Strecke fühlt sich gleich viel kürzer an. Natürlich hat es auch etwas für sich, allein durch eine Stadt zu flanieren oder einsam am Meer entlang zu spazieren. Je nach Stimmung und Strecke wählen wir also unsere Ausflugsgenoss*innen und haben den ersten Teil der Vorbereitungen damit bereits abgeschlossen.

Grundlagen des Ausflugs Teil 2: Routen und Wege

Gemeinsam oder allein suchen wir uns nun ein spannendes Ausflugsziel – wie wäre es zum Beispiel mit einem schönen Schloss? –  oder eine schöne Spazierroute aus. Hier helfen Spazier- und Wanderführer weiter: Ob ein „reizender und bequemer Tagesausflug von Hamburg“ (besonders geeignet für Vereine, Touristen und Sommerfrischler), „kleinere Ausflüge“ in das Sächsische Erzgebirge um Chemnitz (inklusive Empfehlungen für Rast- und Erholungsplätze) oder ein Ausflug auf den Schauinsland im Schwarzwald mit eindrucksvoller Bebilderung –  für alle ist etwas dabei.

Schon das Lesen der Wegbeschreibungen lädt mental zum Wandern ein und nimmt uns mit auf eine Zeitreise ins letzte oder sogar vorletzte Jahrhundert. In „Ein Ausflug auf den Schauinsland“ schreibt ein Otto Eisengrein 1882: „Es war eine beschwerliche Wanderung, denn: von den gutangelegten Wegen, wie sie heutzutage vorhanden, von den einladenden Ruhebänken, von einem Rasthause, das den müden Wanderer aufnehmen und ihm Labung mit Speise und Trank bieten sollte, war damals noch kaum eine Spur zu finden.“

Die alten Wanderführer enthalten außerdem einiges an interessanten und unterhaltsamen Informationen. Aus dem Vorwort der „Wanderungen durch die Lüneburger Heide zum Wilseder Berg“ von 1899 erfahren wir zum Beispiel folgendes über die Lüneburger Heide: „Noch vor wenigen Jahrzehnten als ‚Einöde‘ verschrieen, wird sie als solche nun hoch gepriesen. Allgemein wird anerkannt, dass sie in ihrer ernsten Eigenart, ja Eintönigkeit, sich selbst dem viel gepriesenen Hochgebirge an die Seite stellen kann.“ In der Tat ist die Lüneburger Heide erst seit der Romantik ein beliebter Gegenstand von Landschaftsmalerei und Poesie.

Die fortschreitende Industrialisierung schafft nicht nur einen Kontrast zwischen den Großstädten und der wilden Natur der Heide, sondern ist auch eine Bedrohung für die Landschaft. Im Wanderführer klingen Sorgen um die Zukunft der Lüneburger Heide an: „leider bedingt die Entwicklung der Kultur […], dass in wenigen Menschenaltern, Feld, Wald und Wiese an Stelle von Heide und Moor getreten sein werden. Späteren Geschlechtern wird vielleicht nur noch ein ‚Naturpark‘ zur Anschauung bringen, was die Lüneburger Heide einst ihren Vätern bedeutete.“ Tatsächlich ist die Lüneburger Heide heute ein Naturschutzpark – der Wanderführer wirft hier also sowohl einen Blick in die Vergangenheit als auch in die Zukunft.

Grundlagen des Ausflugs Teil 3: Transport

Sobald wir uns ein Ziel und eine Route ausgesucht haben, ist es Zeit, uns um die Anreise zu kümmern. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Wir können einfach zu Fuß von unserer Unterkunft aus loslaufen, eine Radwanderung oder Kutschfahrt unternehmen, mit dem Auto fahren oder in den Zug steigen.

Würden wir uns im Hamburg des Jahres 1932 befinden, könnten wir eine „Ausflugsrückfahrkarte“ lösen – zum Beispiel für den Zug 786 der uns nach Lüneburg bringt, wo wir die „ernste Eigenart“ der Heide auf uns wirken lassen können. Alternativ machen wir von einer sogenannten „Sonntagsrückfahrkarte“ Gebrauch, die es ermöglicht, besonders günstig einen ganzen Wochenendausflug zu bestreiten. Ein Ausflug muss natürlich nicht zwangsläufig zu Fuß oder mit dem Fahrrad unternommen werden, eine Ausflugsfahrt auf einem Dampfer ist ebenso wie eine Bustour zu empfehlen.

Grundlagen des Ausflugs Teil 4: Rasten

Teil eines gelungenen Ausflugs ist natürlich die Einkehr in ein Ausflugslokal. Ob ein Café inklusive Gondelteich, der Gasthof einer Brauerei oder eine Terrasse mit atemberaubender Aussicht – Hauptsache ist, dass wir kurz verweilen und uns stärken können.

In Pandemie-Zeiten ist Abstand natürlich besonders wichtig. Ein interessantes Hygienekonzept aus Zeiten der Großen Pest (zwischen 1346 und 1353) lässt sich auch heute noch in Florenz bestaunen. Um Kontakt zu beschränken und das Ansteckungsrisiko zu minimieren, wird Wein währen der Pest durch sogenannte buchette del vino, „Weinfenster“ oder „Weinlöcher“, ausgeschenkt. Dabei handelt es sich um kleine Öffnungen in der Wand eines Gasthauses, durch die ein Weinglas heraus- und Geldmünzen relativ kontaktarm hineingereicht werden.

Befinden wir uns in Franken oder Oberbayern, können wir in einen Biergarten einkehren und dort unseren mitgebrachten Proviant verzehren. Dies ist gewissermaßen Überbleibsel eines Schlichtungsversuchs von König Maximilian I. Denn Ende des 19. Jahrhunderts beginnen Münchner Brauereibesitzer, in den Sommermonaten Bier direkt vor den Bierkellern auszuschenken. Damit machen sie den Gasthäusern Konkurrenz, weshalb der Bayerische König 1812 verfügt, dass in Biergärten keine Speisen außer Brot verkauft werden dürfen.

Wer nicht einkehren will, kann vorsorglich Proviant mitbringen und an einem pittoresken Aussichtspunkt picknicken. Befinden wir uns in der Lüneburger Heide, haben wir vielleicht das Glück dem Zwitschern eines Baumpiepers oder eines Gelbspötters lauschen zu dürfen.  Autofahrer*innen sei statt Picknickkorb ein „Auto-Imbiss“ ans Herz gelegt: 1961 vom Unternehmen Alfi auf den Markt gebracht, enthält das Set zwei Thermoskannen, ein Kühlfach, vier Vesperbrettchen, Messer, Löffel und einen Flaschenöffner. Alles also, was das Picknick-Herz begehrt. Dank seiner praktischen Bügel lässt sich der „Auto-Imbiss“ ganz einfach am Autositz befestigen.

Grundlagen des Ausflugs Teil 5: Berichten

Teil eines gelungenen Ausflugs ist natürlich der Beweis, dass er stattgefunden hat. Dass wir einen Berg erklommen, einen Wald durchwandert, oder einfach ein paar schöne Stunden in der Natur verbracht haben, können wir zuerst fotografisch verewigen. Die Landschaft lässt sich zwar auch wunderbar ohne Fotomodelle festhalten – Bekannte, Verwandte und die Nachwelt freuen sich aber  oftmals besonders, wenn die Ausflugsgäste auf den Erinnerungsfotos in Szene gesetzt werden.

Um direkt von unseren Abenteuern oder erholsamen Spaziergängen zu berichten, können wir Bilder und Ausflugsgrüße natürlich per Handy direkt an Freunde und Familie schicken. Als analoge Alternative empfiehlt sich aber nach wie vor die Ansichtskarte. Ab 1871 verkauft die Reichspost in Deutschland offiziell Ansichtskarten, und schon ein Jahr später dürfen auch private Hersteller ihre eigenen Motive verbreiten. Ende der 1880er-Jahre gibt es einen regelrechten Ansichtskarten-Boom. Immer mehr Leute verreisen oder unternehmen Ausflüge, und fester Bestandteil eines Ausflugs ist Ende des 19. Jahrhunderts das Schreiben von Postkarten. An manchen Aussichtspunkten oder Ausflugslokalen gibt es sogar Automaten, die nach Münzeinwurf eine Ansichtskarte ausgeben.

Mit der Ansichtskarte berichten wir zum Beispiel unserem „lieben Schatz“ (siehe oben) von unseren Unternehmungen. Je nach Art des Ausflugs könnte es aber auch angemessen sein, eher förmlich von unseren Erlebnissen zu berichten, so wie die Pensionats-Kinder, die nach einem Tag in Heidelberg eine Postkarte an die Großherzogin von Baden schicken und ihre „untertänigsten Grüße senden“.

Nachdem wir die Rückreise angetreten haben und wieder zuhause angekommen sind, möchten wir unsere Erlebnisse vielleicht noch einmal in Form eines Wander- oder Reiseberichts festhalten. Reiseberichte können übrigens auch fiktional sein – wie wäre es also, wenn Sie sich selbst auf einen Ausflug durch die Deutsche Digitale Bibliothek begeben und Ihre Abenteuer festhalten?

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