Bestand

[S 1] 10 Schützengesellschaft Lemgo (Bestand)

Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben: Geschichte und Überlieferung

Die Schützengesellschaft wurde am 23.06.1575 durch den Lemgoer Bürgermeister und beide Räte der Stadt gegründet (Urkunde liegt im vereinseigenen Archiv). Die Gesellschaft bestand zunächst aus 134 Schützen und besaß 2 Alterleute und 4 Schaffer (vgl. Festschrift in V9/10). Am 13. Juli (Margaretentage) jeden Jahres wurde auf einem Platz "vor der Niggen Porten" das traditionelle Vogelschießen abgehalten. Die erste Schützenordnung datiert auf den 04. 01.1577. Graf Simon VI. zur Lippe verlieh der Schützengesellschaft am 22.07.1600 ein Privileg (auch diese Urkunde liegt im vereinseigenen Archiv).

Stark beteiligt war die Schützengesellschaft an der "Lemgoer Revolte" im Religionskonflikt von 1605 bis 1617. Graf Simon VI. wollte Lemgo vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis führen. Die Bürger verweigerten den Gehorsam und die Schützen postierten nach einer Eskalation des Konflikts 1609 sogar Kanonen auf der Kramerbastei in Richtung Braker Schloss und konnten den Landesherren nach einem Prozess vor dem Reichskammergericht Speyer schließlich zum Nachgeben zwingen ("Röhrentruper Rezess"). Lemgo blieb lutherisch, während das übrige Lipperland den Glauben des Landesherrn annehmen musste.

Auf Anordnung des Rates hielten die Schützen wöchentliche Schießübungen ab, um bei der Feindesabwehr behilflich sein konnte. Die Schützengesellschaft wurde z.B. unter Graf Simon VII. während des 30-jährigen Krieges zur Besetung und Verteidigung einer Brücke in Schieder genutzt. Im Jahre 1733 zählte die Schützengesellschaft 7 Offiziere, 14 Rottmeister und 248 Schützen. Die Offiziere waren auch gleichzeitig Mitglieder der Stadtvertretung (vgl. Festschrift in V9/10). Das erste Schützenhaus wurde im Jahr 1734 gebaut. 1747 bildete sich eine Junggesellen-Schützen-Kompanie, die eigene Statuten entwickelte und in der Folge auch eigene Schützenfeste veranstalte.

Am 15.07.1836 kam es zur Gründung der Freischießen-Gesellschaft mit der Einrichtung eines Bataillons mit 14 Offizieren. Fürst Leopold II. stiftete 1834 eine Fahne, während das Bataillon 1838 eine eigene Bataillonsfahne anschaffte. Im Jahre 1847 wurde das Schützenhaus abgebrochen und an derselben Stelle wiederaufgebaut. 1848 wurde eine Bürgerwehr eingerichtet und die frühere Schützenkompanie in ein Bürgerwehrbataillon umgewandelt. Im Jahre 1850 wurde diese wieder aufgelöst, das Schützen- bzw. Freischießenbataillon bestand aber auf freiwilliger Basis weiter. Zur selben Zeit vereinigten sich die Schützengesellschaft und die Junggesellen-Schützen-Kompanie wieder.

1885 erhielt die Schützengesellschaft den Status eines eingetragenen Vereins, wobei sich die Freischießen-Gesellschaft der Schützengesellschaft anschloss. Im Jahre 1888 wurde an der Leopoldstraße eine Schützenhalle gebaut und es kam zur Anlegung eines neuen Scheibenstandes sowie eines Musikpavillons.

Im Jahr 1925 wurde mit einem großen Festprogramm das 350-jährige Jubiläum der Schützengesellschaft gefeiert. Unter anderem zog ein Festzug mit 23 Wagen, Reiter- und Fußgruppen durch die Stadt, der wichtige Stationen der Lemgoer Geschichte darstellte. Sogar vier der Lemgoer Stadttore wurden nachgebaut. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Schützengesellschaft über 800 Mitglieder. Am 28.05.1927 wurde das neue Schützenhaus eingeweiht, dessen Bau im Jahre 1925 begonnen worden war.

Im Juli 1933 wurde ein "Schützenfest der nationalen Erhebung" gefeiert und in der Folge verschwanden nach und nach die jüdischen Schützen aus der Schützengesellschaft (bereits im April 1933 hatte Hilmar Kabaker sein Vorstandsamt niedergelegt). Von Hanne und Klaus Pohlmann wird der Schützengesellschaft ein "identitätsstiftende[r] Charakter" (Hanne und Klaus Pohlmann: Kontinuität und Bruch) für den Nationalsozialismus bescheinigt. Auf jeden Fall verkamen die Schützenfeste durch viele Hakenkreuzfahnen zu Propagandaveranstaltungen.

Nach 1945 bemühte sich vor allem Wilhelm Noah um die Neuzulassung der Schützengesellschaft durch die Militärbehörde und um die erfolgreiche Neugründung im Jahre 1949. Noch in diesem Jahr zählte die Schützengesellschaft wieder über 500 Mitglieder. Schon ab 1950 wurden wieder Schützenfeste gefeiert. Wilhelm Siekmann regte 1956 eine Satzungsänderung an, um die Verantwortung breiter zu verteilen. Vorher war der Vorsitzende gleichzeitig rechtlicher Vertreter, Vereinsführer und Repräsentant der Schützengesellschaft gewesen. Ab diesem Zeitpunkt waren der Oberst und das Offizierskorps für die Repräsentation (u.a. Organisation der Veranstaltungen) und der Vorsitzende des Verwaltungsrates für die rechtliche Vertretung zuständig.

Im Jahre 1975 wurde das 400-jährige Jubiläum der Schützengesellschaft gefeiert. Auch zu diesem Anlass wurden die alten Stadttore wieder aufgebaut. 1976 kam es zu einem Großbrand, der das Schützenhaus komplett zerstörte. Für die Schützengesellschaft war der Brand allerdings die Rettung. Durch die Versicherungssumme konnten sie ihre, in den Jahren zuvor aufgehäuften, Schulden bezahlen. In den Jahren 1980 bis 1982 wurde von der restlichen Versicherungssumme ein neues, kleineres Schützenhaus gebaut, das bis heute genutzt wird.

Der Bestand setzt sich aus mehreren Provenienzen zusammen. Die Verzeichnungseinheit über die 400-Jahrfeier der Schützengesellschaft (V9/8) wurde von Dr. Herbert Hitzemann im Jahre 1985 an das Archiv übergeben (Zugangsnr.: 1985/047). Die beiden Postkarten zur 400-Jahrfeier (V9/15) kamen mit dem Nachlass Fritz Waldeyer (NL 54) ins Stadtarchiv (Zugangsnr.: 1997/015). Die Kopien der Abschrift der Schützenordnung der Stadt Lemgo (V9/12) wurden dem Archiv im Jahre 2008 von Ulrich Biesterfeld aus Stadthagen übereignet (Zugangsnr.: 1985/047). Die Festschrift zur 350-jährigen Jubelfeier der Lemgoer Schützengesellschaft (V9/10) kam durch eine Abgabe von Ilse Schwarz aus Bad Rothenfelde ins Stadtarchiv (Zugangsnr.: 2010/052). Die restlichen Verzeichnungseinheiten können nicht genau zurückverfolgt werden, es wird sich aber wahrscheinlich um eine Abgabe aus den Reihen der Schützengesellschaft selbst handeln.


Inhalt

Der eine Teil des Bestandes umfasst die handschriftlichen Protokolle der Vorstands- und Verwaltungsratssitzungen (1884 - 1908, 1929 - 1943, 1949 - 1959), Planung sowie Organisation der 400-Jahrfeier 1975, Zeitungsausschnitte und die Festordnung für das Freischießen in Lemgo 1902 sowie Mitgliederlisten und Pläne der durch die Schützengesellschaft wieder aufgerichteten Stadttore anlässlich der 400-Jahrfeier. Der andere Teil umfasst die Exzerpte, Transkriptionen und Manuskripte/Typoskripte Karl Ottemeyers zur Geschichte der Lemgoer Freischießen-Gesellschaft (um 1925).
Der Bestand umfasst den Zeitraum von 1857 bis 2014.

Verweise

Im Dachgeschoß Süsterhaus (Grüner Planschrank, Schublade Urkunden) befindet sich noch eine Ehrenmitgliedschaftsurkunde des Vorstandes der Freischießen-Gesellschaft für Oberst Schnelle 1857 [schlechter Erhaltungszustand].

Im Stadtarchiv befinden sich unter den Lagernummern A 5755 bis A 5770 auch städtische Akten in Verbindung zur Schützengesellschaft.

Im Bestand Z 9000 (Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätze Bürgerschule II) liegt unter der Signatur Z 2072 eine Zeitungsausschnittsammlung zur Geschichte der Lemgoer Schützengesellschaft.

Bei der Lemgoer Schützengesellschaft von 1575 e. V. existiert auch noch ein eigenes Schützen-Archiv.


Literatur

Birgit Potthoff-Edler und Thorsten Schneider: "Schützen im neuen Staat". Die Schützenfeste in Blomberg, Lemgo und Bielefeld 1993, In: Werner Freitag (Hg.): Das Dritte Reich im Fest. Führermythos, Feierlaune und Verweigerung in Westfalen 1933-1945, Bielefeld 1997, S. 99-105 (Bibliothekssignatur: 4214).

Hanne und Klaus Pohlmann: Kontinuität und Bruch. Nationalsozialismus und die Kleinstadt Lemgo, Forum Lemgo, Heft 5 (1990) (Bibliothekssignatur: 9259/5).

Herbert Hitzemann und Günther Frevert: Chronik der Lemgoer Schützengesellschaft von 1575 e.V., Lemgo 1992 (Bibliothekssignatur.: 6893).

Lemgoer Schützengesellschaft von 1575 e. V.: Festschrift zur 350-jährigen Jubelfeier der Lemgoer Schützengesellschaft 21. - 23. Juni 1925, Lemgo 1925 (V9/10).

Lemgoer Schützengesellschaft von 1575 e. V.: Festschrift zur 375-jährigen Jubelfeier, Lemgo 1950 (Bibliothekssignatur: 931).

Lemgoer Schützengesellschaft von 1575 e. V.: 400 Jahre Lemgoer Schützengesellschaft 1575-1975, Lemgo 1975 (Bibliothekssignatur: 1013).

Wilhelm Wolff: Geschichte der Schützengemeinschaft Brake e.V., Lemgo 1985 (Bibliothekssignatur: 2232).

Hartl, Mai 2014.

Reference number of holding
10 V 09

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