Bestand
B Rep. 214 Bezirksverwaltung Neukölln (Bestand)
Vorwort: BESTANDSINFORMATION
A. Behördengeschichte
Der südöstliche Berliner Bezirk Neukölln ist 1920 bei der Bildung Gross-Berlins als 14. Verwaltungsbezirk aus der Stadt Neukölln (bis 1912 Rixdorf) und den Dörfern Britz, Buckow und Rudow gebildet worden. Mit einer Fläche von 44,9 qkm gehört Neukölln heute, ebenso wie seine angrenzenden Bezirke Tempelhof und Treptow zu den mittelgroßen Bezirken der Stadt. Mit 315 000 Einwohnern ist er der bevölkerungs-reichste Stadtteil Berlins.
Die Geschichte Neuköllns begann mit der ersten urkundlichen Erwähnung von Richardsdorf am 26. Juni 1360, in welcher der dem Johanniterorden gehörende Hof Richardsdorp in ein Dorf umgewandelt wurde. Die Johanniter verkauften im Jahr 1435 ihren gesamten Besitz an die Städte Cölln und Berlin, wodurch Richardsdorf (Riegerstorpp, Riechßdorff oder Riecksdorf) unter die Kämmereiverwaltung beider Städte gelangte.
1543 ging Richardsdorf, nachdem es ständiger Zankapfel zwischen Cölln und Berlin gewesen ist, in den alleinigen Besitz von Cölln über. Durch die Vereinigung von Cölln und Berlin im Jahr 1709 wurde Richardsdorf nun ein Kämmereidorf Berlins. Friedrich Wilhelm I. stellte 1737 das von ihm erworbene Rixdorfer Schulzendorf böhmischen Familien, die wegen ihres evangelischen Glaubens verfolgt wurden, kostenlos zur Verfügung – die Geburtsstunde des Böhmischen Dorfes. <1>
Amtlich wurde der Name Rixdorf erst 1797 eingeführt und das alte Richardsdorf hieß nun Deutsch-Rixdorf im Unterschied zu Böhmisch-Rixdorf. <2> Beide Dörfer bildeten keine gemeinsame Gemeinde, sondern unterstanden getrennten Verwaltungen. Die Gemeindeverwaltung Deutsch-Rixdorf stand unter Aufsicht des Berliner Magistrats, die nach Einführung der Städteordnung (1808) der Forst- und Ökonomie-Deputation des Magistrats übertragen wurde. Die Kommunalaufsicht über Böhmisch-Rixdorf führte das Rentamt Mühlenhof. Die wenigen Verwaltungsaufgaben wurden von einem Schulzen übernommen. <3>
Die Vereinigung von Deutsch- und Böhmisch-Rixdorf erfolgte, nachdem verschiedene Streitereien um Steuerzahlungen und Ländereien vorausgegangen waren, am 1. Januar 1874 durch einen königlichen Erlass. An der Spitze der Ortsverwaltung standen jetzt der Gemeindevorsteher und zwei Schöffen und gemäß der Landgemeindeverfassung von 1856 eine aus 9 Mitgliedern gebildete, von der Gemeinde gewählte Gemeindevertretung. Der erste Ortsvorsteher Karl Wilhelm Hermann Boddin übernahm am 4. Februar 1874 sein Amt und begann damit eine glanzvolle Karriere vom Ortsvorsteher einer Landgemeinde bis zum Oberbürgermeister einer Großstadt. <4>
Die Einwohnerzahl war von 8000 im Jahr 1871 bis zur Jahrhundertwende auf inzwischen über 80 000 angestiegen. Am 1. April 1899 erhielt Rixdorf als zweite Vorortgemeinde nach Schöneberg das Stadtrecht und bezahlte dem Kreis Teltow, aus dem es ausschied, dafür eine Million Mark an Abfindung. Im Jahr 1902 war die Einwohnerzahl von 100 000 überschritten und Rixdorf damit in die Reihe der Großstädte eingetreten; 1903 erhielt es mit Genehmigung Wilhelm II. ein eigenes Wappen. <5>
Die zahlreich Hinzugezogenen wollten in den Berliner Fabriken ihr Geld einfacher als auf dem Land verdienen. Die neuen Arbeitskräfte zogen nach Rixdorf, weil Berlin nicht genügend Wohnraum bot und außerdem Bürgergeld erhob. Die Wohnungsnot spitzte sich zu und gewinnsüchtige Spekulanten errichteten in den achtzigern und neunzigern Jahren zahlreiche Mietskasernen für die Arbeiter. Rixdorf wurde zur Schlafstube der Berliner Arbeiter. Das Jahreseinkommen von 63 % der Steuerzahler lag 1895 unter 900 Mark, das heißt unter der Grenze der Steuerpflicht und Rixdorf gelang es nicht, wohlhabendere Bevölkerungsschichten ansässig zu machen, um die Steuerzahlungen zu erhöhen. Daher gab es bereits seit der Jahrhundertwende Bestrebungen, das städtische Ansehen zu erhöhen und den als anstößig empfundenen Namen Rixdorf zu verändern. Die Stadtverordneten beschlossen am 18. Januar 1912 mit großer Mehrheit die Annahme des Namens Neukölln. <6> Für die Wahl des Namens waren historische Gesichtspunkte maßgebend, es sollten darin die vielfachen Beziehungen der alten Berliner Schwesterstadt Cölln zu dem Rixdorfer Gemeindegebiet festgehalten werden. <7>
Mit dem Gesetz über die Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin vom 1. Oktober 1920 wurde aus der Stadtgemeinde Neukölln, den Landgemeinden Britz, Rudow und dem Großteil der Gemarkung Buckow der 14. von insgesamt 20 Verwaltungsbezirken Berlins. Mit den Wahlen zur Bezirksversammlung am 16. Oktober 1920 verteilten sich die Bezirksverordneten wie folgt: SPD 17, USPD 14, KPD 9, DNVP 7, DVP 6, DDP 3 und Zentrum 2 Sitze. Das neue Bezirksamt übernahm am 7. April 1921 die Geschäfte vom alten städtischen Magistrat.
In den zwanziger Jahren folgten weitere Bautätigkeiten u.a. die auf dem Gelände des Rittergutes Britz angelegte Hufeisensiedlung von Wagner und Taut. Außerdem eine Freilichtbühne, Sportplätze und Jugendheime, die städtische Baumschule, ein Volkspark und das Freibad an der Grenzallee sowie Erholungs- und Restaurationsgärten. Soziale Einrichtungen im Bereich der Jugendfürsorge und Gesundheitswesen wurden besonders gefördert.
Durch die Ansiedlung bekannter Firmen wie beispielsweise die nationale Registrierkassen GmbH, die Efha-Werke, die Deutsche Eternit AG und das damals größte Warenhaus Europas, Karstadt am Hermannplatz, verbesserte sich die Arbeitsmarktsituation. Trotzdem behielt Neukölln auch weiter eine hohe Arbeitslosenrate, die nach der Weltwirtschaftskrise noch auf 33% anstieg. <8>
Am 15. März 1933 wurde Bezirksbürgermeister Alfred Scholz (SPD) durch Erlass des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Der aus Charlottenburg stammende Kurt Samson (NSDAP) wurde zum Bürgermeister ernannt. Seine erste Aufgabe bestand in der Säuberung des Personals, insbesondere in den Bereichen des Gesundheits- und Schulwesens sowie in der Arbeiterschaft. Die nationalsozialistische Weltanschauung stieß, wie die Ergebnisse der Reichstagswahlen im März 1933 zeigen, in Neukölln auf Ablehnung: Nur 26,2% der Wähler stimmten für die NSDAP, während SPD und KPD mit 28,1% bzw. 22,8 % um fast zwei Drittel stärker aus der Wahl hervorgegangen waren. Nur in den Berliner Bezirken Wedding mit 22,6% und Friedrichshain 24,8% waren es noch weniger NSDAP-Anhänger. Nachdem die legale Tätigkeit für KPD (Feb. 1933) und SPD (Juni 1933) verboten war, blieb für viele nur der Weg in die Illegalität, den in Neukölln mehr Menschen beschritten als in anderen Teilen Berlins. Mehrere bekannte Berliner Widerstandsgruppen hatten in Neukölln ihren Schwerpunkt. <9>
Ende April 1945 marschierten die Sowjets nach kurzen Kämpfen in Neukölln ein und setzten den Stadtamtmann Martin Ohm am 29. April als ersten Bürgermeister ein. Die Militärgewalt wurde am 12. Juli 1945 von den Sowjets an die Vereinigten Staaten übergeben und Neukölln damit Teil des amerikanischen Sektors von Berlin.
Bereits im Juni bildete sich eine provisorische Bezirksversammlung unter dem Vorsitz von K. Ebeling (KPD) und R. Günther (SPD). Die Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung am 20. Oktober 1946 brachte der SPD mit 56% der Stimmen die absolute Mehrheit. Die Arbeit des neuen Bezirksamtes wurde im Januar 1947 aufgenommen und die Bezirksverwaltung konnte am 18. November 1950 mit den ersten Abteilungen die wiederaufgebauten Teile des Rathauses beziehen.
Die Zerstörungen des Krieges waren in Neukölln geringer als in den anderen Berliner Bezirken, ungefähr 12% der Wohnbauten waren schwer beschädigt, 15 % mittel-schwer und 7% komplett vernichtet. <10> Im Januar 1949 wählten die Bezirksverordneten Kurt Exner zum Bürgermeister von Neukölln. Seine zehnjährige Amtszeit waren die Jahre des Wiederaufbaus. Gebaut wurde insbesondere im öffentlichen Bereich Schulen, Kindergärten, Altenheime, Grünanlagen und Krankenhäuser. Einen weiteren Schwerpunkt bildete der Wohnungsbau. Nach dem Wiederaufbau in den ersten Nachkriegsjahren folgte die Errichtung neuer Wohnsiedlungen vor allem im südlichen Teil des Bezirks. 1962 wurde der Grundstein für die Gropiusstadt – ein großes städtebauliche Experiment und Zeichen für den Überlebenswillen der Berliner nach dem Mauerbau - gelegt. Auch bei der Neuansiedlung von Industrie und Gewerbe konnte Neukölln Erfolge verbuchen: Bekannte Firmen wie die Berliner Kindl Brauerei, die Trumpf-Schokoladefabrik, die Firmen Jacobs, Melitta und Philipp Morris haben sich dort niedergelassen. Mit dem Gelände der Bundesgartenschau und der Britzer Badelandschaft verfügt der Bezirk zudem über zwei der schönsten Erholungseinrichtungen in Berlin. <11>
Quellenverweise:
1) vgl. Bezirksamt Neukölln zu Berlin, 600 Jahre von Richardsdorf bis Neukölln, Berlin 1960, S. 12f.
2) vgl. Werner Kohn und Richard Schneider, Neukölln - ein Bezirk von Berlin, Berlin, S. 7f.
3) vgl. Felix Escher, Neukölln, Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke herausgegeben von Wolfgang Ribbe, Berlin 1988, S. 43.
4) vgl. Johannes Schulze, Rixdorf-Neukölln, Berlin 1960, S. 158f.
5) vgl. Kohn, Schneider, S. 11.
6) vgl. Kohn, Schneider, S. 12ff.
7) vgl. Erster Verwaltungsbericht der neuen Stadtgemeinde Berlin, H. 22: Neukölln, S. 6.
8) vgl. Escher S. 65ff.
9) vgl. Escher S. 74ff.
10) vgl. Escher S. 83ff.
11) vgl. Kohn, Schneider, S. 20ff.
Gemeindevorsteher und Bürgermeister von Rixdorf-Neukölln:
1874 - 1907: Hermann Boddin
1907 - 1919: Kurt Kaiser
1919 - 1933: Alfred Scholz (SPD)
1933 - 1945: Kurt Samson (NSDAP)
1945 - 1946: Martin Ohm (CDU)
1946: Hermann Harnisch (SPD)
1946 - 1947: Wilhelm Dieckmann (SPD)
1947 - 1949: Richard Thimm (SPD)
1949 - 1959: Kurt Exner (SPD)
1959 - 1971: Gerhard Lasson (SPD)
1971 - 1981: Heinz Stücklen (SPD)
1981 - 1989: Arnulf Kriedner (CDU)
1989 - 1991: Frank Bielka (SPD)
1991 - 1992: Heinz Buschkowsky (SPD)
1992 - 1995: Hans Dieter Mey (CDU)
1995 - 1999: Bodo Manegold (CDU)
B. Archivarische Bearbeitung
Die Aktenüberlieferung aus Neukölln besteht aus den Beständen B Rep. 214 (Bezirksamt Neukölln 1945 – 2002), A Rep. 044-03 (Magistrat der Stadt Rixdorf), A Rep. 044-04 (Amtsverwaltung Rixdorf) und A Rep. 044-08 (Bezirksamt Neukölln 1920-1945)
Der Buchstabenvorsatz A kennzeichnet die Altbestände des vor 1945 existierenden Stadtarchivs bzw. Bestände aus der Zeit vor 1945. Das Behördenschriftgut von Neukölln wurde vor der Zusammenlegung des Landesarchivs Berlin und des Stadtarchivs Berlin (Ost) unter den Reposituren Rep. 214 (Bezirksamt Neukölln) und Rep. 044-03, -04, -08 geführt. Zur Herstellung eines einheitlichen Archivkörpers im Landesarchiv Berlin sind die verschiedenen Reposituren Neuköllns aus beiden Häusern nach einem übergreifendem Schema zusammengeführt worden.
Dabei wurde der frühere Bestand Bezirksamt Neukölln (Rep. 214) neu bearbeitet und nach verwaltungsgeschichtlichen Einschnitten (1899, 1920 und 1945) bzw. festgestellter Provenienz geordnet. Die Altakten vor 1945 wurden in die Altbestände einsortiert, klassifiziert und indexiert. Die Akten mit einer Laufzeit nach 1945 bilden den Bestand Bezirksamt Neukölln – B Rep. 214. Eine Konkordanz der Alt- und Neusignaturen befindet sich am Ende des Findbuches.
Die Überlieferung der Amtsverwaltung Rixdorf im Landesarchiv Berlin beschränkt sich auf eine Akte. Weitere Unterlagen, auch aus den Gemeinden Buckow, Rudow und Britz, befinden sich im Heimatarchiv Neukölln.
Die sachthematische Ordnung der Bezirksamtsüberlieferung erfolgte nach einem Klassifikationsmodell, welches speziell für diesen Bestandstyp entwickelt worden ist, da die Bezirkamtsverwaltungen ihrer Stellung und Funktion nach gleichgeartete Verwaltungskörperschaften darstellen. Aufgrund der universellen Anwendung des Schemas kann es vorkommen, dass entsprechend der konkreten Überlieferungslage einzelne Ordnungspositionen nicht besetzt wurden. Das vollständige Klassifikationsmodell kann bei Bedarf eingesehen werden.
Akten, die aus datenschutzrechtlichen Gründen noch nicht vorgelegt werden können, sind in diesem Findbuch nicht ausgedruckt. Dabei handelt es sich um Akten aus den folgenden Bereichen: Entnazifizierung, Gewerbe, Aufsicht über medizinisches Personal und Apotheken, Hebammenwesen, Schwangerschaftsunterbrechungen, Krankenhausakten sowie Familien- und Jugendfürsorge.
C. Korrespondierende Bestände
Landesarchiv Berlin: Kreisverwaltung Teltow (A Pr.Br. Rep. 006B – 57)
Rixdorf/Neukölln (A Rep. 044)
Kartenabteilung
Heimatarchiv Neukölln (FA 39 - Filme befinden sich im LAB)
Nachlass Kurt Exner (E Rep. 200-66)
Heimat- und Bezirksarchiv Neukölln
Evangelisches Zentralarchiv: Kirchenbücher aus Gemeinden im Kirchenkreis Berlin- Neukölln (1639-1945)
Brandenburgisches Landeshauptarchiv: Kreisverwaltung Teltow (Pr.Br.Rep. 6B)
Amt Berlin-Mühlenhof (Pr.Br.Rep. 7)
Polizeiamt Neukölln-Treptow (Pr.Br.Rep. 30 Berlin E)
D. Publikationen
Heinz Borchmann und Wolfgang Lange, Richardsdorf-Rixdorf-Neukölln, Ein Bauerndorf wird Großstadtbezirk, Heimathefte Berlin, Berlin 1954.
Felix Escher, Neukölln, Berlin 1988 (Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke, hrsg. von Wolfgang Ribbe).
Werner Kohn und Richard Schneider, Neukölln – Ein Bezirk von Berlin, Berlin, o.J.
Werner Korthaase (Hgr.), Das Böhmische Dorf in Berlin-Neukölln 1737-1987, Berlin 1987 (Stätten der Geschichte Berlins, Band 20).
Johannes Schultze, Rixdorf-Neukölln, Bezirksamt Neukölln (Hgr.), Berlin 1960.
600 Jahre von Richardsdorf bis Neukölln, Bezirksamt von Neukölln (Hgr.), Berlin 1960.
Berlin, Januar 1999 Sabine Schafferdt
- Bestandssignatur
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B Rep. 214
- Kontext
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Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> B Bestände (West-) Berliner Behörden bis 1990 >> B 3 Bezirksverwaltungen und nachgeordnete Einrichtungen
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- Letzte Aktualisierung
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28.02.2025, 14:13 MEZ
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Objekttyp
- Bestand