Bestand
K 36 - Kirchliche Bruderschaft in Württemberg (Bestand)
Einleitung: Geschichte der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg
1. Gründung und Ziele der Bruderschaft
Der Beschluss zur Gründung der "Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg" erfolgte nach Auskunft einer Aktennotiz am 1.6.1957 im Schloßgarten-Hotel in Stuttgart, die eigentliche Gründungsversammlung fand wenige Wochen später am 29.6.1957 im Saal der Pauluskirche in Stuttgart-Zuffenhausen statt (1). Bereits die Wahl des Namens erfolgte in Tradition der Bruderschaften junger Theologen der Bekennenden Kirche während des Nationalsozialismus, und die Barmer Theologische Erklärung von 1934 bildete dementsprechend gemeinsam mit dem Stuttgarter Schuldbekenntnis von 1945, dem Darmstädter Wort von 1947 und der Frankfurter Erklärung der Kirchlichen Bruderschaften zu den Massenvernichtungsmitteln von 1958 die zeitgeschichtliche Grundlage der gesamten bruderschaftlichen Arbeit. Martin Niemöller (1892-1984) und Karl Barth (1886-1968) waren für die Bruderschaft wohl die bedeutendsten Vordenker (2).
Herbert Werner führte in einem kurzen Beitrag von 1959 an, dass die Kirchliche Bruderschaft kein starres Programm verfolge und keiner Ideologie oder Partei verhaftet sei, vielmehr sei sie "ein Ruf, ein Schrei!", um die neuen Probleme der Gegenwart unter dem Wort Gottes zu durchdenken und bisheriges Verhalten am Wort Gottes zu prüfen, um "unter Umständen abzutun, was faul oder zu Versteinerung geworden ist und ein Neues zu pflügen [...] Gott will nicht, daß wir nichts tun und die Dinge immer wieder laufen lassen." Blinder Gehorsam sei in allen Bereichen abzulehnen, dies sei "unreformatorisch und ganz und gar römisch." Das Evangelium wurde dabei "nicht nur als seelentröstende, sondern auch als politische Weisheit" verstanden und derart auch gepredigt (3). Die Bruderschaft betätigte sich damit bewusst auf weltlich-politischer Ebene, um hier "die Verantwortung des Christenmenschen für das Gemeinwesen wahrzunehmen." Diese Verantwortung bedurfte jedoch stets einer theologisch-geistlichen Begründung, wobei gewissermaßen eine neue, moderne Form des Pietismus entwickelt werden sollte, der - getreu der Bultmann-Theologie - "das Leben in der modernen, durch die Technik geprägte Welt einschließt und die Verantwortung für die Welt und den konkreten Menschen ernst nimmt." (4) Zu ihrer Leitfrage erhob die Bruderschaft einen Ausspruch von Martin Niemöller ("Herr Christus, was willst du, daß wir tun sollen?"). Sie strebte danach, "das Evangelium auch in seiner Bedeutung für die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Fragen und Probleme unserer Zeit zu verstehen." (5)
2. Themenrepertoire
Die erste größere Protestaktion der Kirchlichen Bruderschaft richtete sich im Rahmen des Bundestagswahlkampfes 1957 gegen die von Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) propagierte Losung, es ginge bei der anstehenden Wahl darum, ob Europa christlich bleibe oder kommunistisch werde. Hiergegen protestierte die gerade erst gegründete Bruderschaft energisch und forderte die CDU auf, das Wort "christlich" aus ihrem Parteinamen abzulegen; dies sei eine missbräuchliche Nutzung, der Name Christi dürfe nicht zu Parteizwecken gebraucht werden, da dies der Kirche in der Vergangenheit bereits sehr geschadet habe. Aus diesem Grund empfahl die Bruderschaft allen Wählern, "der CDU bei der nächsten Bundestagswahl unsere Stimme zu versagen und diese Partei abzulehnen, solange sie nicht gewillt ist, das Wort "christlich" aus ihrem Parteinamen zu streichen." (6) Hieraufhin sah sich Landesbischof Martin Haug (1895-1983) zu einem Wahlaufruf zu Gunsten der CDU genötigt, der seitens der Bruderschaft umgehend mit einem Offenen Brief beantwortet wurde (7), da sie die grundlegende Gefahr sah, dass der christlich-firmierte Antikommunismus zur Ersatzreligion werde (8). Auch in den nachfolgenden Dekaden blieb das "C" im Parteinamen der CDU stetiger Reibungspunkt. Weitere Themenfelder, die nicht nur die Anfangsjahre bestimmten, sondern sich als roter Faden durch die gesamte Tätigkeit der Bruderschaft hindurchzogen, betrafen das atomare Wettrüsten zwischen USA und Sowjetunion während des Kalten Krieges, die wiedereingeführte Wehrpflicht in der Bundesrepublik inklusive die hiervon abhängigen Themen wie Kriegsdienstverweigerung und Militärseelsorge, sowie seit den späten 1960erJahren zunehmend auch die Neue Ostpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung unter Willy Brandt (1913-1992). Ferner gab die Bruderschaft Stellungnahmen zum Nahost-Konflikt zwischen Israel und seinen benachbarten arabischen Staaten, zum Vietnamkrieg, der Militärdiktatur in Chile sowie zu den rassistisch motivierten Gewalttaten in Afrika ab. Im Bereich der bundesrepublikanischen Innenpolitik nahm die Bruderschaft vehement Stellung zum Verhältnis von Kirche zu Staat und Politik, zur Notstandsgesetzgebung, zum Radikalenerlass sowie zur Schwangerschaftsunterbrechung nach §218. Im Zuge des RAF-Prozesses in Stuttgart-Stammheim (1975-1977) äußerte sich die Bruderschaft zu den Haftbedingungen der Angeklagten sowie zum Prozessablauf; im vorliegenden Archivbestand findet sich daher etwa ein der Bruderschaft zugeleiteter Bericht eines Anonymus bzw. einer Anonyma über die Zwangsernährung der hungerstreikenden Angeklagten (9).
3. Öffentlichkeitsarbeit und Medieneinsatz
Primäres Medium der Kirchlichen Bruderschaft, die 2002 in Evangelischer Sozietät umbenannt wurde (s.u.), waren die regelmäßig verschickten Rundbriefe und Einladungen zu Arbeitstagungen oder Vorträgen. Zu Spitzenzeiten in den 1970er Jahren erreichte der Leiterkreis hiermit regelmäßig rund 1 200 Mitglieder und Freunde (10). Die Einladungen zu den Arbeits- und Leiterkreistagungen beinhalten regelmäßig eine knappe Aussicht auf die zu besprechenden Themen, während sich in den Rundbriefen vielfach die Ergebnisse der leider nicht lückenlos protokollierten Diskussionen finden - dementsprechend nehmen derartige Schreiben im vorliegenden Bestand einen breiten Raum ein. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die "Stimme der Gemeinde", eine von der Bruderschaft herausgegebene Zeitschrift, die mit den Rundbriefen versendet wurde und in der alle Stellungnahmen, Eingaben und Offenen Briefe zum Abdruck kamen. Zentral war insbesondere in den ersten Jahrzehnten eine intensive Vortragsarbeit mitsamt zugehöriger Diskussionen und Aussprachen, die mit großem Erfolg auch öffentlich beworben und rezipiert wurden (11).
4. Umbruchzeit und Umbenennung
Erste Auflösungserscheinungen erscheinen bereits in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Bedingt durch das Ende des Kalten Krieges und die deutsche Wiedervereinigung brach der Kirchlichen Bruderschaft innerhalb kürzester Zeit einerseits ein Teil ihres jahrzehntelang bestimmenden Themenrepertoires fort, andererseits erschwerte zunehmend auch die schlechter werdende Altersstruktur der Mitglieder die regelmäßige Abhaltung von Vorträgen und Arbeitstreffen (12). Darüber hinaus wurde auch die Bezeichnung als "Bruderschaft" seit den 1980er Jahren kritisch beäugt, da die sich ebenfalls engagierenden Frauen ungenannt blieben. Vom April 1988 sind erste konkretere Überlegungen zur Neuausrichtung der Bruderschaft überliefert, sogar eine Umbenennung stand zur Diskussion (13). Zwischenzeitlich wurde sogar in Betracht gezogen, die Bruderschaft mit der Offenen Kirche zu vereinen bzw. diese stärker an anderorts tätige Vereinigungen anzugliedern (14). Ein schleichender Auflösungsprozess, wie ihn in den 1950er Jahren die Kirchlich-theologische Sozietät in Württemberg ereilt hatte, sollte unbedingt vermieden werden. Im April 2002 wurde schließlich eine Umbenennung in "Evangelische Sozietät - vormals Kirchliche Bruderschaft in Württemberg" beschlossen (15) und eine neue Satzung verabschiedet (16). Inhaltlich blieb die Evangelische Sozietät den traditionellen Arbeitsformen der Kirchlichen Bruderschaft treu und veranstaltete in der Folge auch weiterhin Arbeitstagungen sowie Wochenendtreffen, gleichwohl die hohe bisherige Frequenz der Veranstaltungen nicht aufrechterhalten werden konnte (17). Insbesondere die demographischen Probleme konnten hierdurch jedoch nicht gelöst werden, weshalb eine Mitgliederversammlung der Evangelischen Sozietät im Februar 2012 die geordnete Auflösung ihrer Vereinigung zum Jahresende beschloss (18).
--- Fußnoten
(1) LKAS, K 36, Nr. 40, Aktennotiz zum "Stimme-Treffen" am 1.6.1957 im Schloßgarten-Hotel in Stuttgart. Dazu auch Anger, Anfänge der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, S. 7.
(2) Dazu Oehlmann, Glaube und Gegenwart, S. 156-172; sowie Buchstädt, Kirche für die Welt, bes. S. 498-514.
(3) Werner, Kirchliche Bruderschaft, S. 99f.
(4) Dazu Oehlmann, Glaube und Gegenwart, S. 157-159.
(5) Zitiert nach dem Handbuch für Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäte 1995, S. 286.
(6) Anger, Anfänge der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, S. 7-9.
(7) Günzler, Grußwort an Walter Schlenker, S. 5f.
(8) Schlenker, Eine kleine Auswahl von Briefen, Aufsätzen und Reden, S. 42.
(9) Dazu LKAS, K 36, Nr. 18, Stellungnahmen, Presseberichte und handschriftliche Aufzeichnungen zum Baader-Meinhof-Prozess 1974, u.a. mit Berichten der Gefangenen zur Zwangsernährung.
(10) Günzler, Tagungs- und Bruderschaftsarbeit heute, S. 64f.
(11) Vgl. dazu etwa LKAS, K 36, Nr. 31, Plakate der Vortragsreihe "Theologische Herausforderungen", 23.9.1978 bis 16.2.1979, "Die Bergpredigt fordert uns heraus", 14.9.1979 bis 7.3.1980, und "1957-1987. 30 Jahre Kirchliche Bruderschaft in Württemberg", 20.9.1987.
(12) LKAS, K 36, Nr. 17, Kurzfristige Absage des Arbeitstreffens am 11.12.1995 mangels Teilnehmern.
(13) Dazu LKAS, K 36, Nr. 39, Vortragsmanuskript vom 11.4.1988.
(14) LKAS, K 36, Nr. 15, Korrespondenz und Überlegungen zur Inneren Organisation der Bruderschaft, zur Neuwahl des Leiterkreises sowie zum möglichen Zusammenschluss der Bruderschaft mit der Offenen Kirche und zur Kooperation mit der Solidarischen Kirche in Nordrhein-Westfalen, Mai 1986 bis Oktober 1991.
(15) LKAS, K 36, Nr. 31, Abstimmungsprotokoll vom 22.4.2002.
(16) LKAS, K 36, Nr. 21, Satzung der Evangelischen Sozietät - vormals Kirchliche Bruderschaft in Württemberg vom 4.2.2007.
(17) Vgl. dazu etwa LKAS, K 36, Nr. 28, Tabellarische Kurzübersicht zu den Organisatoren und den Themen der Jahrestagungen der Jahre 1978 bis 2013. Zu den Arbeitstagungen siehe LKAS, K 36, Nr. 31: Arbeitstagungen 1973-2011.
(18) LKAS, K 36, Nr. 25, Schreiben vom 24.5.2012 mit Ankündigung der Auflösung zum 31.12.2012.
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Bestandsgeschichte
Der vorliegende Bestand geht in seinem Kern zurück auf Irmgard Anger, die in ihrer Funktion als Geschäftsführerin der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg schon frühzeitig eine eigene Registratur eingerichtet und damit als "logistisches Rückgrat" (1) der Bruderschaft fungiert hatte. Martin Günzler führt hierzu in einen Nachruf auf Irmgard Anger aus: "Irmgard war die Hüterin des Erbes der Bruderschaft. Durch ihre Hände gingen all die bedeutsamen und auch weniger bedeutsamen Worte, die in fünf Jahrzehnten verfaßt und ins Land hinausgeschickt wurden: Friedensworte, Notrufe und Warnsignale für Kirche und Gesellschaft, oft auch Reizworte [...] Irmgard hat sie nicht nur getippt, sie hat sie auch vertreten und in Akten wie auch im Gedächtnis aufbewahrt." (2)
Bereits um 1990 gab Irmgard Anger ihre Sammlung an Walter Schlenker ab, der sie fortan in seiner Wohnung verwahrte und 1992 kurzzeitig Diethard Buchstädt (3) zur Benutzung und Auswertung überließ. Nach Rückgabe der ausgeliehenen Unterlagen wird in einem Schreiben vom 22.4.1994, das wohl nur für den engeren Vorstand bestimmt war, auf den Abschluss der Dissertation Buchstädts hingewiesen und eine Aufstellung der von Buchstädt zitierten Ordner und Mappen beigefügt (4). Es handelt sich hierbei um den ältesten Aktenplan bzw. die älteste Kurzübersicht des Bruderschaftlichen Archivs, das von Buchstädt unter der Bezeichnung "Privatbesitz Walter Schlenker - Akten Kirchliche Bruderschaft in Württemberg" zitiert wurde (5). Aufgrund der wissenschaftlichen Relevanz der Unterlagen wurde nunmehr darüber diskutiert, das durch Buchstädt ausgewertete und in weiten Teilen bereits veröffentlichte Archiv alsbald an das Landeskirchliche Archiv zu übergeben (6).
Im Zuge der Umbenennung der Bruderschaft in "Evangelische Sozietät - vormals Kirchliche Bruderschaft in Württemberg" im Jahr 2002 gelangte das Bruderschaftliche Archiv wohl kurzzeitig an Pfarrer Heiner Schmid, der es schließlich um das Jahr 2009 an Heinz Weißgerber übergab (7). Gemeinsam mit Pfarrer Martin Günzler begann Weißgerber recht bald mit einer kritischen Sichtung des in seinem Keller lagernden Bruderschaftlichen Archivs, in deren Verlauf Teile der Unterlagen kassiert und die Bestände "auf das Nötigste reduziert" wurden. Welche Akten bei dieser Gelegenheit ausgesondert wurden, ist nicht bekannt. Ferner begann Weißgerber zur gleichen Zeit mit der Entwicklung eines Akten- bzw. Beständeplans, der jedoch nicht mehr völlig zur Ausführung gelangte; auf ihn dürften somit auch die verschiedentlich auf DIN-A5-Zetteln festgehaltenen Kurzbetreffe einzelner Akten zurückgehen (8).
Auf einer Sitzung des Leiterkreises der Evangelischen Sozietät vom 11.11.2011 wurde beschlossen, dass das Bruderschaftliche Archiv zusammen mit den Unterlagen der Evangelischen Sozietät nach deren Auflösung an das Landeskirchliche Archiv zu übereignen seien (9). Trotz dieses Beschlusses wurde noch auf einer Sitzung des Leiterkreises vom 29.10.2012 erneut über das Archiv diskutiert, da unklar war, wie mit einzelnen Unterlagengruppen zu verfahren sei (10). Da sich jedoch auch diese Unterlagen heute im Archiv befinden (11), scheint es nicht zur Abspaltung eines Teils der Unterlagen gekommen, sondern der Gesamtbestand (12) an das Landeskirchliche Archiv übergeben worden zu sein. Es ist derzeit jedoch nicht auszuschließen, dass sich zukünftig noch weiteres Material in Privatbesitz findet, das sinnvollerweise mit dem gegenwärtigen Archivbestand vereinigt werden sollte (13).
Die 2011 beschlossene Übergabe des Archivs von Bruderschaft und Sozietät an das LKAS erfolgte jedoch noch nicht 2012, sondern verzögerte sich noch wenige Jahre, da zunächst Karin Oehlmann die Unterlagen zur Auswertung für ihre Kölner Dissertation (14) erhalten hatte. Der Leihvertrag, der zwischen der Evangelischen Sozietät und Frau Oehlmann über die temporäre Ausleihe geschlossen wurde, verpflichtete diese dazu, die ihr übergebenen, drei Umzugskartons füllenden Unterlagen nach Abschluss der Benutzung an das Landeskirchliche Archiv abzugeben (15). Unter Vermittlung von Frau Oehlmann wurde das Bruderschaftliche Archiv schließlich im April 2015 an das LKAS zur stetigen Aufbewahrung übergeben (16).
--- Fußnoten
(1) So Walter Schlenker anlässlich der 30-Jahr-Feier der Bruderschaft 1987, siehe LKAS, K 36, Nr. 20.
(2) Zitiert nach LKAS, K36, Nr. 21, Nachruf von Martin Günzler auf Irmgard Anger vom 4.1.2007.
(3) Vgl. Buchstädt, Kirche für die Welt, bes. S. 9.
(4) LKAS, K 36, Nr. 16, Schreiben vom 22.4.1994.
(5) Vgl. die Einzelaufstellung bei Buchstädt, Kirche für die Welt, S. 538f.
(6) LKAS, K 36, Nr. 16, Schreiben vom 22.4.1994.
(7) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Aufstellung zum Inhalt des Archivs der Kirchlichen Bruderschaft unter Angabe der vermuteten Provenienz der einzelnen Akten, o.J., ca. 2013.
(8) LKAS, K 36, Nr. 38, Protokoll vom 11.11.2011.
(9) Ebd. Vgl. zudem LKAS, K 36, Nr. 38, Schreiben vom 17.7.2012.
(10) LKAS, K 36, Nr. 38, Schreiben vom 29.10.2012.
(11) Dazu LKAS, K 36, Nr. 25; sowie LKAS, K 36, Nr. 38.
(12) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Schreiben vom 3.4.2012 [!] [lies: 2013].
(13) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Email vom 3.5.2015; ebd., Schreiben vom 4.5.2015; sowie ebd. Schreiben vom 4.5.2015.
(14) Oehlmann, Glaube und Gegenwart.
(15) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Vereinbarung vom 12.2.2013.
(16) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Schreiben vom 4.5.2015.
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Bestandsbearbeitung
Der bisher im Zugangsmagazin untergebrachte Bestand wurde im Juli 2016 durch David Schnur geordnet, von Fremdkörpern wie Metall und Dokumentenhüllen befreit, fachgerecht verpackt und mittels FAUST-7 in einer Datenbank verzeichnet. Bei der Ordnung wurde bewusst auf eine größere Neugliederung der vorgefundenen, nach Ordnern und Mappen gegliederten Binnenstruktur verzichtet, da die Archivalien bereits mehrfach mit ihren alten Signaturen - zumeist handelt es sich hierbei um die Rückenbeschriftung der einzelnen DIN-A4 Ordner bzw. Mappen - in der jüngeren Fachliteratur zitiert werden; eine völlige Neugliederung des Archivs hätte hingegen die Identifikation der bereits zitierten Stücke zukünftig erheblich erschwert. Stattdessen wurde versucht, die Einzelinhalte recht detailliert zu erfassen, was sich in der Ausführlichkeit der "Enthält"-Vermerke spiegelt. Der fertig verzeichnete Bestand wurde dem Zugangsmagazin entnommen und an neuem Standort aufgestellt; er beinhaltet 45 Bestellnummern und umfasst rund 1,5 laufende Regalmeter.
Entnommen wurden dem Bruderschaftlichen Archiv eine Anzahl lose beiliegender Druckschriften, die den Beständen der Landeskirchlichen Zentralbibliothek Stuttgart zugeordnet wurden. Wenn sich hingegen innerhalb einer Akte ein Schriftstück auf eine beiliegende Druckschrift oder Broschüre bezog, wurde diese nicht entnommen, sondern im Bestand belassen und im "Darin"-Vermerk angeführt. Bei den entnommenen Druckschriften handelt es sich im Einzelnen um:
- Reihe "Gott dienen ist höchste Freiheit - Deo servire summa libertas", Bde. I/1 bis I/3, II/1, II/3, III/1 bis III/3, IV/1 bis IV/3, V/1 bis V/3 und VI/1 bis VI/3.
- Sonderhefte zur Ergänzung der Reihe "Gott dienen ist höchste Freiheit - Deo servire summa libertas":
- Auf dem Weg zu einem tieferen Verstehen und einer besseren Praxis des Abendmahls. Argumente, Dokumente und Ermutigungen zum Gespräch von Walter Schlenker. Erste Ergänzung der Reihe der Predigtbroschüren über die Texte der EKD.
- Der Tod - Station auf dem Weg zu Gott. Tröstende und ermutigende Ansprachen von Helmut Gollwitzer, Paul Schempp, Eduard Thurneysen und anderen, hg. v. Walter Schlenker.
- Trauung - Ehe, Mann und Frau, Homophilie, hg. v. Walter Schlenker.
- Gesamtübersicht über 18 Broschüren mit ausgewählten Predigten zu den 6 Jahrgängen der Predigttexte der EKD, hg. v. Walter Schlenker.
- Evangelium als politische Weisheit. Walter Schlenker zu Siebzigsten Geburtstag. (2 Exemplare)
- Evangelische Antworten auf 51 Fragen zur Kriegsdienstverweigerung, Darmstadt o.J.
- Politik in der Kirche? Argumente und Dokumente, im Auftrag der Kirchlichen Bruderschaft hg. v. Walter Schlenker, Stuttgart 1969. (2 Exemplare)
- Schweitzer, Wolfgang / Schlenker, Walter (Hgg.): Gehorsam gegenüber Gott und Beamtenloyalität, hg. v. der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, Stuttgart 1982.
- "Warum wir die Notstandsgesetze ablehnen. Informationen und Argumente von Walter Schlenker, hg. v. der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, 1968.
- Noel-Baker, Philip, Der Weg zur Weltabrüstung - jetzt! Kleine antworten-Reihe A, Frankfurt a.M. 1964.
- Schlenker, Walter: Warum ich als Christ nicht Soldat sein kann. Zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, Ndr. Stuttgart 1976, 1. Aufl. Frankfurt a.M. 1964.
- Abscheu vor dem Krieg. Zum Antikriegstag und zur Friedensdekade eine Rede von Dekan W. Schlenker, Tuttlingen, hg. v. der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, 1986.
- Noch ist Zeit zur Umkehr. Christliches Friedenszeugnis heute, Stuttgart 1984.
- Kreck, Walter: Theologische Kriterien für politisches Handeln in der Friedensarbeit, Köln, 1981.
- Broschüren und Druckschriften der Kirchlichen Bruderschaft Sachsens:
- Unterwegs, Dresden 1983. (2 Exemplare)
- Gesellschaftliche Entwicklung in der theologischen Reflexion. Karl Barth und Paul Tillich im Vergleich, Dresden 1986.
- Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 und unser Christusbekenntnis von 1984, Tagungsbericht, o.O. 1984.
- Die Zukunft der Kirche und die Kirche der Zukunft, Dresden 1986.
- Theologische Reflexionen unseres kirchlichen und politischen Handelns, Dresden 1983.
- Wissenschaftlich-technischer Fortschritt - Menschliches Handeln zwischen Herrschaftsstreben und Schöpfungsbewahrung. Dokumentation zur Frühjahrstagung der KBS in Dresden vom 21. bis 23. April 1989, 1989.
- Christliche Friedensarbeit heute, Dresden 1984.
Einleitung: 1. Gründung und Ziele der Bruderschaft
Der Beschluss zur Gründung der "Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg" erfolgte nach Auskunft einer Aktennotiz am 1.6.1957 im Schloßgarten-Hotel in Stuttgart, die eigentliche Gründungsversammlung fand wenige Wochen später am 29.6.1957 im Saal der Pauluskirche in Stuttgart-Zuffenhausen statt (1). Bereits die Wahl des Namens erfolgte in Tradition der Bruderschaften junger Theologen der Bekennenden Kirche während des Nationalsozialismus, und die Barmer Theologische Erklärung von 1934 bildete dementsprechend gemeinsam mit dem Stuttgarter Schuldbekenntnis von 1945, dem Darmstädter Wort von 1947 und der Frankfurter Erklärung der Kirchlichen Bruderschaften zu den Massenvernichtungsmitteln von 1958 die zeitgeschichtliche Grundlage der gesamten bruderschaftlichen Arbeit. Martin Niemöller (1892-1984) und Karl Barth (1886-1968) waren für die Bruderschaft wohl die bedeutendsten Vordenker (2).
Herbert Werner führte in einem kurzen Beitrag von 1959 an, dass die Kirchliche Bruderschaft kein starres Programm verfolge und keiner Ideologie oder Partei verhaftet sei, vielmehr sei sie "ein Ruf, ein Schrei!", um die neuen Probleme der Gegenwart unter dem Wort Gottes zu durchdenken und bisheriges Verhalten am Wort Gottes zu prüfen, um "unter Umständen abzutun, was faul oder zu Versteinerung geworden ist und ein Neues zu pflügen [...] Gott will nicht, daß wir nichts tun und die Dinge immer wieder laufen lassen." Blinder Gehorsam sei in allen Bereichen abzulehnen, dies sei "unreformatorisch und ganz und gar römisch." Das Evangelium wurde dabei "nicht nur als seelentröstende, sondern auch als politische Weisheit" verstanden und derart auch gepredigt (3). Die Bruderschaft betätigte sich damit bewusst auf weltlich-politischer Ebene, um hier "die Verantwortung des Christenmenschen für das Gemeinwesen wahrzunehmen." Diese Verantwortung bedurfte jedoch stets einer theologisch-geistlichen Begründung, wobei gewissermaßen eine neue, moderne Form des Pietismus entwickelt werden sollte, der - getreu der Bultmann-Theologie - "das Leben in der modernen, durch die Technik geprägte Welt einschließt und die Verantwortung für die Welt und den konkreten Menschen ernst nimmt." (4) Zu ihrer Leitfrage erhob die Bruderschaft einen Ausspruch von Martin Niemöller ("Herr Christus, was willst du, daß wir tun sollen?"). Sie strebte danach, "das Evangelium auch in seiner Bedeutung für die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Fragen und Probleme unserer Zeit zu verstehen." (5)
2. Themenrepertoire
Die erste größere Protestaktion der Kirchlichen Bruderschaft richtete sich im Rahmen des Bundestagswahlkampfes 1957 gegen die von Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) propagierte Losung, es ginge bei der anstehenden Wahl darum, ob Europa christlich bleibe oder kommunistisch werde. Hiergegen protestierte die gerade erst gegründete Bruderschaft energisch und forderte die CDU auf, das Wort "christlich" aus ihrem Parteinamen abzulegen; dies sei eine missbräuchliche Nutzung, der Name Christi dürfe nicht zu Parteizwecken gebraucht werden, da dies der Kirche in der Vergangenheit bereits sehr geschadet habe. Aus diesem Grund empfahl die Bruderschaft allen Wählern, "der CDU bei der nächsten Bundestagswahl unsere Stimme zu versagen und diese Partei abzulehnen, solange sie nicht gewillt ist, das Wort "christlich" aus ihrem Parteinamen zu streichen." (6) Hieraufhin sah sich Landesbischof Martin Haug (1895-1983) zu einem Wahlaufruf zu Gunsten der CDU genötigt, der seitens der Bruderschaft umgehend mit einem Offenen Brief beantwortet wurde (7), da sie die grundlegende Gefahr sah, dass der christlich-firmierte Antikommunismus zur Ersatzreligion werde (8). Auch in den nachfolgenden Dekaden blieb das "C" im Parteinamen der CDU stetiger Reibungspunkt. Weitere Themenfelder, die nicht nur die Anfangsjahre bestimmten, sondern sich als roter Faden durch die gesamte Tätigkeit der Bruderschaft hindurchzogen, betrafen das atomare Wettrüsten zwischen USA und Sowjetunion während des Kalten Krieges, die wiedereingeführte Wehrpflicht in der Bundesrepublik inklusive die hiervon abhängigen Themen wie Kriegsdienstverweigerung und Militärseelsorge, sowie seit den späten 1960erJahren zunehmend auch die Neue Ostpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung unter Willy Brandt (1913-1992). Ferner gab die Bruderschaft Stellungnahmen zum Nahost-Konflikt zwischen Israel und seinen benachbarten arabischen Staaten, zum Vietnamkrieg, der Militärdiktatur in Chile sowie zu den rassistisch motivierten Gewalttaten in Afrika ab. Im Bereich der bundesrepublikanischen Innenpolitik nahm die Bruderschaft vehement Stellung zum Verhältnis von Kirche zu Staat und Politik, zur Notstandsgesetzgebung, zum Radikalenerlass sowie zur Schwangerschaftsunterbrechung nach §218. Im Zuge des RAF-Prozesses in Stuttgart-Stammheim (1975-1977) äußerte sich die Bruderschaft zu den Haftbedingungen der Angeklagten sowie zum Prozessablauf; im vorliegenden Archivbestand findet sich daher etwa ein der Bruderschaft zugeleiteter Bericht eines Anonymus bzw. einer Anonyma über die Zwangsernährung der hungerstreikenden Angeklagten (9).
3. Öffentlichkeitsarbeit und Medieneinsatz
Primäres Medium der Kirchlichen Bruderschaft, die 2002 in Evangelischer Sozietät umbenannt wurde (s.u.), waren die regelmäßig verschickten Rundbriefe und Einladungen zu Arbeitstagungen oder Vorträgen. Zu Spitzenzeiten in den 1970er Jahren erreichte der Leiterkreis hiermit regelmäßig rund 1 200 Mitglieder und Freunde (10). Die Einladungen zu den Arbeits- und Leiterkreistagungen beinhalten regelmäßig eine knappe Aussicht auf die zu besprechenden Themen, während sich in den Rundbriefen vielfach die Ergebnisse der leider nicht lückenlos protokollierten Diskussionen finden - dementsprechend nehmen derartige Schreiben im vorliegenden Bestand einen breiten Raum ein. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die "Stimme der Gemeinde", eine von der Bruderschaft herausgegebene Zeitschrift, die mit den Rundbriefen versendet wurde und in der alle Stellungnahmen, Eingaben und Offenen Briefe zum Abdruck kamen. Zentral war insbesondere in den ersten Jahrzehnten eine intensive Vortragsarbeit mitsamt zugehöriger Diskussionen und Aussprachen, die mit großem Erfolg auch öffentlich beworben und rezipiert wurden (11).
4. Umbruchzeit und Umbenennung
Erste Auflösungserscheinungen erscheinen bereits in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Bedingt durch das Ende des Kalten Krieges und die deutsche Wiedervereinigung brach der Kirchlichen Bruderschaft innerhalb kürzester Zeit einerseits ein Teil ihres jahrzehntelang bestimmenden Themenrepertoires fort, andererseits erschwerte zunehmend auch die schlechter werdende Altersstruktur der Mitglieder die regelmäßige Abhaltung von Vorträgen und Arbeitstreffen (12). Darüber hinaus wurde auch die Bezeichnung als "Bruderschaft" seit den 1980er Jahren kritisch beäugt, da die sich ebenfalls engagierenden Frauen ungenannt blieben. Vom April 1988 sind erste konkretere Überlegungen zur Neuausrichtung der Bruderschaft überliefert, sogar eine Umbenennung stand zur Diskussion (13). Zwischenzeitlich wurde sogar in Betracht gezogen, die Bruderschaft mit der Offenen Kirche zu vereinen bzw. diese stärker an anderorts tätige Vereinigungen anzugliedern (14). Ein schleichender Auflösungsprozess, wie ihn in den 1950er Jahren die Kirchlich-theologische Sozietät in Württemberg ereilt hatte, sollte unbedingt vermieden werden. Im April 2002 wurde schließlich eine Umbenennung in "Evangelische Sozietät - vormals Kirchliche Bruderschaft in Württemberg" beschlossen (15) und eine neue Satzung verabschiedet (16). Inhaltlich blieb die Evangelische Sozietät den traditionellen Arbeitsformen der Kirchlichen Bruderschaft treu und veranstaltete in der Folge auch weiterhin Arbeitstagungen sowie Wochenendtreffen, gleichwohl die hohe bisherige Frequenz der Veranstaltungen nicht aufrechterhalten werden konnte (17). Insbesondere die demographischen Probleme konnten hierdurch jedoch nicht gelöst werden, weshalb eine Mitgliederversammlung der Evangelischen Sozietät im Februar 2012 die geordnete Auflösung ihrer Vereinigung zum Jahresende beschloss (18).
--- Fußnoten
(1) LKAS, K 36, Nr. 40, Aktennotiz zum "Stimme-Treffen" am 1.6.1957 im Schloßgarten-Hotel in Stuttgart. Dazu auch Anger, Anfänge der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, S. 7.
(2) Dazu Oehlmann, Glaube und Gegenwart, S. 156-172; sowie Buchstädt, Kirche für die Welt, bes. S. 498-514.
(3) Werner, Kirchliche Bruderschaft, S. 99f.
(4) Dazu Oehlmann, Glaube und Gegenwart, S. 157-159.
(5) Zitiert nach dem Handbuch für Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäte 1995, S. 286.
(6) Anger, Anfänge der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, S. 7-9.
(7) Günzler, Grußwort an Walter Schlenker, S. 5f.
(8) Schlenker, Eine kleine Auswahl von Briefen, Aufsätzen und Reden, S. 42.
(9) Dazu LKAS, K 36, Nr. 18, Stellungnahmen, Presseberichte und handschriftliche Aufzeichnungen zum Baader-Meinhof-Prozess 1974, u.a. mit Berichten der Gefangenen zur Zwangsernährung.
(10) Günzler, Tagungs- und Bruderschaftsarbeit heute, S. 64f.
(11) Vgl. dazu etwa LKAS, K 36, Nr. 31, Plakate der Vortragsreihe "Theologische Herausforderungen", 23.9.1978 bis 16.2.1979, "Die Bergpredigt fordert uns heraus", 14.9.1979 bis 7.3.1980, und "1957-1987. 30 Jahre Kirchliche Bruderschaft in Württemberg", 20.9.1987.
(12) LKAS, K 36, Nr. 17, Kurzfristige Absage des Arbeitstreffens am 11.12.1995 mangels Teilnehmern.
(13) Dazu LKAS, K 36, Nr. 39, Vortragsmanuskript vom 11.4.1988.
(14) LKAS, K 36, Nr. 15, Korrespondenz und Überlegungen zur Inneren Organisation der Bruderschaft, zur Neuwahl des Leiterkreises sowie zum möglichen Zusammenschluss der Bruderschaft mit der Offenen Kirche und zur Kooperation mit der Solidarischen Kirche in Nordrhein-Westfalen, Mai 1986 bis Oktober 1991.
(15) LKAS, K 36, Nr. 31, Abstimmungsprotokoll vom 22.4.2002.
(16) LKAS, K 36, Nr. 21, Satzung der Evangelischen Sozietät - vormals Kirchliche Bruderschaft in Württemberg vom 4.2.2007.
(17) Vgl. dazu etwa LKAS, K 36, Nr. 28, Tabellarische Kurzübersicht zu den Organisatoren und den Themen der Jahrestagungen der Jahre 1978 bis 2013. Zu den Arbeitstagungen siehe LKAS, K 36, Nr. 31: Arbeitstagungen 1973-2011.
(18) LKAS, K 36, Nr. 25, Schreiben vom 24.5.2012 mit Ankündigung der Auflösung zum 31.12.2012.
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Der vorliegende Bestand geht in seinem Kern zurück auf Irmgard Anger, die in ihrer Funktion als Geschäftsführerin der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg schon frühzeitig eine eigene Registratur eingerichtet und damit als "logistisches Rückgrat" (1) der Bruderschaft fungiert hatte. Martin Günzler führt hierzu in einen Nachruf auf Irmgard Anger aus: "Irmgard war die Hüterin des Erbes der Bruderschaft. Durch ihre Hände gingen all die bedeutsamen und auch weniger bedeutsamen Worte, die in fünf Jahrzehnten verfaßt und ins Land hinausgeschickt wurden: Friedensworte, Notrufe und Warnsignale für Kirche und Gesellschaft, oft auch Reizworte [...] Irmgard hat sie nicht nur getippt, sie hat sie auch vertreten und in Akten wie auch im Gedächtnis aufbewahrt." (2)
Bereits um 1990 gab Irmgard Anger ihre Sammlung an Walter Schlenker ab, der sie fortan in seiner Wohnung verwahrte und 1992 kurzzeitig Diethard Buchstädt (3) zur Benutzung und Auswertung überließ. Nach Rückgabe der ausgeliehenen Unterlagen wird in einem Schreiben vom 22.4.1994, das wohl nur für den engeren Vorstand bestimmt war, auf den Abschluss der Dissertation Buchstädts hingewiesen und eine Aufstellung der von Buchstädt zitierten Ordner und Mappen beigefügt (4). Es handelt sich hierbei um den ältesten Aktenplan bzw. die älteste Kurzübersicht des Bruderschaftlichen Archivs, das von Buchstädt unter der Bezeichnung "Privatbesitz Walter Schlenker - Akten Kirchliche Bruderschaft in Württemberg" zitiert wurde (5). Aufgrund der wissenschaftlichen Relevanz der Unterlagen wurde nunmehr darüber diskutiert, das durch Buchstädt ausgewertete und in weiten Teilen bereits veröffentlichte Archiv alsbald an das Landeskirchliche Archiv zu übergeben (6).
Im Zuge der Umbenennung der Bruderschaft in "Evangelische Sozietät - vormals Kirchliche Bruderschaft in Württemberg" im Jahr 2002 gelangte das Bruderschaftliche Archiv wohl kurzzeitig an Pfarrer Heiner Schmid, der es schließlich um das Jahr 2009 an Heinz Weißgerber übergab (7). Gemeinsam mit Pfarrer Martin Günzler begann Weißgerber recht bald mit einer kritischen Sichtung des in seinem Keller lagernden Bruderschaftlichen Archivs, in deren Verlauf Teile der Unterlagen kassiert und die Bestände "auf das Nötigste reduziert" wurden. Welche Akten bei dieser Gelegenheit ausgesondert wurden, ist nicht bekannt. Ferner begann Weißgerber zur gleichen Zeit mit der Entwicklung eines Akten- bzw. Beständeplans, der jedoch nicht mehr völlig zur Ausführung gelangte; auf ihn dürften somit auch die verschiedentlich auf DIN-A5-Zetteln festgehaltenen Kurzbetreffe einzelner Akten zurückgehen (8).
Auf einer Sitzung des Leiterkreises der Evangelischen Sozietät vom 11.11.2011 wurde beschlossen, dass das Bruderschaftliche Archiv zusammen mit den Unterlagen der Evangelischen Sozietät nach deren Auflösung an das Landeskirchliche Archiv zu übereignen seien (9). Trotz dieses Beschlusses wurde noch auf einer Sitzung des Leiterkreises vom 29.10.2012 erneut über das Archiv diskutiert, da unklar war, wie mit einzelnen Unterlagengruppen zu verfahren sei (10). Da sich jedoch auch diese Unterlagen heute im Archiv befinden (11), scheint es nicht zur Abspaltung eines Teils der Unterlagen gekommen, sondern der Gesamtbestand (12) an das Landeskirchliche Archiv übergeben worden zu sein. Es ist derzeit jedoch nicht auszuschließen, dass sich zukünftig noch weiteres Material in Privatbesitz findet, das sinnvollerweise mit dem gegenwärtigen Archivbestand vereinigt werden sollte (13).
Die 2011 beschlossene Übergabe des Archivs von Bruderschaft und Sozietät an das LKAS erfolgte jedoch noch nicht 2012, sondern verzögerte sich noch wenige Jahre, da zunächst Karin Oehlmann die Unterlagen zur Auswertung für ihre Kölner Dissertation (14) erhalten hatte. Der Leihvertrag, der zwischen der Evangelischen Sozietät und Frau Oehlmann über die temporäre Ausleihe geschlossen wurde, verpflichtete diese dazu, die ihr übergebenen, drei Umzugskartons füllenden Unterlagen nach Abschluss der Benutzung an das Landeskirchliche Archiv abzugeben (15). Unter Vermittlung von Frau Oehlmann wurde das Bruderschaftliche Archiv schließlich im April 2015 an das LKAS zur stetigen Aufbewahrung übergeben (16).
--- Fußnoten
(1) So Walter Schlenker anlässlich der 30-Jahr-Feier der Bruderschaft 1987, siehe LKAS, K 36, Nr. 20.
(2) Zitiert nach LKAS, K36, Nr. 21, Nachruf von Martin Günzler auf Irmgard Anger vom 4.1.2007.
(3) Vgl. Buchstädt, Kirche für die Welt, bes. S. 9.
(4) LKAS, K 36, Nr. 16, Schreiben vom 22.4.1994.
(5) Vgl. die Einzelaufstellung bei Buchstädt, Kirche für die Welt, S. 538f.
(6) LKAS, K 36, Nr. 16, Schreiben vom 22.4.1994.
(7) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Aufstellung zum Inhalt des Archivs der Kirchlichen Bruderschaft unter Angabe der vermuteten Provenienz der einzelnen Akten, o.J., ca. 2013.
(8) LKAS, K 36, Nr. 38, Protokoll vom 11.11.2011.
(9) Ebd. Vgl. zudem LKAS, K 36, Nr. 38, Schreiben vom 17.7.2012.
(10) LKAS, K 36, Nr. 38, Schreiben vom 29.10.2012.
(11) Dazu LKAS, K 36, Nr. 25; sowie LKAS, K 36, Nr. 38.
(12) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Schreiben vom 3.4.2012 [!] [lies: 2013].
(13) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Email vom 3.5.2015; ebd., Schreiben vom 4.5.2015; sowie ebd. Schreiben vom 4.5.2015.
(14) Oehlmann, Glaube und Gegenwart.
(15) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Vereinbarung vom 12.2.2013.
(16) LKAS, Handakten-Registratur 12.643-9, Schreiben vom 4.5.2015.
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Bestandsbearbeitung
Der bisher im Zugangsmagazin untergebrachte Bestand wurde im Juli 2016 durch David Schnur geordnet, von Fremdkörpern wie Metall und Dokumentenhüllen befreit, fachgerecht verpackt und mittels FAUST-7 in einer Datenbank verzeichnet. Bei der Ordnung wurde bewusst auf eine größere Neugliederung der vorgefundenen, nach Ordnern und Mappen gegliederten Binnenstruktur verzichtet, da die Archivalien bereits mehrfach mit ihren alten Signaturen - zumeist handelt es sich hierbei um die Rückenbeschriftung der einzelnen DIN-A4 Ordner bzw. Mappen - in der jüngeren Fachliteratur zitiert werden; eine völlige Neugliederung des Archivs hätte hingegen die Identifikation der bereits zitierten Stücke zukünftig erheblich erschwert. Stattdessen wurde versucht, die Einzelinhalte recht detailliert zu erfassen, was sich in der Ausführlichkeit der "Enthält"-Vermerke spiegelt. Der fertig verzeichnete Bestand wurde dem Zugangsmagazin entnommen und an neuem Standort aufgestellt; er beinhaltet 45 Bestellnummern und umfasst rund 1,5 laufende Regalmeter.
Entnommen wurden dem Bruderschaftlichen Archiv eine Anzahl lose beiliegender Druckschriften, die den Beständen der Landeskirchlichen Zentralbibliothek Stuttgart zugeordnet wurden. Wenn sich hingegen innerhalb einer Akte ein Schriftstück auf eine beiliegende Druckschrift oder Broschüre bezog, wurde diese nicht entnommen, sondern im Bestand belassen und im "Darin"-Vermerk angeführt. Bei den entnommenen Druckschriften handelt es sich im Einzelnen um:
- Reihe "Gott dienen ist höchste Freiheit - Deo servire summa libertas", Bde. I/1 bis I/3, II/1, II/3, III/1 bis III/3, IV/1 bis IV/3, V/1 bis V/3 und VI/1 bis VI/3.
- Sonderhefte zur Ergänzung der Reihe "Gott dienen ist höchste Freiheit - Deo servire summa libertas":
- Auf dem Weg zu einem tieferen Verstehen und einer besseren Praxis des Abendmahls. Argumente, Dokumente und Ermutigungen zum Gespräch von Walter Schlenker. Erste Ergänzung der Reihe der Predigtbroschüren über die Texte der EKD.
- Der Tod - Station auf dem Weg zu Gott. Tröstende und ermutigende Ansprachen von Helmut Gollwitzer, Paul Schempp, Eduard Thurneysen und anderen, hg. v. Walter Schlenker.
- Trauung - Ehe, Mann und Frau, Homophilie, hg. v. Walter Schlenker.
- Gesamtübersicht über 18 Broschüren mit ausgewählten Predigten zu den 6 Jahrgängen der Predigttexte der EKD, hg. v. Walter Schlenker.
- Evangelium als politische Weisheit. Walter Schlenker zu Siebzigsten Geburtstag. (2 Exemplare)
- Evangelische Antworten auf 51 Fragen zur Kriegsdienstverweigerung, Darmstadt o.J.
- Politik in der Kirche? Argumente und Dokumente, im Auftrag der Kirchlichen Bruderschaft hg. v. Walter Schlenker, Stuttgart 1969. (2 Exemplare)
- Schweitzer, Wolfgang / Schlenker, Walter (Hgg.): Gehorsam gegenüber Gott und Beamtenloyalität, hg. v. der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, Stuttgart 1982.
- "Warum wir die Notstandsgesetze ablehnen. Informationen und Argumente von Walter Schlenker, hg. v. der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, 1968.
- Noel-Baker, Philip, Der Weg zur Weltabrüstung - jetzt! Kleine antworten-Reihe A, Frankfurt a.M. 1964.
- Schlenker, Walter: Warum ich als Christ nicht Soldat sein kann. Zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, Ndr. Stuttgart 1976, 1. Aufl. Frankfurt a.M. 1964.
- Abscheu vor dem Krieg. Zum Antikriegstag und zur Friedensdekade eine Rede von Dekan W. Schlenker, Tuttlingen, hg. v. der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, 1986.
- Noch ist Zeit zur Umkehr. Christliches Friedenszeugnis heute, Stuttgart 1984.
- Kreck, Walter: Theologische Kriterien für politisches Handeln in der Friedensarbeit, Köln, 1981.
- Broschüren und Druckschriften der Kirchlichen Bruderschaft Sachsens:
- Unterwegs, Dresden 1983. (2 Exemplare)
- Gesellschaftliche Entwicklung in der theologischen Reflexion. Karl Barth und Paul Tillich im Vergleich, Dresden 1986.
- Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 und unser Christusbekenntnis von 1984, Tagungsbericht, o.O. 1984.
- Die Zukunft der Kirche und die Kirche der Zukunft, Dresden 1986.
- Theologische Reflexionen unseres kirchlichen und politischen Handelns, Dresden 1983.
- Wissenschaftlich-technischer Fortschritt - Menschliches Handeln zwischen Herrschaftsstreben und Schöpfungsbewahrung. Dokumentation zur Frühjahrstagung der KBS in Dresden vom 21. bis 23. April 1989, 1989.
- Christliche Friedensarbeit heute, Dresden 1984.
- Bestandssignatur
-
K 36
- Umfang
-
1,5 lfd. m
- Kontext
-
Landeskirchliches Archiv Stuttgart (Archivtektonik) >> K - Einrichtungen, Werke, Vereine
- Verwandte Bestände und Literatur
-
a) Ergänzende Überlieferungen im LKAS (Auswahl)
Vorbemerkungen: Die Tätigkeit der Kirchlichen Bruderschaft dürfte sich auch in den jeweiligen Personalakten der Mitglieder des Leiterkreises widerspiegeln. Diese befinden sich jedoch zur Zeit noch nicht im LKAS (Stand: Juli 2016; zukünftig im Bestand A 227 (Personalakten 1970 ff.)). Zu verweisen ist ebenfalls auf die Druckschriftensammlung der Landeskirchlichen Zentralbibliothek Stuttgart, deren Inhalte unter http://swb2.bsz-bw.de/DB=2.339/START_WELCOME recherchiert werden können.
- LKAS, A 126 (Allgemeine Kirchenakten der Kirchenleitung (Oberkirchenrat)) (1924-1966), Nr. 2137, Nr. 2148, Nr. 2162, Nr. 2191, Nr. 2198, Nr. 2202, Nr. 2214 und Nr. 2353
- LKAS, A 226 (Allgemeine Kirchenakten der Kirchenleitung (Oberkirchenrat)) (1967-1989), Nr. 580
- LKAS, K 2 (Amt für Information) (1961-1991), Nr. 154
- LKAS, K 28 (Offene Kirche) (1968-2003), Nr. 27
Anger, Irmgard (Hg.): 50 Jahre Barmer Erklärung - 450 Jahre Evangelische Landeskirche in Württemberg, Tuttlingen 1984.
Anger, Irmgard: Die Anfänge der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg, in: Günzler (Hg.), Evangelium als politische Weisheit, S. 7-14.
Buchstädt, Diethard: Kirche für die Welt. Entstehung, Geschichte und Wirken der Kirchlichen Bruderschaften im Rheinland und in Württemberg 1945-1960 (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 131), Köln/Bonn 1999.
Günzler, Martin: Tagungen - zur Tagungs- und Bruderschaftsarbeit heute, in: Ders. (Hg.), Evangelium als politische Weisheit, S. 64f.
Günzler, Martin: Grußwort an Walter Schlenker, in: Ders. (Hg.), Evangelium als politische Weisheit, S. 5f.
Günzler, Martin / Leiterkreis der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg (Hgg.): Evangelium als politische Weisheit. Walter Schlenker zum Siebzigsten Geburtstag (Deo servire summa libertas), Neuhausen o.E. 1998.
Handbuch für Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäte, hg. im Auftrag des Oberkirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom Evangelischen Gemeindedienst für Württemberg, Stuttgart 2001, S. 136.
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Oehlmann, Karin: Glaube und Gegenwart. Die Entwicklung der kirchenpolitischen Netzwerke in Württemberg um 1968 (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B: Darstellungen 62), Göttingen 2016.
Schlenker, Walter: Politik in der Kirche? Argumente und Dokumente, Stuttgart-Zuffenhausen, 1969.
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Werner, Herbert: Die Kirchliche Bruderschaft in Württemberg, in: Wir Christen und die Atheisten. Vorträge und Predigten der Landestagung der Kirchlichen Bruderschaft Württemberg am 7. und 8. November 1959, Darmstadt 1959, S. 98-100.
- Indexbegriff Sache
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27.03.2025, 11:46 MEZ
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- Bestand
Entstanden
- 1955-2014