Bestand
K 61 - Kirchlich-theologische Sozietät in Württemberg (Sammlung Pfr. Richard Widmann) (Bestand)
Einleitung: Bestandsbeschreibung
a) Die Kirchlich-Theologische Sozietät (KTS)
Die Kirchlich-Theologische Sozietät war neben der Bekenntnisgemeinschaft von 1934 (Freudenstädter Kreis von 1927, Kirchliche Bruderschaft und theologische Arbeitsgemeinschaft), parallel zur "Bekennenden Kirche" in anderen Landeskirchen, die bedeutendste Guppierung von Theologen in den staatlich-kirchenpolitischen, innerlandeskirchlichen sowie theologischen Auseinandersetzungen in Württemberg während des Dritten Reiches und des Kirchenkampfes, aber auch während der Neubesinnung der Evangelischen Kirche nach 1945.
"Die Kirchlich-Theologische Sozietät in Württemberg konstituierte sich förmlich erst am 19. Januar 1936. Der sie tragende Kreis kritischer, meist an Karl Barth geschulter Pfarrer - zu nennen wären u.a. die Brüder Herrmann und Harald Diem, Heinrich Fausel sowie Paul Schempp - war freilich bereits früher tätig gewesen und öffentlich in Erscheinung getreten, beginnend mit dem gegen die Deutschen Christen gerichteten Manifest 'Kirche und Straat. Ein Wort württembergischer Pfarrer zur kirchlichen Lage' vom April 1933. Zentrales Anliegen der von Hermann Diem, seit April 1934 Gemeindepfarrer in Ebersbach an der Fils, geleiteten Gruppe war es, den Anliegen der in der Bekennenden Kirche und den in Barmen geschaffenen theologischen Grundlagen in Württemberg Gehör zu verschaffen. Theologisch klar und kompromisslos, nahm die Sozietät für sich in Anspruch, als kritisches Korrrektiv der württemnbergischen Kirchenleitung agieren zu können und zu müssen - immer dann, wenn ihr der von Wurm und Oberkirchenrat verantwortete Kurs zu kompromissbereit schien. Spannungen und Konflikte waren von hier aus vorgezeichnet - im Umgang mit den Deutschen Christen und ihren völkisch-nationalkirchlichen Irrlehren, dem Anspruch des nationalsozialistischen Staates, rechtmäßig im kirchlichen Raum tätig zu werden (Reichskirche, Reichskirchenregiment), der Ablehnung des von den Bischöfen des Lutherischen Rates (Wurm, Meiser, Marahrens) befürworteten Eides auf den Führer und anderes mehr. Weil sich Wurm und der Oberkirchenrat in ihren Verlautbarungen wie in ihrer praktischen Politik zu weit von Barmen entfernten, übten sie in der Perspektive der Sozietät eine geistliche Leitung der Kirche faktisch nicht mehr aus. Insbesondere der Ipfinger Pfarrer Paul Schempp exponierte sich als radikaler Kritiker der Kirchenleitung und nahm dafür seine Dienstentlassung am 29. März 1939 in Kauf. Erst im November 1948 kamn es zu einer von Harald Diem vermittelten Aussöhnung zwischen Schempp und Wurm. Die übrigen Mitglieder der Sozietät hatten bereits während des Krieges wieder den Kontakt zu Wurm gesucht und schließlich auch seine führende Funktion in der evangelischen Kirche anerkannt." (aus: Haug, Norbert, Nationalzozialismus, in: Württembergische Kirchengeschichte Online, 2021). Zu den aktiven Theologen der Kirchlich-theologischen Sozietät gehörte auch Pfarrer Richard Widmann.
b) Pfarrer Richard Widemann
Er wurde geboren am 28.01.1900 in Stuttgart als Sohn des Bäckermeisters Gottlieb Widmann und Berta geb. Pfisterer. Er nahm noch am 1. Weltkrieg als Soldat teil. 1919 trat er ins Stift Tübingen, um Theologie zu studieren. Er kämpfte im Tübinger Studentenbataillon gegen dier "Spartakisten". Schon als Student ersehnte er mit vielen anderen eine grundlegende Erneuerung von Theologie und Kirche. Nach dem Examen war er Stadtvikar in Schramberg, dann in Stuttgart-Bad Cannstatt, abschließend Pfarrverweser in Steinheim bei Heidenheim. Während eines Studienurlaubs 1925 studierte er in Berlin, besuchte die Weltkirchenkonferenz in Stockholm und arbeitete in den Boldelschwingh'schen Anstalten mit "Fürsorgezöglingen". Seine Pfarrstellen waren Wurmberg bei Maulbronn, Plieningen II und Oberboihingen. Er hatte theologisch und kirchlich seinen Platz in der Bekennenden Kirche. Vor Beginn des 2. Weltkriegs wurde er zum Wehrdienst eingezogen.
Widmann veröffentlichte einige Schriften (s.u. Lit.).
Widmann war verheiratet mit der Tochter des Stadtpfarrers Kohler, Elisabeth Kohler. Fünf Kinder entstammen der Ehe, wovon eines bereits in frühen Jahren starb. Richard Widmann verstarb am 21.12.1979.
Bestandsgeschichte
Die Sammlung zur Kirchlich-Theologischen Sozietät (KTS) aus dem Nachlass von Pfarrer Richard Widmann wurde 2013 in das Archiv übernommen. Die Bestandteile zu den Vorgängen von 1934 bis 1945 waren bereits jahrgangsweise geordnet.
Zum Bestand "Sammlung Richard Widmann" gehörten auch ergänzende Sammlungen zur KTS ??? von Diethard Buchstädt aus Heidelberg (1936-1939 + 1945-1953 + 1957-1992),??? Willi Heintzeler (1934 ff). Eine Sammlung von Materialien zum Kirchenkampf (Flugschriften, Rundschreiben, Druckschriften) wurden von U. Stürzenhofecker an Prof. Martin Widman und von diesem an das Archiv gegeben; diese sind zu den Kontextmaterialien der Jahre 1934 bis 1939 genommen.
Hinzukamen zwei Schachteln als Nachtrag aus den Handakten Ehmer (1990er Jahre).
Bereits vor der systematischen Archivierung wurden Teile des Bestandes zu wissenschaftlichen Zwecken entnommen, vor allem vom Sohn Richard Widmanns, Prof. Dr. Martin Widmann, der die Materialien insbesondere für seinen Artikel "Die Kirchlich-theologische Sozietät" (s.u. Lit.) verwendete. Eine ursprüngliche Zuordnung der Vorgänge ging dadurch verloren; diese wurden jedoch teilweise thematisch neu geordnet. Die Rückgabe der entnommenen Bestandteile erfolgte per Post am 17.02.1995; den entliehenen Bestandsakten wurden auch (kommentierende, chronologische, systematische) Einzelblätter beigefügt; außerdem wurde eine größere Zahl von Vorträgen Martin Widmanns zum Thema KTS als ergänzender Nachlass dem Landeskirchen Archiv überlassen.
Die Archivierung des Nachlases erfolgte 2024/2025 durch Pfarrer Dr. Friedrich Löblein.
Bestandsübersicht
I. Die Geschichte der Kirchlich-Theologischen Sozietät (KTS) - Sammlung von Pfarrer Richard Widmann und anderen
II. Die theologische Arbeit der KTS
III. Pfarrer Richard Widmann sowie weitere Personen der KTS im Kirchenkampf und nach 1945
IV. Die Arbeit und Organisation der KTS
V. Weiterer Nachlass: Prof. Dr. Martin Widmann zur KTS und zum Kirchenkampf
Die Sammlung zur KTS enthält als kirchen- und zeitgeschichtliche Dokumente: Quellenmaterial zur KTS, Korrespondenz, multiplizierte ad-hoc-Schreiben, Texte, Vorträge und Aufsätze, Kontextmaterialien aus den Evangelischen Kirchen in Deutschland, der Bekennenden Kirche (BK), der Vorläufigen Kirchenleitung der DEK ( VL/VKL), dem Bruderrat, den Deutschen Christen (DC), u.a.
Literatur
Veröffentlichungen ( Aufsätze) von Richard Widmann: Kirche und Recht (1933) - Die Gemeinde der Gläubigen (1935) - Grenzenlose Dankbarkeit : Predigtmeditation zum nationalen Erntedankfest : Eph. 5, 20 (1935) - Das Recht in der Kirche nach Luthers Lehre (1938) - Leiden der Zeit. Zeichen künftiger Herrlichkeit : Predigt über Röm. 8, 17-27 (1954) - "Wir haben selber gehört und bekannt" : Predigt über Joh. 4, 27-43 (1954) - Der refomatorische Beitrag zum Verständnis von Christi Weltherrschaft (1966) - Paul Schempp (1900-1959) : Ansprache zur Beerdigung von Paul Schempp (2004).
Widmann, Martin: Die Geschichte der Kirchlich-theologischen Sozietät in Württemberg. In: Karl-Adolf Bauer (Hg.): Predigtamt ohne Pfarramt? Die "Illegalen" im Kirchenkampf. Neukirchener Verlag,1993, S. 110-190.
Alle genannte Lit. in EHZ Bibliothek.
Personlakte der Württembergischen Landeskirche (Sign.: LKAS, A 227-W)
Pfarrer Dr. Friedrich Löblein, xxxx 2025
Vgl. Es gibt auch eine Sammlung Otto Müllerschön zur Sozietät D 142 und in Magazin 3 12l die Mitgliederverwaltung der Sozietät noch unter P (vorl.) Kirchliche Sozietät. Womöglich macht es da Sinn das zu trennen. Das sehen wir aber erst nach der Erschließung.
- Bestandssignatur
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K 61
- Umfang
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3 lfm.
- Kontext
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Landeskirchliches Archiv Stuttgart (Archivtektonik) >> K - Einrichtungen, Werke, Vereine
- Provenienz
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Zugang 2013-8
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
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27.03.2025, 11:46 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Zugang 2013-8