Bestand
Einzelakten des Domkapitels 1821–1945 (Bestand)
1. Behördengeschichte
Wie die anderen heute bestehenden Kapitel der bayerischen Diözesen geht auch das Würzburger Domkapitel auf die kirchliche Neuordnung von 1821 zurück. Im bayerischen Konkordat von 1817 war festgelegt worden, dass sich die neuen Domkapitel in den Bistümern aus zwei Dignitären (Dompropst, Domdekan), acht Domkanonikern und sechs Domvikaren zusammensetzen sollten. In den beiden Erzbistümern (München und Freising, Bamberg) erhielten die Kapitel je zehn Domkanonikerstellen zugebilligt. Das Würzburger Domkapitel wurde durch Ausführungsdekret des Münchener Nuntius Erzbischof Francesco di Serra-Cassano am 5. November 1821 errichtet. Aus dem alten, 1803 aufgelösten Würzburger Domstift waren neben Franz Anton Jakob Freiherr von Reinach (1755–1830), der zum neuen Dompropst ernannt worden war, nur zwei ehemalige Domstiftsvikare 1821 in das neue Domkapitel übernommen worden. Zum Domdekan wurde Dr. Dr. Josef Fichtl (1740–1824) aufgrund seiner Verdienste um die Diözese in der Übergangszeit (1803–1821) ernannt. Auch die neuen Kapitel waren eigenständige geistliche Korporationen, doch einen Sonderstatus im Diözesangefüge und eine vom Bischof rechtlich unabhängige Stellung besaßen sie nicht mehr. Mit der konkordatären Festlegung, dass die Domkapitel neben ihren liturgischen Aufgaben und Funktionen in den Kathedralkirchen in ihrer Gesamtheit die Bischöfe als Räte und Mitarbeiterstab in der Diözesanverwaltung zu unterstützen hatten, wuchs ihnen zudem ein völlig neues Arbeitsfeld zu. Voraussetzungen für die Aufnahme in die Kapitel bildeten neben einem tugendhaften Lebenswandel und der formalen Bestimmung, dass man ein bayerisches Landeskind sein musste, nun vor allem die persönlichen und fachlichen Qualifikationen sowie bereits erworbene Berufserfahrungen in der Seelsorge, im Schulwesen, im Bereich der Theologie und der Priesterausbildung oder in der kirchlichen Verwaltung.
In der Zirkumskriptionsbulle hatte der Papst 1818 den neuen Domkapiteln das Recht zugestanden, sich durch freie Beschlussfassung der Mitglieder Statuten zu geben, allerdings mit der Einschränkung, dass diese durch den jeweiligen Diözesanbischof geprüft und genehmigt werden mussten. Einen ersten Statutenentwurf legte das Würzburger Domkapitel im November 1822 dem Bischof vor. Nachdem Bischof Adam Friedrich von Groß zu Trockau (amt. 1821–1840) im Januar 1823 einige Änderungen vorgenommen hatte, wurden die Statuten am 11. März 1823 durch das Domkapitel verabschiedet und unterzeichnet. Am 14. März 1823 erteilte der Bischof die erbetene Genehmigung mit dem Vorbehalt der päpstlichen Approbation. Inhaltlich umfasste das Statut folgende Bestimmungen: Teilnahme des Domkapitels an den Gottesdiensten in der Kathedralkirche; Bereitstellung würdiger Prediger und Beichtväter, da die Kathedralkirche zugleich Pfarrkirche (Dompfarrei) ist; innere Organisation (Residenzzeiten, Kapitelssitzungen, Peremptorialsitzungen); Aufgaben bei besetztem Bischöflichen Stuhl (Aufgaben des Dompropstes und Domdekans, Ökonomie); Aufgaben bei erledigtem Bischöflichen Stuhl (Ernennung eines Generalvikars, Organisation der Interimsverwaltung nach Vorschrift des Konzils von Trient, Aufrechterhaltung der bischöflichen Rechte); Verhältnis zum Bischof (Räte in der Verwaltung, Besorgung der Ordinariats- und Konsistorialgeschäfte, Assistenz bei Pontifikalhandlungen); Rechte einzelner Domkapitelsmitglieder (Pfründeverlust, Wohnung); Rechte des gesamten Domkapitels (Bauerhaltung der Domkapitelsgebäude, Wiederbesetzung erledigter Kanonikate durch den Turnus, Aufnahmemodalitäten, Investitur und Installation neuer Domkanoniker). Erst nach der Kodifizierung des kanonischen Rechts durch den Codex Iuris Canonici 1917 und nachdem das Verhältnis von Staat und Kirche durch das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern von 1924 neu geregelt worden war, beschloss das Domkapitel am 30. Dezember 1926 neue Statuten, die am 21. Dezember 1927 durch Bischof Matthias Ehrenfried (amt. 1924–1948) approbiert wurden.
Die inneren Angelegenheiten des Würzburger Domkapitels wurden in den Kapitelssitzungen beraten und entschieden. Neben den ordentlichen, alle vierzehn Tage im Kapitelsaal stattfindenden Plenarsitzungen gab es eine jährlich am Vorabend des St. Andreasfests (Patron des Würzburger Doms) zu haltende außerordentliche Generalversammlung, die sogenannte Peremptorialsitzung, an der alle Mitglieder des Domkapitels teilzunehmen hatten. Nach dem Statutenentwurf von 1822 kam dem Domdekan das Recht und die Aufgabe der Einberufung und Leitung der Kapitelssitzungen zu. Die zu beratenden Themen und Gegenstände wurden, sofern zuvor nicht an andere Domkapitelsmitglieder delegiert, zunächst durch den Dekan vorgetragen und nach Diskussion und Beratung zur freien und geheimen Abstimmung gebracht. Der Domdekan zählte daraufhin die Stimmen aus, die Beschlussfassung erfolgte durch einfache Stimmenmehrheit. Über jede Kapitelssitzung wurde ein eigenes Protokoll mit Angabe der Teilnehmer, der Beratungsgegenstände und Beschlüsse angefertigt. Zu den weiteren Aufgaben des Domdekans zählte die Disziplinaraufsicht über die Domkapitelsmitglieder sowie die Aufsicht über den ordnungsgemäßen Vollzug der Gottesdienste in der Kathedralkirche. Aufgabe des Dompropstes war die Oberaufsicht über das Bauwesen des Doms und aller domkapitelschen Gebäude wie auch die Verwaltung der Domkapitelsfinanzen und -güter. Der Dompropst war zudem verantwortlich für die sichere Verwahrung des Domschatzes sowie die Bereitstellung der Ornate und Gerätschaften für die Gottesdienste in der Kathedralkirche.
Die Besetzung der Domkapitel und die Aufnahmekriterien in die Kapitel unterlagen den in Artikel X des Konkordats von 1817 festgesetzten Bestimmungen. Danach erfolgte die Ernennung der Dompröpste durch den Papst, die der Domdekane durch den bayerischen König. Die Ernennung der Domkanoniker war aufgeteilt: In den ungeraden Monaten erfolgte die Nomination durch den König, in den geraden Monaten im Wechsel durch Bischof und Domkapitel, wobei der Bischof bei Erledigungen in den Monaten Februar, Juni und Oktober, das Domkapitel in den Monaten April, August und Dezember berief. Die Ernennung der Domvikare war den Bischöfen zugesprochen worden. Die Erstbesetzung der Dignitäre, Domkanoniker und Domvikare wurde im Zuge der Wiedererrichtung der Domkapitel 1821 dann allerdings in Abstimmung mit dem König durch den päpstlichen Nuntius vorgenommen.
2. Überlieferung
Der Bestand „Einzelakten des Domkapitels 1821–1945“ umfasst 45 Verzeichnungseinheiten in einem Archivkarton (0,15 lfd. Meter). Zeitlich reicht die Überlieferung von der Bistumsneugründung im Jahr 1821 bis in die 1930er Jahre. Inhaltlich handelt es sich um einen fragmentarischen Teil einer Überlieferung, die vermutlich durch die Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945 unwiederbringlich verloren ging. Der Informationsgehalt ist angesichts des schmalen Umfangs gegenüber einer lückenlosen amtlichen Überlieferung gering. So besteht ein gewisser Anteil der Überlieferungen nur auf Basis von Notizzetteln oder einzelnen (unvollständigen) Mitschriften. Konzeptionelle Entwürfe von auslaufenden Schreiben mit Gegenzeichnungen sind nur in geringem Umfang enthalten. Grundsätzlich zeichneten die Dompröpste Friedrich Thinnes (Nr. 14, 17, 22, 23), Dr. Johann Josef Jakob Kühles (Nr. 40–41), Dr. Franz Xaver Himmelstein (Nr. 25) und der Domdekan Georg Joseph Götz (Nr. 14) verantwortlich. Durch den Expeditionsvermerk (Fertigungsbefehl) werden die Sekretäre des Domkapitels ersichtlich, wie Johann Valentin Reißmann (Nr. 14, 18), Franz Ludwig Wickenmayer (Nr. 23) und Friedrich Busch (Nr. 25). Tätig war auch der Hausmeister Karl Alles (Nr. 40–41). Zwei Expeditionsvermerke stammen von den Dompräbendaren (Domvikaren) Peter Scheck (Nr. 36) und Dr. Adam Wehner (Nr. 20). Eine Einheit hatte die Genehmigungsverfügung des Bischofs Georg Anton von Stahl (amt. 1840–1870) und des Dompropstes Dr. Friedrich Thinnes (Nr. 17). Es ist davon auszugehen, dass der vorliegende Bestand überwiegend aus der Registratur des Domkapitels stammt. Beleg dafür ist ein aus der Zeit stammender Aktendeckel „Acten des Bischöfl:Domcapitels Würzburg“ mit Betreff und Registrierung (Nr. 23). Eine Einheit (Nr. 35) besitzt einen Einlaufstempel des Bischöflichen Ordinariats, der aber durchgestrichen und neben dem halbbrüchigen Haupttext mit der Schlussverfügung „Nach Mitteilung an das B[ischöfliche] Ordinariat ad Acta: Nr. E. 213 Dr. Kühles [Domkapitel Würzburg]“ zu den Akten gelegt wurde. Zudem erstellte der Ordinariatsarchivar Dr. Franz Joseph Bendel ein Verzeichnis aller zur Dompfarrei gehörigen Kurienhäuser (Nr. 39). Der Gesamtbestand „Akten des Domkapitels“ wurde im Jahre 1987 erstmals im Diözesanarchiv verzeichnet. Inwieweit die Einheiten schon vor 1945 im damaligen Ordinariatsarchiv mit den historischen Einheiten zusammen gelagert waren, bleibt offen. Vielmehr könnte es sich auch um ein Überbleibsel der bis 1945 existierenden Domkapitelsregistratur handeln, die gemeinsam mit dem Domkapitelsarchiv in einem Seitenschiff der Domkrypta 1945 überlebt haben soll.
Der Erhaltungszustand aller Archivalien ist insgesamt als gut zu bezeichnen.
3. Bestandsbearbeitung
Der Bestand „Akten des Domkapitels“ umfasste vor seiner Neuverzeichnung im Jahr 2018 elf Archivkartons mit einer Laufzeit vom 15. bis 20. Jahrhundert. Die Unterlagen der ersten acht Kartons waren in den 1980er Jahren verzeichnet worden, die der darauffolgenden drei waren hauptsächlich auf Zugänge aus der zentralen kirchlichen Verwaltung zurückzuführen.
Der in den 1980er Jahren verzeichnete Bestand wurde bei der Neuverzeichnung in vier Provenienzbestände aufgeteilt. Die ersten beiden Bestände beinhalten die „Domkapitelsakten der Geistlichen Regierung bis 1803“ und die „Einzelakten des Domstifts und Domkapitels bis 1803 (1821)“, der dritte enthält heute alle Einheiten ab 1821 und der vierte Bestand die Überlieferung ab 1945.
Durch die Provenienzanalyse wurden einzelne Einheiten des ursprünglichen Gesamtbestands in die „Bischöflichen Manualakten 1821–1898“ ausgegliedert. Diese umfassen vor allem die Überlieferungen bis zur Neugründung des Bistums Würzburg unter Provikar und Generalvikar Dr. Dr. Josef Fichtl (amt. 1813–1821) sowie von Bischof Adam Friedrich Groß zu Trockau (amt. 1821–1840) verfertigten Konzepte mit Bezügen zum Domkapitel (Alt-Signaturen 3.k, 6.i, 10.g, 10.h, 10.i, 10.k, 10.l, 10.m, 10.n, 10.o.a, 10.o.b, 11.f). Ebenso sind einzelne Überlieferungssplitter ohne klaren Bezug zum Domkapitel bzw. Domstift in den neu angelegten Bestand „Einzelakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1919 (1945)“ überführt worden (Alt-Signaturen 2.a, 2.3.g, 5.c, 6.i, 7.m). Darüber hinaus wurden sämtliche Druckwerke (Domkapitelsakten, Alt-Signaturen: 1.f.d, 1.f.h, 1.f.k, 2.1.d; Bischöfliche Manualakten, Alt-Signaturen A.5.3) in den Buchaltbestand der Diözesanbibliothek überführt. Mechanische Kopien (Alt-Signatur: 2.1.h) von Archivalien vor 1945 sind generell entnommen worden, ebenso eine Einheit (Alt-Signatur 11.k) mit Bauplänen (Planselekt 4435–4438).
Der Bestand „Einzelakten des Domkapitels 1821–1945“ wurde inhaltlich in sieben Ebenen gegliedert. Dabei wird zwischen Statuten und rechtlichen Grundlagen, Domkapitelssitzungen, Dignitären, Kanonikern und Hilfsämtern, Gottesdiensten und Festivitäten, Gebäuden und Wohnungen, Dom und Dompfarrei sowie Haushalts- und Kassenwesen unterschieden. Weitere Zugänge zum Bestand sind nicht zu erwarten.
Die Provenienzbereinigung und Neuverzeichnung des Bestands im Jahr 2018 fand von März bis August aus Anlass der Bereitstellung archivischer Findmittel im Archivportal-D statt. Mit der veränderten Ordnung sind die Titel nach heutigen archivischen Standards neu gebildet worden. Der Umfang wurde dabei grundsätzlich in Folio oder Blatt angegeben. Eine darüber hinaus gehende Anzahl an losen, gehefteten oder gefalteten Dokumenten wurde entweder als Faszikel (mehrere Einzelblätter) oder, bei einer umfangreicheren Einheit, als Konvolut (Aktenpaket) bezeichnet. Aktenpakete besitzen mit der badischen bzw. preußischen Fadenheftung meist eine feste Bindung. Zudem kann der Umfang – abhängig von der Bindungs-/Verpackungsart – in Band, Heft oder Mappe angegeben werden. Prinzipiell erschließt sich die tatsächliche Materialmenge über die Rückenstärke (Aktendicke/-breite in Zentimeter) der Einheit. Diese sind in runden Klammern ( ) festgehalten. Wurden bei der Verzeichnung Angaben wie Datierung, Orte oder Personen von den Bearbeitern über inhaltliche Hinweise in den Akten oder über weiterführende Hilfsmittel und Literatur erschlossen, so sind diese mit eckigen Klammern [ ] gekennzeichnet. Dazu abweichende Daten älterer Anlagen (z. B. Abschriften) sind im Feld Datierung-Findbuch in runden Klammern ( ) angegeben, ohne dass sie bei der Kernlaufzeit miterfasst wurden.
4. Benutzung
Der Bestand ist uneingeschränkt zugänglich.
5. Sachverwandte Bestände
- Bischöfliche Manualakten 1821–1898
6. Zitierempfehlung
Diözesanarchiv Würzburg (DAW), Einzelakten des Domkapitels 1821–1945, Nr. ...
7. Literatur (in Auswahl)
- Franz Joseph Bendel, Das Würzburger Domkapitel seit dessen Wiedererrichtung im Jahre 1821, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 16/17 (1954/55), S. 1–62.
- Friedrich Merzbacher, Die Dignitäten in den Statuten des Würzburger Domkapitels, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 37/38 (1975), S. 359–377.
- Matthias Rauch, Das Recht der Domkapitel in Bayern. Die einschlägigen Canones des CIC/1983 und ihre statutarische Umsetzung im Bereich der bayerischen Kirchenprovinzen – Künftige Entwicklungsperspektiven (Kanonistische Studien und Texte 68), Berlin 2017.
- Philipp Schneider, Die bischöflichen Domkapitel, ihre Entwicklung und rechtliche Stellung im Organismus der Kirche, Mainz 1892.
- Thomas Wehner, Das Bistum Würzburg im Spannungsfeld zwischen Säkularisation, Konkordat und Neuorganisation, in: Hans Ammerich (Hg.), Das Bayerische Konkordat 1817, Weißenhorn 2000, S. 231–244.
- Thomas Wehner, Die Verwaltung des Bistums Würzburg und seiner Pfarreien im 19. und 20. Jahrhundert. Träger und Strukturen im Überblick, in: Wolfgang Altgeld/Johannes Merz/Wolfgang Weiß (Hg.), Josef Stangl 1907–1979. Bischof von Würzburg. Lebensstationen in Dokumenten, Würzburg 2007, S. 46–67.
- Thomas Wehner/Wolfgang Weiß, 1821 – Bruch, Beginn, Wandel. 200 Jahre neues Bistum Würzburg, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter Bd. 84 (2021), Würzburg 2021, S. 13–125.
Stand: Dezember 2021
- Bestandssignatur
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Diözesanarchiv Würzburg, Einzelakten des Domkapitels 1821–1945
- Kontext
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Diözesanarchiv Würzburg (Archivtektonik) >> 03. Bistum Würzburg seit 1821 >> 03.02 Domkapitel und Domregie
- Bestandslaufzeit
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1821–1945
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- Letzte Aktualisierung
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28.09.2023, 11:31 MESZ
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1821–1945