Bestand
Deutsche Polizeidienststellen in Polen (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Das besetzte Polen war neben den besetzten Gebieten der Sowjetunion
dasjenige Territorium, in welchem der nationalsozialistische Terror, der
Terror von Polizei und SS, die größten Ausmaße erreichte. Dass die
administrative Zusammenfassung von Sicherheitspolizei und
Sicherheitsdienst im Reichssicherheitshauptamt ausgerechnet Ende
September 1939 erfolgte, einen guten Monat nach dem Überfall auf Polen,
ist in dieser Hinsicht bezeichnend, sollten die Polizeikräfte in ihrer
Überschneidung mit der SS im besetzten Polen doch eine ganz erhebliche
Rolle spielen. Insgesamt wird an der Praxis der Polizeiorgane im
besetzten Polen - nicht nur im Generalgouvernement, auch in den
eingegliederten Gebieten - in besonderer Weise der - nach der
Formulierung Ernst Fraenkels - maßnahmenstaatliche Charakter des
Nationalsozialismus deutlich, wurde hier doch ganz offensichtlich mit
großer Brutalität, Kompromisslosigkeit und vielfach unter Missachtung
auch der Rechtsgrundlagen der eigenen Besatzungsverwaltung der
"Sicherungsauftrag" der Polizeiorgane verwirklicht. Dieser Auftrag, den
Polizei und SS nach Maßgabe der verantwortlichen leitenden Stellen in
Polen zu erfüllen hatten, wurde im Juli 1939 in der internen
Kommunikation des Reichssicherheitshauptamtes mit der griffigen Formel
der "Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente" umrissen
(vgl. hierzu: BArch, R 58/241, Bl. 169-175).
In
der Praxis bedeutete dies zunächst, parallel zu einer umfangreichen Welle
von Festnahmen, weitreichenden Terror in Form von Geiselerschießungen als
Reaktion auf vermeintliche oder tatsächliche bewaffnete Übergriffe von
Seiten der polnischen Bevölkerung auf Armeeangehörige nach der
Kapitulation des Landes. Ab Frühjahr 1940 begannen die Einsatztruppen der
Polizei dann zusätzlich im Rahmen der "Aktion AB" mit der Liquidierung
der polnischen Führungsschicht. Organe der Polizei und der SS waren
naturgemäß ebenso an der ansatzweisen Durchführung der großangelegten
Siedlungs- und Volkstumspläne beteiligt, welche im Umfeld von Heinrich
Himmlers "Reichskommissariat zur Festigung des deutschen Volkstums" (RKF)
und den Forschungsstellen des Reichssicherheitshauptamtes entworfen
wurden.
Alles in allem war die Durchdringung
Polens und insbesondere des Generalgouvernements mit SS- und
Polizeistellen so ausgeprägt wie in keinem anderen besetzten Land
Europas.
Was Kompetenzen und Handlungsspielraum
von SS- und Polizei betraf, so wurde bereits in Polen nach dem
insbesondere (aber nicht nur) im besetzten Osteuropa gängigen Grundsatz
verfahren, dass diese zwar formal und nominell erst der Militär- und
dann, ab deren Errichtung, der Zivilverwaltung unterstellt waren, aber
gleichzeitig und tatsächlich ihren Terrorauftrag, von der obersten
NS-Führung sanktioniert, weitgehend ungebunden und im Konfliktfall ohne
Rücksicht auf andere Instanzen ausführen konnten und dies auch taten.
Unterstützend hierbei wirkten noch zum einen die frühzeitige Übertragung
der Standgerichtsbarkeit auf die Truppen von Polizei und SS (die bis
dahin allein der Wehrmacht vorbehalten gewesen war) sowie die Etablierung
einer eigenen Sondergerichtsbarkeit durch SS- und
Polizeigerichte.
Bearbeitungshinweis:
Online-Findbuch
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte:
Der Bestand setzt sich aus
Akten, die bei Kriegsende von der US-amerikanischen Besatzungsmacht
beschlagnahmt und später an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben
worden waren, sowie aus kopierten Unterlagen nach Vorlagen aus den
Instytut Zachodny Posen, teilweise kopierten Unterlagen aus dem
Staatsarchiv Danzig, Kopien aus der Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung national-sozialistischer
Verbrechen, Kopien nach Vorlagen aus dem Staatsarchiv Lublin, Kopien nach
Vorlagen aus dem Yivo-Institut New-York, aus Unterlagen aus dem
Privatbesitz von Oskar Knofe (Generalmajor der Polizei a.D.),
unbearbeiteten Resten diverser Akteneinheiten; überwiegend aber v.a. aus
Personalakten und einer geringen Überlieferung von Sachakten (458 AE) aus
der Sammlung "NS-Archiv" des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR
zusammen. Letztere wurden 2009/2010 in den Bestand integriert.
Archivische Bewertung und Bearbeitung:
Die Bewertung und Verzeichnung des Bestandes erfolgte 1978 in der
Dienststelle Koblenz des Bundesarchivs. Das vorliegende Findbuch basiert
auf dem dort erarbeiteten vorläufigen Findbuch. 2009/2010 wurden 458 AE
aus der Sammlung "NS-Archiv" des Ministeriums für Staatssicherheit der
DDR in den Bestand integriert. Dabei mussten die Aktentitel z.T.
überarbeitet und die Klassifikation erweitert werden. Kassationen fanden
in sehr geringem Maße (ca. 15 AE) statt. Insgesamt umfasst der
Aktenbestand aktuell 702 AE.
Inhaltliche
Charakterisierung:
Der im Bundesarchiv verwahrte
Aktenbestand der deutschen Polizeidienststellen in Polen enthält
hinsichtlich der eingegliederten Gebiete Akten der Höheren SS- und
Polizeiführer im Reichsgau Wartheland und in Danzig-Westpreußen, dazu
entsprechend Akten der Gestapostellen in Danzig und Posen. Auf Seiten der
staatlichen Polizeiverwaltung sind Akten der Polizeipräsidenten eben
dieser Städte sowie der Schutzpolizei und Gendarmerie Litzmannstadt.
Ferner der Gendarmerie in Preußisch-Stargard, der Gendarmerie im
Regierungsbezirk Posen sowie der Gestapoaußenstelle Ruppin überliefert.
Hinsichtlich des Generalgouvernements finden sich hier Akten des HSSPF
Ost, der diesem unterstellten Befehlshaber der Sicherheitspolizei, der
SS- und Polizeiführer von vier der schließlich fünf Bezirke des
Generalgouvernements sowie der Kommandeure der Sicherheitspolizei und des
SD in den Bezirken Krakau, Lublin, Radom und Warschau.
Durch die Bezeichnung des Bestandes ("eingegliederte und besetzte
Gebiete") nicht adäquat rubriziert ist die Überlieferung an Akten von
Polizeidienststellen in den preußischen Provinzen Schlesien und
Ostpreußen. Da diese Überlieferung nur fragmentarisch vorliegt, wurde sie
dennoch vorläufig in den vorliegenden Bestand integriert. Im einzelnen
handelt es sich um Unterlagen der Staatspolizeistellen Breslau, Kattowitz
und Liegnitz, der Polizeipräsidenten in Sosnowitz und Gleiwitz, der
Gendarmerie in Oppeln sowie um Akten der Gendarmerie Elchwalde (Kreis
Preußisch-Eylau) und der Staatspolizei im in die Provinz Ostpreußen
eingegliederten Zichenau.
Neben einer relativ
großen Zahl von Schriftstücken zur Verwaltungs- und insbesondere der
Finanzverwaltungstätigkeit diverser Dienststellen finden sich hier Akten
zu den üblichen Bereichen der Tätigkeit von Gestapo, Kripo und SD.
Fahndungen und Verhaftungen, Strafverfahren, Gegneraufklärung,
Tätigkeitsberichte diverser Polizeieinheiten von der Gendarmerie bis zum
Einsatzkommando, Verfügungen bezüglich Zwangsarbeit und Grenzverkehr,
auch Schriftstücke - allerdings wenige - betreffend die Ghettoisierung
und Deportation der jüdischen Bevölkerung.
Ergänzende Überlieferung findet sich vor allem in den Beständen NS
19 Persönlicher Stab Reichsführer SS, R 19 Hauptamt Ordnungspolizei, R 52
Regierung des Generalgouvernements und R 58
Reichssicherheitshauptamt.
Personenbezogene
Unterlagen von Angehörigen der Polizeidienststellen und -einheiten sind
in den Sammlungen des ehemaligen Berlin Document Centers und des
sogenannten NS-Archivs des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR
überliefert. Für eine Recherche stehen Datenbanken zur Verfügung, die
über Namen, Vornamen und Geburtsdatum sowie provenienzbezogen abrufbar
sind.
Allgemeine Angelegenheiten (2), Höherer SS-
und Polizeiführer Weichsel (9), Staatspolizeileitstelle Danzig (5),
Staatspolizeiaußendienststelle Rippin (1), Polizeipräsident Danzig (62),
Staatliche Polizeikasse Danzig (1), Polizeidienststellen im Reichsgau
Danzig-Westpreußen (2), Höherer SS- und Polizeiführer Warthe (9),
Staatspolizeileitstelle Posen (10), Staatspolizeistelle Litzmannstadt
(115), Befehlshaber der Ordnungspolizei Posen (22), Polizeiverwaltung
Posen (17), Kommando der Schutzpolizei Litzmannstadt (4), Kommandeur der
Gendarmerie beim Regierungs-präsidenten Litzmannstadt (11), Gendarmerie
im Regierungsbezirk Posen (4), Gendarmerie im Regierungsbezirk Kalisch
(23), Höherer SS- und Polizeiführer Ost (23), Befehlshaber der Sipo und
des SD Krakau (20), Befehlshaber der Ordnungspolizei Krakau (4), SS- und
Polizeiführer Lublin (18), SS- und Polizeiführer Radom (4), SS- und
Polizeiführer Warschau (1), SS- und Polizeiführer Lemberg (2), Kommandeur
der Sipo und des SD Krakau (8), Kommandeur der Sipo und des SD Lublin
(81), Kommandeur der Sipo und des SD Radom (23), Außenstelle Petrikau
(11), Außendienststelle Tomaschow (17), Kommandeur der Sipo und des SD
Warschau (113), Grenzpolizei-posten Malkinia (1), Gendarmerie Distrikt
Lublin (39), Gendarmerie Distrikt Radom (1), Gendarmerie Distrikt
Galizien (1), Staatspolizeidienststelle Breslau (4),
Staatspolizeileit-stelle Kattowitz (10), Staatspolizeistelle Liegnitz
(2), Polizeipräsident in Sosnowitz (8), Polizeipräsidium Gleiwitz (4),
Kommandeur der Gendarmerie Oppeln (3), Gendarmerie Elchwalde / Krs:
Preußisch-Eylau (1), Staatspolizeidienststelle Zichenau (38)
Erschließungszustand: Findbuch
1978, Online-Findbuch 2011
Umfang, Erläuterung: 702 AE (z.T.
verficht)
Zitierweise: BArch R
70-POLEN/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 70-POLEN
- Umfang
-
760 Aufbewahrungseinheiten; 15,0 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Inneres, Gesundheit, Polizei und SS, Volkstum
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: Personenbezogene Unterlagen von Angehörigen der Polizeidienststellen und -einheiten sind in den Sammlungen "Berlin Document Center" und "NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR" überliefert. Für eine Recherche stehen Datenbanken zur Verfügung, die über Namen, Vornamen und Geburtsdatum sowie provenienz- und sachbezogen abrufbar sind.
Ergänzende Überlieferung findet sich vor allem in den Beständen NS 19 (Persönlicher Stab Reichsführer SS), R 19 (Hauptamt Ordnungspolizei), R 52 (Regierung des Generalgouvernements) und R 58 (Reichssicherheitshauptamt).
Literatur: Borodziej, Wlodzimierz: Terror und Politik. Die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939-1944, Mainz 1999;
Broszat, Martin: Nationalsozialistische Polenpolitik 1939-1945, Frankfurt (Main) 1965;
Kleßmann, Christoph: September 1939. Krieg, Besatzung, Widerstand in Polen. Acht Beiträge, Göttingen 1989;
Krausnick, Helmut; Wilhelm, Hans-Heinrich: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942, Stuttgart 1981;
Madajczyk, Czeslaw: Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939-1945, Berlin 1987;
Weitbrecht, Dorothee: Der Exekutionsauftrag der Einsatzgruppen in Polen, Filderstadt 2001
- Provenienz
-
Polizeidienststellen in Polen (R 70 POLEN), 1933-1945
- Bestandslaufzeit
-
(1914, 1916,1922-1924, 1929-1932) 1933-1945 (1947, 1949)
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
Bundesarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Polizeidienststellen in Polen (R 70 POLEN), 1933-1945
Entstanden
- (1914, 1916,1922-1924, 1929-1932) 1933-1945 (1947, 1949)