Bestand
B Rep. 213 Bezirksverwaltung Tempelhof (Bestand)
Vorwort: BESTANDSINFORMATION
B Rep. 213 Bezirksverwaltung Tempelhof
I. Bezirksgeschichte
Der südliche Berliner Bezirk Tempelhof wurde 1920 bei der Bildung Groß-Berlins als 13. Verwaltungsbezirk aus den Gemeinden Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Lichtenrade gegründet. Diese bilden die vier Ortsteile des Bezirks. Er erstreckt sich langgezogen von Kreuzberg im Norden bis an die Stadtgrenze zu den Landkreisen Zossen und Königs Wusterhausen im Süden. Im Osten grenzt er an Neukölln, im Westen an Schöneberg und Steglitz. Mit einer Fläche von 40,77 qkm und einer Einwohnerzahl von ca. 191 000 gehört Tempelhof heute zu den großen Bezirken der Stadt.
Mit der askanischen Besiedlung des Teltow wurden am Übergang vom 12. zum 13. Jahrhundert die vier Dörfer gegründet, aus denen der heutige Bezirk hervorgegangen ist. Hunderte von Dörfern und Städten, die zum großen Teil heute noch bestehen, wurden damals in der Mark Brandenburg durch Lokatoren, Siedlungsbevollmächtigte der Markgrafen aus dem Geschlecht der Askanier, angelegt. Bei den Lokatoren von drei der vier Ursprungssiedlungen im Bezirk Tempelhof, bei Tempelhof selbst, Mariendorf und Marienfelde, handelte es sich jedoch nicht um weltliche Adlige oder um Beauftragte des Markgrafen, sondern um Angehörige des geistlichen Ritterordens der Tempelherren. <1> Noch heute erinnert das Kreuz im Bezirkswappen an die Gründer der Erstsiedlungen auf Tempelhofer Boden durch die Templer. <2> Wann sich der Ritterorden im Teltow niedergelassen hat, ist nicht genau nachzuweisen. Die um 1220 erbauten Dorfkirchen von Tempelhof und Marienfelde deuten allerdings darauf hin, dass die Ordensritter bereits vor 1220 in das Gebiet gekommen sein müssen. Ungeklärt dabei bleibt, ob der Templerorden hier Vorsiedlungen übernehmen konnte oder ob die Dörfer Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und der Hof Richardsdorf (= Rixdorf) von ihm gegründet wurden. Allein das Dorf Lichtenrade ging auf eine Gründung der askanischen Markgrafen zurück und gehörte nicht zu dem Gebiet des Ordens. <3> Die Tempelherren widmeten sich auf den ihnen anvertrauten Dorfgütern kolonisatorischer und landwirtschaftlicher Arbeit. Ihre Komturei, die auf dem Gelände westlich der Tempelhofer Dorfkirche nahe dem heutigen Rathaus lag, war zwar wie eine Burg von einem Wall und Wassergraben umgeben, wurde jedoch nicht zu militärischen Zwecken benutzt. Sie war Gutsgebäude, Wirtschaftshof und Wohnung der Ordensritter, die von hier aus das benachbarte Angerdorf Tempelhof und die von ihnen betreuten Siedlungen Mariendorf und Marienfelde verwalteten. Die Bauern, die das Land bestellten, kamen meist aus den alten deutschen Siedlungslandschaften jenseits der Elbe in die Mark. <4>
Die erste urkundlich gesicherte Erwähnung des Ortes Tempelhof datiert aus dem Jahre 1290. <5> Eine frühere, allerdings nicht sicher nachgewiesene Nennung des Ortes erscheint in einer Urkunde des Bischofs und Domkapitels von Brandenburg aus dem Jahre 1247 mit einer Schenkung an das Kloster Walkenried im Harz. Darin wird als Zeuge ein Magister Hermannus de Templo genannt. Dessen Namenszusatz bezieht sich möglicherweise bereits auf den Ordensbesitz im Berliner Raum und nicht auf das Dorf Tempel <6> zwischen Schermeisel und Meseritz.
Das Dorf Marienfelde wird erstmalig in einem Vertrag des Bürgers Johann Ryke aus dem Jahr 1344 genannt, durch den dieser, Angehöriger eines der wohlhabendsten Patriziergeschlechter aus der Kaufmannsiedlung Cölln, an der Spree, den Lehnschulzenhof erwirbt und damit zugleich Dorfschulze wird.
Das erste erhaltene Dokument über Mariendorf ist eine 1348 in Cölln ausgestellte Urkunde, in der ein Petrus Mergendorp als Zeuge aufgeführt wird - Mergendorp ist die niederdeutsche Sprachform von Mariendorf.
Als Lichtenrode wird Lichtenrade in dem Landbuch Kaiser Karls IV., dem ersten Steuerregister der Mark, zum ersten mal 1375 urkundlich erwähnt. Bis ins 16. Jahrhundert blieb Lichtenrade Lehnsdorf der fürstlichen Landesherren der Mark, die als Grundherren Edelleute wie den Ritter Johann von Wulkow oder den Cöllner Patrizier Bartholomäus Schaum einsetzten.
Das Ende der Grundherrschaft des Templerordens kam mit einem päpstlichen Erlass aus dem Jahr 1312, in dem die geistliche Gemeinschaft der Templer aufgelöst wurde. Eine andere christliche Ritterschaft, der Johanniterorden, übernahm die Besitzrechte in den Templerdörfern.
Zwischen dem Johanniterorden und der Doppelstadt Berlin-Cölln kam es in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zu Streitigkeiten. 1435 hatten sie sich so verschärft, dass sie in einer Schlacht endeten, in der die Ritterschaft eine Niederlage erlitt. Dies könnte ein Grund der Johanniter für den Verkauf ihres Besitzes an die Doppelstadt gewesen sein; ausschlaggebend war aber wohl, dass der Orden an Geldmangel litt. Am 23. September 1435 erwarb Berlin-Cölln vom Ordensmeister der Johanniter, Balthasar von Schlieben, deren Güter Tempelhof, Rixdorf, Marienfelde und Mariendorf. 1515 kam auch Lichtenrade in Berlin-Cöllner Besitz. 1590 kaufte Cölln dem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Berlin den Zweidrittelanteil an den Dörfern Mariendorf, Marienfelde und Tempelhof für 3500 Taler ab. Da im Laufe des 16. Jahrhunderts immer mehr Höfe in Privatbesitz übergingen, verringerten sich auch die Besitzanteile, so dass Tempelhof gegen Ende des Jahrhunderts vollkommen aus dem Kämmereibesitz Cöllns ausschied. <7>
Die Bewohner der vier Dörfer führten wie andere Landgemeinden um Berlin auch ein recht mühsames Dasein. Sie mussten den Adligen und Bürgern, die Landbesitz in der Umgebung der Hauptstadt und die damit verbundenen Rechte besaßen, Abgaben in Form von Geld und Naturalien entrichten, außerdem Gespanndienste und Feldarbeit auf den Äckern der Grundherren leisten. Nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, in welchem große Bevölkerungsteile durch Pest und Ruhr dahingerafft wurden, berichten die Urkunden von leer stehenden Häusern und verödeten Höfen. In Tempelhof hatten beispielsweise nur die Familien Teile und Rohde den Krieg überstanden. <8>
Im Frühjahr 1722 hielt König Friedrich Wilhelm 1. auf dem Tempelhofer Feld die erste Truppenparade der Berliner Garnison ab. Sie fand nun jährlich zur gleichen Zeit statt und wurde durch Manöver ergänzt. Für den entstandenen Flurschaden erhielten die Tempelhofer Bauern eine jährliche Entschädigung von bis zu 2000 Talern. Trotz der verhältnismäßig hohen Summe protestierten die Bauern erfolglos gegen diese Nutzung ihrer Felder. <9> Im Jahr 1827 wurde das Tempelhofer Feld schließlich an den preußischen Staat verkauft und entwickelte sich zum wichtigsten Exerzier- und Paradegelände des preußischen Heeres in der Umgebung Berlins.
Die Nachbarschaft zu Berlin hatte aber auch Vorteile. Der Wiederaufbau nach dem Siebenjährigen Krieg ging schneller als in anderen preußischen Dörfern voran. Zur besseren landwirtschaftlichen Nutzung der Felder wurden Gräben angelegt, die die fast jährlich eintretenden Überschwemmungen eindämmten. Die Lebensverhältnisse besserten sich, und so lebten um 1800 bereits 660 Personen in den vier Dörfern. <10> Inzwischen hatten sich auch vermögende Berliner in Tempelhof sowie in dem Gebiet zwischen dem Halleschen Tor und dem Tempelhofer Feld niedergelassen. Dieses Gelände erhielt den Namen "Tempelhofer Vorstadt" und geriet zum Streitobjekt zwischen Berlin, dem Kreis Teltow und der Gemeinde Tempelhof. Ursache war die Mitte des 17. Jahrhunderts erhobene Forderung Berlins, verschiedene Dörfer und Vororte, darunter die Tempelhofer Vorstadt, einzugemeinden. Der Kreis Teltow und die Gemeinde Tempelhof lehnten dieses Ansinnen ab, konnten sich aber auf längere Sicht hin nicht behaupten. Das preußische Innenministerium ordnete schließlich die Eingemeindung der Tempelhofer Vorstadt zum 1.1.1861 an. <11>
Nach 1900 überstieg die Einwohnerzahl die 20.000 und wuchs von Jahr zu Jahr. Damit erhielt Tempelhof zunehmend städtischen Charakter. Für die Verwaltung der immer größer werdenden Gemeinden mussten hauptamtliche Gemeindevorsteher bestellt werden, da ein nebenamtlicher Dorfschulze diese Arbeit nicht mehr leisten konnte. Tempelhof und Mariendorf besaßen in ihren ersten Gemeindevorstehern Friedrich Mussehl und Wilhelm Westphal dem Fortschritt besonders aufgeschlossene Kommunalpolitiker. Der ehemalige Bürgermeister von Teltow, Friedrich Mussehl, hatte 1892 die Aufgabe als hauptamtlicher Gemeindevorsteher übernommen und die Landgemeinde an die Kanalisation angeschlossen, die Verwaltung modernisiert und 1896 ein Elektrizitätswerk gegründet. Mit dem Ausbau der Verkehrsverbindungen nach Berlin, der Versorgung der Gemeinden mit Gas und der Bereitstellung von Flächen zur Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen wurden weitere wichtige Aufgaben erfüllt. Auf dem Gelände an den Bahnstrecken und an dem 1906 fertiggestellten Teltowkanal begannen sich Unternehmen niederzulassen, so die heute noch hier bestehenden Firmen Daimler-Benz und Fritz Werner. Weitere bekannte Firmen wie Standard Elektrik Lorenz, Stock, Schindler, Sarotti, Gilette, das Druckhaus Tempelhof und die Ufa ließen sich in Tempelhof nieder. Da immer mehr Wohnraum für die steigende Bevölkerung benötigt wurde, beschloss die Gemeinde Tempelhof 1910, dem Kriegsministerium den Westteil des Tempelhofer Feldes für 72 Millionen Goldmark abzukaufen. Hier entstand bis 1934 eine Siedlung aus Einfamilienreihenhäusern und Mietshäusern. <12>
Das Jahr 1913 war das Geburtsjahr der Filmindustrie in Tempelhof. Die Filmgesellschaften "Literaria" und "Pagu" bauten am südlichen Rand des Tempelhofer Feldes ihre ersten Studios auf. Max Reinhardt war einer der ersten Regisseure, der hier arbeitete. Am 18. Dezember 1918 kam es zur Gründung der "Universal Film Aktiengesellschaft", die unter dem Firmenzeichen "Ufa" weltberühmt wurde. Damit wurde Tempelhof für wenige Jahre die größte und wichtigste Filmproduktionsstätte in Deutschland. <13> Am 8. Oktober 1923 hatte der Berliner Magistrat den Ostteil des früheren Exerzierplatzes als Flughafen Tempelhofer Feld den Luftverkehrsgesellschaften Junkers und Aero Lloyd, die sich 1926 zur "Deutschen Lufthansa" zusammenschlossen, überlassen. Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts hatten hier Flugpioniere wie Hermann Wölfert, Armand Zipfel und Orville Wright Flugversuche mit den verschiedensten Gleitflugapparaten, Luftschiffen und Doppeldeckern unternommen. 1931 landete das Luftschiff "Graf Zeppelin" auf dem Tempelhofer Feld. Das Areal wurde in den folgenden Jahren zum Zentralflughafen und größten deutschen Luftverkehrszentrum ausgebaut, 1939 schließlich der nach Plänen von Ernst Sagebiel errichtete Zentralflughafen Tempelhof in Betrieb genommen. <14>
Durch die Schaffung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin schieden die Landgemeinden Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Lichtenrade aus dem Kreis Teltow aus und wurden zum 13.Verwaltungsbezirk des fast vier Millionen Einwohner zählenden Großstadtkomplexes. Dabei war von Vorteil, dass diese schon seit Jahrhunderten durch eine gemeinsame Vergangenheit miteinander verbunden waren und nicht erst durch einen Verwaltungsakt mehr oder weniger willkürlich zusammengeschlossen wurden. 61 800 Einwohner zählte der neue Bezirk in seinem Gründungsjahr. <15>
Die Verfassung von Groß-Berlin, die am 1. Oktober 1920 in Kraft trat, sah eine Selbstverwaltung der Bezirke vor, eine von den Bürgern des Bezirks gewählte Bezirksversammlung und das von ihr gewählte kollegiale siebenköpfige Bezirksamt. <16> Die erste Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung vom 20. Juni 1920 wurde angefochten und musste durch Beschluss des Preußischen Oberverwaltungsgerichts am 16. Oktober 1921 wiederholt werden. Danach stellten USPD und SPD elf der insgesamt zwanzig Bezirksverordneten und zwei Stadtverordnete, die DNVP fünf Bezirksverordnete und einen Stadtverordneten, die DDP drei, die KPD zwei sowie Zentrum und Wirtschaftspartei jeweils einen Bezirksabgeordneten. Zum ersten Bezirksbürgermeister wurde der Sozialdemokrat Emil Groß gewählt, dem sechs besoldeten und vier unbesoldete Stadträte zur Seite standen. Das neu gebildete Bezirksamt nahm am 26. März seine Arbeit auf und stand vor der nicht ganz einfachen Aufgabe die Verwaltung der vier Ortsteile in einem gemeinsamen Apparat zusammenzufassen und neu zu organisieren. So waren die zehn neugebildeten Deputationen in zwölf über den ganzen Bezirk verteilten Gebäuden untergebracht worden, da der Bezirk kein Rathaus besaß. <17> Am 22. Dezember 1924 war Dr. Reinhard Bruns-Wüstefeld von der Deutschen Volkspartei zum Bezirksbürgermeister gewählt worden. Er verwirklichte in seiner Amtszeit eine Reihe von kommunalpolitischen Maßnahmen, die dem Bezirk das heutige Gesicht verliehen. So legte er beispielsweise am 20. April 1936 den Grundstein für das Rathaus. Außerdem entstanden Wohnanlagen und Siedlungen, Verkehrswege und -verbindungen wurden ausgebaut und Schulen erweitert. <18>
Zu den Reichstagswahlen am 20. Mai 1928 trat die NSDAP zum ersten Mal in Tempelhof an, wo sie seit den Reichstagswahlen vom September 1930 mit den höchsten Anteilen an Wählern der NSDAP gewinnen konnte. Bürgermeister Bruns Wüstefeld blieb allerdings auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Amt. Er gehörte damit zu den insgesamt sechs Bezirksbürgermeistern Berlins, die, obwohl keine NSDAP-Mitglieder, nicht abgelöst wurden. Nach Ablauf seiner zwölfjährigen Amtsperiode 1937 wurde er nicht wieder nominiert, sondern der Berliner Oberbürgermeister ernannte den bisherigen Bezirksstadtrat Carl Pollesch (NSDAP) zum Bezirksbürgermeister. 1933 hatten mehrere Verordnungen der Nationalsozialisten die Kompetenzen des Bezirksamtes und der Bezirksverordnetenversammlung außer Kraft gesetzt. Am 4. Februar wurde beispielsweise die Arbeit der Bezirksverordnetenversammlung durch die "Preußische Verordnung über die Auflösung der Vertretungskörperschaften" vorläufig beendet, am 31. März wurden den drei kommunistischen Bezirksverordneten durch das "Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" ihre Mandate entzogen. Das gleiche geschah den neun Bezirksverordneten der SPD mit der "Verordnung zur Sicherung der Staatsführung" vom 7. Juli. Die endgültige Umstellung der Verwaltung vom parlamentarischen System auf das "Führerprinzip" wurde mit dem Gesetz über eine "Vorläufige Vereinfachung der Verwaltung der Stadt Berlin" vom 22. September 1933 vollzogen. Der Aufgabenbereich der Bezirksverordnetenversammlung wurde damit dem Bezirksamt übertragen. Gleichzeitig wurden die Deputationen und Ausschüsse und - mit dem "Gesetz über die Verfassung der Hauptstadt Berlin" vom 29. Juni 1934 - auch das Bezirksamt aufgelöst und die Verwaltungsgeschäfte dem Bürgermeister übertragen, den acht Beigeordnete unterstützten. <19> Schon nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 waren im Bezirk Sozialdemokraten und Kommunisten, Gewerkschaftsmitglieder und Intellektuelle verhaftet worden. In der früheren Kaserne in der General-Pape-Straße und im Columbia-Haus am Rande des Flughafens richteten die SA und SS "wilde Konzentrationslager" ein. Sie waren berüchtigt wegen der scharfen Verhöre und Folterungen. In Tempelhof wohnende führende Sozialdemokraten, wie Franz Klühs, Chefredakteur des Parteiorgans "Vorwärts", und Max Westphal, Vorsitzender der Sozialistischen Arbeiterjugend in Berlin, starben an den Folgen der Misshandlungen und Internierung. <20> Trotzdem formierten sich Widerstandsgruppen in Fabriken und in den katholischen und evangelischen Kirchen. Aus der katholischen Arbeiterbewegung baute sich ein Freundeskreis um Jakob Kaiser auf. Treffpunkt war das Wohnhaus Eschwegering 7 des ehemaligen Reichsjugendführers der christlichen Gewerkschaften, Albert Voß. Die Bekennende Kirche hatte ihren Sitz in der Marienfelder Kirchstraße, wo auch Bibelstunden stattfanden. <21>
Am 23. April 1945 erreichte die Rote Armee Lichtenrade und besetzte am 27. April das Druckhaus Tempelhof. Am gleichen Tag setzte sie bereits in Mariendorf einen Bürgermeister ein, drei Tage später in Marienfelde und Tempelhof. In einer Wohnung des Hauses Schulenburgring 2 wurde das Ende des Kampfes um Berlin formell besiegelt, denn dort unterzeichnete am 2. Mai 1945 der letzte Kampfkommandant von Berlin, General Weidling, das ihm von der sowjetischen Armeeführung vorgelegte Kapitulationsdokument. <22>
In den ersten Julitagen des Jahres 1945 rückten die Truppenkontingente der drei westlichen Alliierten in Berlin ein. Bis zu diesem Zeitpunkt waren im Auftrag der sowjetischen Besatzer Industrie- und Eisenbahnanlagen demontiert worden; fast sämtliche Tempelhofer Industriebetriebe waren davon betroffen.
Der Anteil der durch Bombenangriffe zerstörten Wohnungen war durch die lockere Bebauung in Tempelhof im Gegensatz zu den dicht bebauten Innenstadtbezirken niedriger. Rund 23 % des Wohnungsbestandes war vernichtet, im Übrigen Berlin ging im Durchschnitt über ein Drittel verloren. Tempelhof gehört zu den hinsichtlich der Wohnverhältnisse der Bevölkerung bevorzugten und bestausgestatteten Bezirken.
Mietskasernen sind in dem ausgedehnten Bezirk nicht zu finden. Nach dem Krieg gehörte Tempelhof zu den Bezirken mit besonders umfangreichen Baulandreserven. Mehr als 60 % der Wohnungen sind erst nach 1950 fertiggestellt worden; Großsiedlungen am Stadtrand wie etwa die am Tirschenreuter Ring in Marienfelde, am Lichtenrader Damm und an der Groß-Ziethener Straße haben Zehntausende von Neubürgern aufgenommen. <23>
Als erster wichtiger Neubau konnte 1953 das Notaufnahmelager Marienfelde eröffnet werden. Bis 1961 durchliefen etwa eineinhalb Millionen Flüchtlinge dieses Lager. In den ersten Nachkriegsjahren wurde Tempelhof und sein Flughafen über die Grenzen Berlins hinaus bekannt Er war während des Krieges niemals Ziel eines konzentrierten Angriffes gewesen, da, wie ein General der Royal Air Force sagte, "wir wussten, dass wir den Krieg gewinnen werden und wir den Flughafen intakt übernehmen wollten." <24> Während der fast 14 Monate dauernden Berliner Blockade in den Jahren 1948 und 1949 war das Flugfeld der Hauptstart- und -landeplatz für die Versorgungsflugzeuge der amerikanischen und britischen Piloten. Auf insgesamt 277.728 Flügen wurden über 2,3 Millionen Tonnen Versorgungsgüter nach Berlin gebracht. Dabei stürzten sieben britische und siebzehn amerikanische Maschinen ab und 76 Menschen starben. Nach der Blockade wurde der Flughafen mit den modernsten technischen Einrichtungen versehen, denn von Tempelhof aus musste der ständig zunehmende Flugverkehr West-Berlins bewältigt werden. Seit 1975 sind die Funktionen des Flughafens für den zivilen Luftverkehr auf das neu errichtete Luftverkehrszentrum in Tegel übergegangen. Die Tempelhofer Anlage wurde von den in Westberlin stationierten amerikanischen Streitkräften für den militärischen Luftverkehr benutzt. <25>
Für die Tempelhofer Industrie und Wirtschaft vollzog sich in den Nachkriegsjahren eine bisher noch nicht dagewesene Entwicklung. Mit GARIOA-Mitteln (Gouvernement Appropriatons for Relief in Occupied Areas) konnte sich die in Tempelhof angesiedelte Industrie relativ schnell wieder stabilisieren und in den ersten beiden Jahren nach der Blockade erhebliche Umsätze erzielen. <26> In den Jahren von 1968 bis 1972 entstand auf einem 57 Hektar großen Gelände zwischen Nahmitzer Damm und Motzener Straße ein Industriegebiet auf dem sich 48 neue Firmen niederließen, so IBM-Deutschland. Damit ist Tempelhof der zweitgrößte Berliner Industriebezirk nach Spandau. <27>
Die ersten Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung nach dem Krieg fanden am 20. Oktober 1946 statt. Vier Parteien stellten sich dieser Wahl. Die SPD gewann die absolute Mehrheit im Bezirk und verfügte über 21 der 40 zu vergebenden Sitze. Die CDU gewann elf Sitze, die LPD (später FDP) fünf und die SED (später SEW) drei. Der erste frei gewählte Bürgermeister nach dem Krieg hieß Jens Nydahl (SPD). Er war bereits am 22. Mai 1945 von den sowjetischen Militärbehörden als Bezirksbürgermeister eingesetzt worden und hatte Willy Kramm abgelöst. Dieser war am 30. April von den Sowjets noch während der Kampfhandlungen eingesetzt, wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP aber wieder abgesetzt worden. <28> Bei den weiteren Wahlen in den Jahren 1950, als zum ersten Mal wie in den anderen Bezirken auch fünfundvierzig Mandate verteilt wurden, und den Wahlen von 1954 behauptete sich die SPD als stärkste Fraktion in der BVV. Ebenso konnte sie gemäß dem Trend auf Landesebene zwischen 1958 und 1971 die absolute Mehrheit erringen. Die CDU gewann im Jahr 1975 als stärkste Partei in Tempelhof zweiundzwanzig Mandate. 1981 errang sie erstmals mit fünfundzwanzig Sitzen die absolute Mehrheit, die sie im März 1985 um ein Mandat ausbauen konnte. <29>
Tempelhof gilt als ruhiger, bürgerlicher Bezirk und große soziale Konflikte hatte der Bezirk bisher nicht zu bewältigen. Trotz der vielen Industriebetriebe ist Tempelhof noch immer in weiten Teilen eine Freiluftregion mit zahlreichen Grünanlagen, Kleingartenkolonien und Sportplätzen. Unter den Sportanlagen ist die seit 1913 bestehende Trabrennbahn Mariendorf über die Bezirksgrenzen hinaus bekannt geworden. Die einstigen Ufa-Filmstudios an der Viktoriastraße beherbergen seit den 70er Jahren das alternative "Internationale Kulturzentrum UFA-Fabrik", das sich auch im kulturellen Angebot der Stadt inzwischen einen festen Platz erobert hat.
In Marienfelde und Lichtenrade haben sich auch die alten Dorfauen in ihren Konturen noch stückweise erhalten und in der Nähe der Dorfkirchen wird man immer noch Bauernhäuser entdecken, die an die dörfliche Vergangenheit des Bezirks erinnern. Schließlich ist das älteste noch erhaltene Bauwerk auf Berliner Boden die Marienfelder Kirche aus dem Jahr 1220.
Quellenverzeichnis:
1) Vgl. Georg Holmsten, Tempelhof- Ein Bezirk von Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung Berlin 1985, S. 7f.
2) Vgl. Holmsten, S. 10.
3) Vgl. Peter Buchholz, Tempelhof, Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke, hrsg. von Wolfgang Ribbe, Berlin 1987, S. 27
4) Vgl. Holmsten, S. B.
5) Vgl. Buchholz, S. 28.
6) Tempel ist dem Templerorden 1291 übereignet worden, vgl. Buchholz, S. 28.
7) Vgl. Buchholz, S. 29ff.
8) Vgl. Holmsten, S. 13f.
9) Vgl. Buchholz, S. 32.
10) Vgl. Holmsten, S.14.
11) Vgl. Buchholz, S. 34.
12) Vgl. Holmsten, S. 20ff.
13) Vgl. Buchholz, S. 56.
14) Vgl. Holmsten, S.23f.
15) Vgl. Holmsten, S. 22f.
16) Vgl. Eberhardt Machalet, Die Berliner Selbstverwaltung, 2. Auflage, Stuttgart 1974, S. 33.
17) Vgl. Buchholz, S. 60f.
18) Vgl. Günter Wollschläger, Chronik Tempelhof- Die Ortsgeschichte, Berlin 1988, S. 92.
19) Vgl. Buchholz, S. 76f.
20) Vgl. Holmsten, S. 26.
21) Vgl. Buchholz, S. 86.
22) Vgl. Buchholz, S. 90f.
23) Vgl. Holmsten, S. 31.
24) Vgl. Holmsten, S. 28.
25) Vgl. Buchholz, S. 97.
26) Vgl. Buchholz, S. 98.
27) Vgl. Holmsten, S. 32.
28) Vgl. Buchholz, S. 92.
29) Vgl. Buchholz, S. 109.
Bürgermeister von Tempelhof:
1921 - 1924: Emil Groß (SPD)
1924 - 1937: Reinhard Bruns-Wüstefeld (DVP)
1937 - 1945: Carl Pollesch (NSDAP)
4/1945 - 5/1945: Willy Kramm (?)
1945 - 9/1947: Jens Nydahl (SPD)
10/1947-1951: Otto Burgemeister (SPD)
1951 - 1953: Hermann Fischer (FDP)
1953 - 1955: Alfred Homeyer (FDP)
1955 - 1959: Karl Theodor Schmitz (CDU)
1959 - 1965: Kurt Mürre (SPD)
1965 - 1975: Bernhard Hoffmann
(SPD) 1975 - 1991: Siegmund Jaroch (CDU)
1991 - 2/1998: Wolfgang Krueger (CDU)
2/1998: Dieter Hapel (CDU)
II. Archivarische Bearbeitung
Die Aktenüberlieferung aus Tempelhof besteht aus den Beständen B Rep. 213 (Bezirksamt Tempelhof), A Rep. 043-04-01 (Amtsverwaltung Lichtenrade), A Rep. 043-05-01 ( Amts- und Gemeindeverwaltung Mariendorf), A Rep. 043-05-02 (Gemeindeverwaltung Marienfelde), A Rep. 043-05-03 (Gemeindeverwaltung Tempelhof) und A Rep. 043-08 (Bezirksamt Tempelhof 1920-1945).
Der Buchstabenvorsatz A kennzeichnet die Altbestände des vor 1945 existierenden Stadtarchivs bzw. Bestände aus der Zeit vor 1945. Das Behördenschriftgut von Tempelhof wurde vor der Zusammenlegung des Landesarchivs Berlin und des Stadtarchivs Berlin (Ost) unter den Reposituren Rep. 213 (Bezirksamt Tempelhof) und Rep. 043-04-01, 043-05-01, 043-05-02, 043-05-03, 043-08 geführt. Zur Herstellung eines einheitlichen Archivkörpers im Landesarchiv Berlin sind die verschiedenen Reposituren Tempelhofs aus beiden Häusern nach einem übergreifendem Schema zusammengeführt worden.
Dabei wurde der frühere Bestand Bezirksamt Tempelhof (Rep. 213) neu bearbeitet und nach verwaltungsgeschichtlichen Einschnitten (1920 und 1945) bzw. Provenienz geordnet. Die Altakten von vor 1945 wurden in die Altbestände eingegliedert, klassifiziert und indexiert. Die Akten mit einer Laufzeit nach 1945 bilden den Bestand Bezirksamt Tempelhof - B Rep. 213. Eine Konkordanz befindet sich am Ende des Findbuches.
Die sachthematische Ordnung der Magistrats- und Bezirksamtsüberlieferungen erfolgte nach Klassifikationsmodellen, welche speziell für diese Bestandstypen entwickelt worden sind, da die Magistrats- und Bezirksamtsverwaltungen ihrer Stellung und Funktion nach gleichgeartete Verwaltungskörperschaften darstellen. Aufgrund der universellen Anwendung des Schemas kann es vorkommen, dass entsprechend der konkreten Überlieferungslage einzelne Ordnungspositionen nicht besetzt wurden. Das vollständige Klassifikationsmodell kann bei Bedarf eingesehen werden.
Akten, die aus datenschutzrechtlichen Gründen noch nicht vorgelegt werden können, sind in diesem Findbuch nicht ausgedruckt. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Akten aus den Bereichen des Sozial-, Gesundheits- und Vermundschaftswesens sowie der Gewerbeaufsicht.
III. Korrespondierende Bestände
Landesarchiv Berlin: Kreisverwaltung Teltow (A Pr.Br. Rep. 006B - 57)
Bezirksamt Tempelhof (B Rep. 213)
Kartenabteilung
Heimatarchiv Tempelhof (FA 70 - Filme befinden sich im LAB)
Kanal- und Güterdeputation (A Rep. 006)
Notaufnahmelager Marienfelde (B Rep. 077)
Heimatarchiv Tempelhof
Brandenburgisches Landeshauptarchiv: Kreisverwaltung Teltow (Pr.Br.Rep. 6B)
Amt Berlin-Mühlenhof (Pr.Br.Rep. 7)
Amtsgericht Berlin-Tempelhof (Pr.Br. Rep. 5 E)
IV. Publikationen
Paul Wollschläger, Der Bezirk Tempelhof - Eine Chronik in Geschichten und Bildern, Berlin 1964.
Peter Buchholz, Tempelhof, (Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke hrsg. von
Wolfgang Ribbe, Bd. 8), Berlin 1990.
Georg Holmsten, Tempelhof- Ein Bezirk von Berlin, Berlin 1985.
Günter Wollschlaeger, Chronik Tempelhof, Berlin 1987.
Bernhard Hoffmann, Tempelhof.- Ein Bezirk mit Zukunft, (Kommunalpolitische Beiträge, Nr.. 28), Berlin 1966.
Christoph Hamann, Tempelhof 1945/1946 in: Berlin in Geschichte und Gegenwart - Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 1994, hrsg. von Jürgen Wetzel, Berlin 1994.
Felix Escher, Berlin und sein Umland. Zur Genese der Berliner Stadtlandschaft bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. (Einzelveröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 47), Berlin 1985
Berlin im April 2000 Sabine Schafferdt
Konkordanz
Rep. 213 Nr. neue Signatur Rep. 213 Nr. neue Signatur
111 B Rep. 213 Nr. 15 184 B Rep. 213 Nr. 29
111 B Rep. 213 Nr. 16 186 B Rep. 213 Nr. 30
112 B Rep. 213 Nr. 21 186 B Rep. 213 Nr. 31
112 B Rep. 213 Nr. 22 186 B Rep. 213 Nr. 32
112 B Rep. 213 Nr. 23 186 B Rep. 213 Nr. 33
115 B Rep. 213 Nr. 14 187 B Rep. 213 Nr. 34
116 B Rep. 213 Nr. 695 187 B Rep. 213 Nr. 35
134 B Rep. 213 Nr. 24 187 B Rep. 213 Nr. 36
135 B Rep. 213 Nr. 25 579 B Rep. 213 Nr. 37
135 B Rep. 213 Nr. 26 601 B Rep. 213 Nr. 38
138 B Rep. 213 Nr. 27 602 B Rep. 213 Nr. 39
139 B Rep. 213 Nr. 28 605 B Rep. 213 Nr. 40
- Reference number of holding
-
B Rep. 213
- Context
-
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> B Bestände (West-) Berliner Behörden bis 1990 >> B 3 Bezirksverwaltungen und nachgeordnete Einrichtungen
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28.02.2025, 2:13 PM CET
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Object type
- Bestand