Archivale
Eingezogene Kundschaft (= Zeugenverhör) über die gewesene Siechenmagd Catharina Schmid +)
Regest: (1) Jacob Schad, Hausmeister im Armenhaus, zeigt an, ungefähr 14 Tag vor Weihnachten 1643 sei seine Hausfrau neben anderen Weibern in dem Armenhaus, nachdem er schlafen gegangen, in der größeren Stube gesessen und habe gewirkt (= gearbeitet). Unterdessen habe sie ihrem Gebrauch nach, wie der Catharina bekannt gewesen, ein Schüsselein mit Kraut in der Bratkachel gehabt. Als sie nun schlafen gehen wollte, habe sie selbiges gegessen, wie ihm von den Weibern berichtet sei. Darauf sei sie zu ihm ins Ehebett gekommen, habe sich sehr übel gehebt (= gejammert) und gesagt, sie habe Kraut gegessen, sie wisse, sie habe den Tod davon gegessen. Darauf habe sie sich auch, cum venia (= mit Verlaub zu sagen), übergeben müssen. Solang sie noch lebte, habe keine Speis mehr bei ihr bleiben wollen. Nach 14 Tag sei sie gestorben. Weil die Weiber sagten, es müsse ihr etwas gegeben worden sein, auch die Catharina sich vernehmen ließ, sie habe so ein groß Kreuz (= Leid), habe er sie gefragt, ob sie seinem Weib etwas getan habe. Aber sie habe nichts gestehen wollen. Vorher, als sein Weib noch lebte, habe die Catharina gesagt, ihre Geister können sein Weib nicht leiden. Wenn sie zu der Stube hereingehe, sei es ihr nirgends recht. Sein Weib und die Catherein hätten etwann (= irgendwann) in der Küche sich entzweit, und sein Weib habe sie eine Schreierin gescholten, worauf sie keinen Stern oder Huld mehr bei ihr gehabt.
Um die Herbstzeit habe Katherein seinem Weib 6 Kreuzer gegeben, sie solle ihr Muckenpulver holen. Sie wolle sich selbst damit den Tod zu essen geben. Sie solle es in der unteren Apotheke holen; die habe es besser. Sie habe schon oft wollen ertrinken und anschnüren (= sich ertränken und aufhängen), aber ihre Geister lassen's nicht zu. Einmal habe er einen Riß am Hals der Catharein gesehen und sie gefragt, woher ihr das komme. Sie habe gesagt, sie selbst habe sich den Kratzer gemacht. Sie könne sich aber selbst nichts tun. Als nun sein Weib das erwähnte Geld nicht annehmen wollte, habe sie's dem Caspar Votteler geschickt und das gleiche Begehren an ihn tun lassen. Er habe aber selbst das Geld wieder hinuntergetragen und die Catharein über ihr Vorhaben tapfer ausgefilzt (= ausgescholten).
(2) Urban jung Faßnacht zeigt an, um Faßnacht 1644 sei die Catherein als die Hausmagd, da er nun in die 15 Jahr Fleisch in das Siechenhaus gegeben habe, in seine Behausung gekommen. Weil des Hausmeisters Weib ungefähr 10 Wochen vorher verstorben war, habe sie wieder mit dem Hausmeister das Armenhaus versehen. Sie habe 15 Pfund Fleisch bestellt und gesagt, die Marder täten sie in dem Armenhaus soviel plagen. Sie können nichts vor ihnen bewahren. Deswegen habe sie von der Hausfrau Faßnachts begehrt, sie solle ihr und dem Hausmeister in der Apotheke Pulver holen, daß sie den Mardern damit richten (= beikommen) können. Sie solle es aber bei dem Herrn Apotheker Heinrich (Efferen) nehmen. Sie wolle zu dem Kohler auf die Kromerstube hinum und die Marderfalle entlehnen. Darauf sei er (Faßnacht) dazugekommen. Seine Frau habe gesagt, sie habe noch keinen Schleier (= Kopftuch) auf. Er solle der Catharein für 1/2 Batzen Pulver holen. Sie wiederholte, wozu jene es gebrauchen wolle. Darauf sei er in des Herrn Heinrichs Apotheke gegangen. Weil aber zuviel Leute darin waren und viel zu schaffen war, sei er in die andere Apotheke, die des Herrn Menin, gegangen. Herr Menin habe ihm das Pulver gegeben und gesagt, da habe er das rechte (Mittel gegen die Marder). Faßnacht habe das in einen Brief (= Papier) eingewickelte Pulver in sein Haus getragen und sei wieder in die Metzig gegangen. Nachmittags sei die Catherein gekommen und habe das Pulver genommen. Sobald sie aber das Brieflein aufgemacht und das Pulver gesehen, habe sie gesagt: "Das ist nicht das rechte. Du hast es beim Menin genommen." Darauf habe er gesagt, wenn sie's nicht wolle, solle sie's wieder hinumtragen. Dann sei sie fortgegangen. Vor etwa 5 Wochen sei er, Faßnacht, am Armenhaus vorbeigegangen. Die jetzige Hausmagd habe ihn aufgehalten und gesagt, die Catharein sage immerdar, sie habe ein Pulver gegessen. Er solle hinaufgehen und sie fragen, wie es damit sei. Das habe er gutwillig getan. Auf seine Frage, was sie mit dem Pulver getan habe, das sie den Mardern richten wollte, habe die Catherein geantwortet, sie hab's selber gegessen. Sie habe einen Brei gemacht und die Hälfte gegessen. Ihre Geister haben selbigen nicht hinunterlassen wollen. Die andere Hälfte habe sie ins Wasser getragen. Der Hausmeister habe es gesehen.
Sie sage zwar, sie habe das Pulver dem Dickle, des Hausmeisters Weib, gegeben, aber es sei nicht wahr. Sie hab schon lang nicht mehr gelebt. Sie sag's nur darum, daß man sie ab der Welt tue. Weiter wisse er nicht.
(3) Herr Hans Conrad Menin, Apotheker, zeigt an, die Zeit sei ihm eigentlich nicht (= nicht genau) wissend (= erinnerlich), da Urban jung Faßnacht zu ihm in seine Officin gekommen sei und für 2 Kreuzer Gift begehrt habe. Als er ihn gefragt habe, wozu er es gebrauchen wolle, habe er gesagt, den Mardern damit zu richten. Darauf habe er, Menin, ihm als einem bekannten Bürger Arsenicum, Mäusgift, in ein Brieflein doppelt eingewickelt, gegeben. Wozu es sonst gebraucht worden sei, könne er nicht wissen.
(4) Herr Bürgermeister Abraham Zendel berichtet, daß die Catharein am vergangenen Montag seiner wieder begehrt habe. Als er nun zu ihr kam und ihr vorhielt, wie es nun mit ihr stehe, ob es nicht besser werde, sie sollte in sich gehen, Gott um seinen heil. Geist bitten, so werde er ihr helfen, die Obrigkeit könne ihr anders nicht helfen oder das Leben nehmen. Denn man wisse ja nicht, was sie getan habe. Es sei eben eine Blödigkeit (= Geistes störung). Sie habe darauf gesagt, es sei keine Blödigkeit. Sie habe ihm doch gesagt, daß sie ihrer Mutter, der Schwester, dem Hausmeister und dem Dickle den Tod gegeben. Als er aber fragte, wer ihr Ursach dazu gegeben, warum sie's getan habe, habe sie gesagt, ihre Geister sagen's eben, sie hab's nicht gewußt. Darauf habe er gesagt: "Cathareine, besinnet Euch gut, Ihr könntet eine ungnädige Obrigkeit bekommen, man könnte diese Sache nicht leicht abstrafen. Ein Mörder gehört auf das Rad und eine Hexe in das Feuer." Darauf habe sie gesagt, man werde ihr gnädig sein, sie hab sich ja nicht darnach gehalten, daß man so hart mit ihr fahren sollte. Weil die Catharein vorgegeben, sie habe dem Hausmeister den Tod gegeben, habe er, Zendel, gefragt, wie sie es denn gemacht, ob ihr der böse Geist vielleicht etwas gegeben, habe sie geantwortet, oh nein, ihre Geister tun's aus ihrem Mund. Ihre Geister, ihre Mörder, haben etwas darein getan. Auf weiteres Fragen, daß man wohl wisse, wie sie und der Hausmeister selig mit einander gelebt haben, als wenn sie Eheleut gewesen wären, ob sie nicht etwann (= einmal) sonst was Böses getan, Kinder abgetrieben oder gar getötet hätte, habe sie geantwortet: Oh nein, das ist nicht. Sollt' ich ihn zuschanden machen unter dem Boden?" Auf mehreren Vorhalt, daß sie neulich gesagt habe, sie habe des Hausmeisters Weib, dem Dickle, den Tod zu essen gegeben, warum sie's getan und wie sie's gemacht, war ihre Antwort, sie habe den Hausmeister so beredet, weil die Marder kommen und reißen die Häfen auf dem Herd um, sie wolle Gift holen und den Mardern damit richten. Weil sie aber vormals auch Gift in der Apotheke geholt, habe sie nicht mehr hingehen dürfen und habe schließlich den Urban Faßnacht, Urbelin genannt, angesprochen, daß er ihr Gift in des Menins Apotheke geholt habe. Und als ihre Geister, ihre Mörder, sagten, das Dickle sei ihr feind, sie solle ihr den Tod geben, und einmal ein Kraut in der Bratkachel stand und das Dickle aus der Stube ging, sei sie hinzugewischt und habe das Kraut auf das Pulver getan. Die Hausmagd sei dabei gestanden und habe gesagt: "Cathareine, Du willst immerdar hinaus den den Turm. Frag aber den Herrn Bürgermeister, ob Du's tun sollst." Sie habe auch gesagt, on sie auf den Turm gehen solle. Er hab's ihr ha ihr ausgeredet, sie soll's bei Leib nicht tun. Ob dies nicht Gefängnis genug sei. Man würde sie schon holen. Nichtsdestoweniger sei sie am vergangenen Mittwoch ausgebrochen und selbst auf den Turm gegangen. Als die Leut fragten, warum ihr Rock so zerrissen sei, hab sie gesagt, ihre Geister haben ihn ihr so zerrissen und sie nicht wollen gehen lassen. Dagegen sage der Hausmeister, der Jerg in dem Armenhaus habe sie bei dem Rock gehalten und sie nicht wollen heraus lassen, dabei sei der Rock zerrissen.
(5) Herr Zunftmeister Martin Krueg berichtet, er habe von dem Scharfrichter unter dem Metmanns-Tor gehört, daß er gesagt habe, die Catherein sei vor diesem zu ihm in sein Haus gekommen und habe gesagt, er müsse ihr den Kopf abhauen, er solle gnädig sein; ihre Geister sagen, er werde ihr den Hals nicht treffen, sondern nur um die Stirn herum hauen.
- Reference number
-
A 2 f (Hexenprozesse) Nr. A 2 f (Hexenprozesse) Nr. 7779
- Extent
-
8 S.
- Formal description
-
Beschreibstoff: Pap.
- Further information
-
Bemerkungen: +) vgl. zu Catharina Schmid, Gayler II S. 134
Dieser letzte Abschnitt, die Aussage des Martin Krueg, ist durchgestrichen.
Genetisches Stadium: Or.
- Context
-
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25) >> Bd. 23 Hexenprozesse
- Holding
-
A 2 f (Hexenprozesse) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25)
- Date of creation
-
1644 Juli 19
- Other object pages
- Last update
-
20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
Stadtarchiv Reutlingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Archivale
Time of origin
- 1644 Juli 19