Bestand

104,9/Kriminalpolizei (Bestand)

Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand 104,9/Kriminalpolizei


Verwaltungsgeschichte

Anfang 1934 ordnete der Preußische Minister des Innern, Hermann Göring, an, dass u. a. in Bielefeld „sämtliche ortspolizeilichen Befugnisse […] vom 01. April 1934 ab wieder von den kommunalen Polizeiverwaltern wahrzunehmen“ seien. Damit firmierte die Bielefelder Polizei wieder unter „Der Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld als Ortspolizeibehörde“. Bei dieser „Entstaatlichung“ wurde die dreigliedrige Aufteilung mit Verwaltungspolizei (einschließlich politischer Polizei), Schutzpolizei/Exekutivpolizei und Kriminalpolizei zunächst beibehalten. 143 uniformierte Polizeibeamte, 34 Kriminalpolizeibeamte und 15 Bürobeamte wurden übernommen.

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten nahm bald auch eine ganze Reihe von Dienststellen im weitesten Sinne polizeiliche oder geheimdienstliche Aufgaben wahr. Diese arbeiteten in oft diffuser Abgrenzung zueinander parallel und mitunter konkurrierend. Dazu gehörte 1933 vorübergehend die aus Mitgliedern der SA, SS und des Stahlhelm rekrutierte Hilfspolizei (360 allein in der Stadt, weitere 75 im damaligen Kreis Bielefeld), dauerhaft die staatlichen Kriminalpolizeistellen und ab 1939 die dem Reichssicherheitshauptamt direkt unterstellte Sicherheitspolizei (SiPo) und der Sicherheitsdienst (SD). Die eigentliche Intention ihrer Tätigkeit war von Anfang an in der Regel politisch induziert und zielte primär auf die Bekämpfung politischer Gegner.

Während nach der Entstaatlichung die bisherige Führungsebene der Polizeiverwaltung weitgehend durch NSDAP-Mitglieder oder SA- und SS-Angehörige ersetzt wurde, behielt der organisatorische Aufbau im Wesentlichen seine Gültigkeit. Neu geschaffen wurde lediglich die Funktion eines Polizeidezernenten, die mit dem NSDAP-Funktionär und Stadtrat Karl Heidemann (1895-1975) besetzt wurde, der seinen Amtssitz in der Viktoriastr. 9 hatte. Die Führung der Schutzpolizei wechselte auf Polizeidirektor Heinrich Bergmann (1890-1968), seit dem 1. Mai 1933 NSDAP-Mitglied. Die Kommandantur lag in der damaligen Kasernenstr. (heute Hans-Sachs-Straße) 4. Die vier Schutzpolizeireviere lagen am Siegfriedplatz, in der Reichspoststr. (heute Friedrich-Ebert-Straße) 1, Ravensberger Str. 93 und Gütersloher Str. 20a (heute Gadderbaumer Straße). 1940 kam ein fünftes Revier in der Arndtstr. 3 hinzu.

Auch die Führung der örtlichen Kriminalpolizei (Stadtamt 62) residierte in Person des Kriminalrats Anton Peter Kaspar (1888-1966) im Gebäude Viktoriastr. 9. Organisatorisch aufgeteilt war die städtische Kriminalpolizei in drei Kommissariate (Turnerstr. 4 und 18).

Die Polizei zählte Anfang 1946 zahlreiche ehemalige Parteigenossen: 78 bei der Schutzpolizei, 14 bei der Kriminalpolizei. Dieses ist umso bemerkenswerter, als seinerzeit bei der Schutzpolizei 81 Stellen und bei der Kriminalpolizei 16 Stellen unbesetzt waren. Bei Annahme eines vor 1939 üblichen Personalstamms von kaum 200 Personen deutet einiges auf eine fast 100-prozentige NSDAP-Zugehörigkeit der Bielefelder Polizei vor 1945.


Bestandsgeschichte

Die am 11. Februar 2015 vom Polizeipräsidium Bielefeld abgegebenen Akten waren z.T. eindeutig mit der Provenienz "Stadtverwaltung Bielefeld - Stadtamt 62" (Sicherheitspolizei, hier: Kriminalpolizei) und der Nachfolge-Dienststellen gekennzeichnet.

Teile des Aktenfundes sind umso bemerkenswerter, da bislang davon ausgegangen war, dass die NS-Polizeiüberlieferung bei den Luftangriffen im Herbst 1944 vollständig untergegangen oder gegen Kriegsende vernichtet worden ist. Der in der NS-Zeit als Kriminalrat eingesetzte Anton Peter Kaspar (1888-1966) war im Sommer 1945 wegen dieser Aktenvernichtungen zunächst zum Tode und danach zu Haftstrafen verurteilt, schließlich aber nicht mehr belangt worden. Darüber hinaus trug die Vorgangsmappe "Statistik 1948" den gestrichenen Titel "Verkehr der Kriminalpolizei mit der Wehrmacht [...]", so dass davon ausgegangen werden muss, dass der ursprüngliche Akteninhalt erst 1948 vernichtet wurde.

Lt. Auskunft des Polizeipräsidiums v. 12. Februar 2015 sind die Kriminalpolizei-Akten im Januar 2015 im Bereich "Öffentlichkeitsarbeit" festgestellt worden. Ein Aufruf zur Aktenfeststellung in einer vielgelesenen Personalzeitschrift habe lediglich Hinweise auf Akten im Bezirksdienst "Süd" zu Vorgängen der Polizeistation Gadderbaum (ca. 1937-1965) ergeben.

Am 7. Oktober 2020 ist die Verzeichnungseinheit 14 übernommen worden.

Ergänzende Überlieferung:
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 103,2/Hauptamt, Nr. 255: Polizeioffiziere, 1920-1945
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 103,3/Personalamt, Nr. 115: Entnazifizierung; Enthält: allgemeine Vorgaben zur Durchführung; Entlassungen; Nachweisungen der NSDAP, SS, SA oder SD früher angehörenden Angestellten und Lohnempfänger; Parteimitgliedschaften, 1945-1951
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 103,4/Personalakten: Akten verschiedener Polizisten, mitunter nur Teilvorgänge (insbes. bei Versetzungen)

- Landesarchiv NRW Abteilung OWL (Detmold), Bestand D 99/Personalakten
- Landesarchiv NRW Abteilung OWL (Detmold), Bestand M 1 I P - Preußische Regierung Minden, Polizeidezernat

- Bundesarchiv, Standort Koblenz: Spruchkammerakten von Bielefelder Kriminalpolizisten und Leitungspersonal (insbes. von SS-Angehörigen)


Literatur:
- Joachim Lilla, Die staatliche Polizeiverwaltung in Bielefeld 1926-1934, in: 87. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg (2001), S. 245-268
- Ausstellungstafeln "Die Bielefelder Polizei 1933-1950" als Ergänzung zur Wanderausstellung "Ordnung und Vernichtung – Die Polizei im NS-Staat" unter der URL
https://www.stadtarchiv-bielefeld.de/Stadtgeschichte/bisherige-Ausstellung/Oren/Ordnung-und-Vernichtung-Die-Polizei-im-NS-Staat


Dr. Jochen Rath
Archivleiter
Bielefeld, Februar 2015/Oktober 2020

Bestandssignatur
104,009/Kriminalpolizei

Kontext
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Archivtektonik) >> Amtliches Schriftgut >> Ordnung

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Letzte Aktualisierung
23.06.2025, 08:11 MESZ

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