Bestand

Stadt Calw (Bestand)


Inhalt und Bewertung
Urkunden, chronologisch geordnet, 1887/88 dem Staatsarchiv übergeben.
Urkunden bis 1500 in: A 602.

1. Zur Geschichte der Stadt Calw: Die genaue Entstehung des heutigen Calws ist unklar. Vermutlich ist sie im Kontext der Ansiedlung gräflicher Amtsleute und Dienstmannen unterhalb der Burg zu sehen, die im 11. Jahrhundert den ursprünglich aus Sindelfingen stammenden Grafen von Calw als Vögten des Klosters Hirsau gehörte. Aus diesem Burgweiler entwickelte sich später die nördliche Vorstadt. Die bloße Nennung eines Grafen Adalbert von Calw im vermutlich ohnehin nicht gänzlich authentischen Öhringer Stifterbrief von 1037 sowie im sogenannten ¿Hirsauer Formular¿ von 1075, die in diesem Kontext immer wieder Erwähnung finden, lässt noch nicht zwingend auf die Anfänge der historischen Kernstadt Calw schließen. Für das Jahr 1256 lässt sich in Calw jedoch ein Schultheiß urkundlich nachweisen und das älteste bislang bekannte Stadtsiegel stammt aus dem Jahr 1277, so dass Calw spätestens zur Mitte des 13. Jahrhunderts bereits Stadtrechte besaß. (1) Um 1260 war das Geschlecht der Grafen von Calw erloschen und die Herrschaft über die Stadt ging über zwei Erbtöchter an die Grafen von Schelkingen und die Pfalzgrafen von Tübingen. Bereits 1308 kaufte Württemberg den ersteren ihre Hälfte ab. Im Jahr 1345 wurde dann auch die andere Hälfte württembergisch und Calw stieg noch im 14. Jahrhundert zur württembergischen Amtsstadt auf. Schon bald bildeten sich in der Stadt mehrere Ämter heraus: Neben einem für die Amtsfinanzen zuständigen Keller gab es in Calw schon früh einen Schultheißen und einen Vogt, deren Zuständigkeiten nicht klar voneinander abzugrenzen sind und die in durchaus zeittypischer Weise als herrschaftliche ¿Beamte¿ und Vertreter der Stadt eine Doppelfunktion erfüllten. Beim Vogt unterschied man zwischen einem (adligen) ¿Obervogt¿, der nur die Oberaufsicht inne hatte, und einem (bürgerlichen) ¿Untervogt¿, der die eigentlichen Amtsgeschäfte besorgte. Das Schultheißenamt wurde um 1450 abgeschafft. Die Vertretung der Stadt übernahm fortan ein Magistrat, der von Gericht und Rat gebildet wurde. Das Gericht fungierte nicht nur seinem Namen gemäß als Kriminalgericht und zivile Appellationsinstanz für den gesamten Amtsbezirk, sondern insbesondere auch als Stadtregierung. Außerdem wählte das zwölfköpfige Gremium den sogenannten ¿Amtsbürgermeister¿, während der ¿gemeine Bürgermeister¿ durch den ebenfalls zwölfköpfigen Rat gewählt wurde, der sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts als Vertretung der bürgerlichen Gemeinde entwickelt hatte. Es war üblich, dass ¿Vogt, Bürgermeister, Gericht und Rat¿ in Urkunden gemeinsam als Vertreter der Amtsstadt auftraten. Einen rechtlich gesicherten Vorrang des Patriziats hat es in Calw zwar nicht gegeben, doch wurden die beiden genannten Gremien freilich von den besonders begüterten und damit einflussreichen Familien dominiert. (2) Im 1806 neu geschaffenen Königreich Württemberg wurde Calw zunächst zusammen mit Altburg Sitz des Oberamts, ab 1810 auch Sitz der neu eingerichteten Landvogtei Schwarzwald, die jedoch nur bis 1818 überdauerte. Eine königliche Generalverordnung sicherte den württembergischen Gemeinden 1817 weitreichende Selbständigkeit zu, die im Wesentlichen bis in die 1880er Jahre hinein Bestand haben sollte und einen wichtigen Einschnitt für die politische Entwicklung der Stadt hin zur kommunalen Selbstverwaltung darstellte. (3) Im 20. Jahrhundert kam es schließlich zu einigen Eingemeindungen: Nachdem, bereits 1933 der Ort Alzenberg der Stadt zugeschlagen worden war, erfolgte im Zuge der Großen Gemeindereform von 1975 die Vereinigung mit der Gemeinde Altburg und seinen Ortsteilen Oberriedt, Speßhardt, Spindlershof, Weltenschwann, der Gemeinde Hirsau mit Ernstmühl und der Gemeinde Stammheim mit Holzbronn unter dem Namen ¿Calw-Hirsau¿, der jedoch bereits ein Jahr später wieder zurückgenommen wurde. Seit 1976 ist Calw Große Kreisstadt. (4)

Kirchlich gehörte Calw zunächst zur Pfarrei Althengstett. Eine eigene Pfarrkirche ist seit 1275 belegt, (seit 1525 St. Peter und Paul). Das Patronatsrecht übten zunächst die Grafen von Calw, anschließend die Württemberger aus, die es 1342 dem Kloster Hirsau überließen. Im Spätmittelalter gab es ein Beginenhaus, 1495/96 wurde das Spital gegründet. Die Brückenkapelle St. Nikolaus datiert um 1400. Nach der Reformation wurde Calw Sitz eines Spezialsuperintendenten. Mit der Ausweitung der Stadt kamen im 20. Jahrhundert weitere Stadtpfarreien hinzu. Vom Spätmittelalter bis ins 16. Jahrhundert lebten einige Juden in Calw. (5) Schon im Spätmittelalter hatte sich Calw mit seinen Märkten zu einem ¿Mittelpunkt für das ländliche Umland¿ (6) entwickelt, wobei besonders die textilverarbeitenden Gewerbe bereits früh wichtige Stützen der Calwer Wirtschaft in der Vormoderne darstellten. Beispielsweise bestritten 1634 rund zwei Drittel der Calwer Bevölkerung ihren Lebensunterhalt mit der Erzeugung von Tuche und Zeug. (7) Daneben waren im frühneuzeitlichen Calw auch das Gerberhandwerk, die Holzflößerei, der Holz-, Wein- und Salzhandel von einiger Bedeutung, wie Calw überhaupt in erster Linie als überregional bedeutsame Handelsstadt einen beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwung erfuhr. (8) Ganz besonders deutlich wird dies beim Blick auf die 1622 gegründete und bis 1797 bestehende Calwer Zeughandlungscompagnie, einem Zusammenschluss von Calwer Färberverlegern, die nicht bloß die gesamte Region in die Produktion einbezogen, sondern ihre Waren bisweilen europaweit abzusetzen vermochten. (9) Der wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend stieg auch die Bevölkerung Calws in der Frühen Neuzeit stark an. Lebten 1622 noch ¿nur¿ 2545 Menschen in Calw, so waren es 1634 schon 3892. (10) Lediglich die Besetzung im Dreißigjährigen Krieg durch kaiserliche Truppen im Jahr 1634 und 1692 im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch französische Truppen und die damit jeweils einhergehenden, weitreichenden Zerstörungen der Stadt warfen diese gleichsam lineare Wachstumsentwicklung erheblich zurück. Insgesamt betrachtet müssen die beiden Daten 1634 und 1692 als die einschneidendsten Jahre der Calwer Geschichte angesehen werden. (11) Zu keinem späteren Zeitpunkt erfuhr die Stadt noch einmal ähnlich tiefgreifende Zerstörungen. Im Zweiten Weltkrieg blieb sie verhältnismäßig verschont (12), weshalb nicht zuletzt auch heute noch das Stadtbild der historischen Altstadt von den Fachwerkbauten aus der Zeit des Wiederaufbaus im 18. Jahrhundert geprägt ist. (13) Im 19. Jahrhundert machte sich auch in Calw der Strukturwandel deutlich bemerkbar. Zwar behielt die Textilbranche unter den sich wandelnden Bedingungen auf lokaler Ebene ihre bedeutende Stellung, doch waren die großen Zeiten der über die Landesgrenzen hinaus agierenden Compagnie und damit die Tage Calws als Handelsstadt mit überregionaler Geltung vorbei. (14) Kaum mehr von Bedeutung waren an der Wende zum 20. Jahrhundert die ehemals wichtige Holzflößerei sowie das Gerberhandwerk. (15) Im 20. Jahrhundert hatte sich auch in Calw eine in zunehmendem Maße globalisierte (Groß-)Industrie ihren Weg gebahnt. (16)

2. Zur Geschichte des Bestandes: Der im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrte vorliegende (Selekt-)Bestand der Stadt Calw kam 1887/88 im Kontext staatlicher Bemühungen um die Archivpflege württembergischer Städte und Gemeinden in das Staatsarchiv. Er 181 Urkunden und 4 Büschel aus der Zeit zwischen 1503 und 1780. Einen wichtigen Teil bilden dabei Leumundszeugnisse über nach Calw zugezogene Personen, die durch ihre Heimatgemeinden ausgestellt worden waren, darüber hinaus auch einige Gültbriefe sowie Urkunden, die verschiedene Gegenstände betreffen. Die wenigen Urkunden aus der Zeit vor 1501 wurden wie üblich aus dem Bestand entnommen und in die Württembergischen Regesten (A 602) eingegliedert. Die Bearbeitungsgeschichte des Bestandes ist weitgehend unbekannt. Das vorliegende Online-Findmittel wurde 2015/16 durch die Archivinspektoranwärterinnen und -anwärter Christoph Dembek, Niklas Rösler, Sandra Rosenbruch und Florian Stabel auf Grundlage eines älteren, undatierten, handschriftlichen Findbuchs erstellt. Die Retrokonversion folgte in der Regel der Vorlage; ein Abgleich am Bestand wurde nicht vorgenommen. Jedoch wurden die einzelnen Titelaufnahmen konsequent mit Orts- und Personendeskriptoren versehen, wobei nach Möglichkeit Normdeskriptoren verwendet wurden. Der Bestand stellt insbesondere für die Zeit vor 1700, die aufgrund der Zerstörungen Calws im Dreißigjährigen Krieg und im Pfälzischen Erbfolgekrieg (s. u.) nur schlecht überliefert ist, eine wichtige Überlieferung dar, die nicht nur aufgrund der vielen Namensnennungen für Ahnenforscher, sondern auch besonders für die Historische Migrationsforschung von einigem Interesse sein dürfte. Weitere Unterlagen über die Stadt Calw finden sich in folgenden Beständen: Hauptstaatsarchiv Stuttgart Bestand A 206 Oberrat, Ältere Ämterakten A 213 Oberrat, Jüngere Ämterakten A 333 Calw W A 333 L Calw W (Ludwigsburger Ablieferung) A 334 Calw G A 334 L Calw G (Ludwigsburger Ablieferung) A 284/19 Kirchenrat, Ämterakten A 602 Württembergische Regesten Staatsarchiv Ludwigsburg Bestand D 73 Landvogtei im Schwarzwald Staatsarchiv Sigmaringen Bestand Wü 65/7 T 1-3 Oberamt/Landratsamt Calw Kreisarchiv Calw Oberamt/Landkreis Calw (17)

Das Gros der städtischen Überlieferung Calws, allen voran die Stadtgerichts- und Gemeinderatsprotokolle wie auch Inventuren und Teilungen, befinden sich im Stadtarchiv Calw, Im Zwinger 20, 75365 Calw (http://www.calw.de/Stadtarchiv/Bestände). Stuttgart, im Februar 2016 Florian Stabel Johannes Renz

Anmerkungen: (1) Vgl. Hellmut J Gebauer: Die Stadt und ihre Entwicklung. Calw 2008, (Calw - Geschichte einer Stadt), S. 12-19 (2) Vgl. ebd., S. 27-29 (3) Vgl. ebd., S. 244-246 (4) Vgl. ebd., S. 149f. (5) Vgl. N.N.: Calw [Altgemeinde/Teilort]. Kirchengeschichte. In: Leo-BW. URL: http://leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/6981/Calw+%5BAltgemeinde-Teilort%5D (aufgerufen am 19.2.2016). (6) Vgl. Gebauer, S. 36. (7) Vgl. Gerd Höschle, Wirtschaftsgeschichte I. Von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert. Calw 2006 (Calw - Geschichte einer Stadt), S. 14 (8) Vgl. Gebauer, S. 65 (9) Vgl. Höschle, S. 13-25 (10) Vgl. Höschle., S. 15. Zur Entwicklung der Einwohnerzahlen vom 16. bis ins 21. Jahrhundert siehe auch Gebauer, S. 325f. (11) Vgl. dazu bes. Gebauer, S. 56-62 (12) Vgl. Gebauer, S. 131f. (13) Vgl. N.N.: Calw [Altgemeinde/Teilort]. Geschichte. In: Leo-BW. URL: http://leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/6981/Calw+%5BAltgemeinde-Teilort%5D (Abruf am 22.02.2016). (14) Vgl. Höschle, S. 66, 81 (15) Vgl. Höschle, S. 55 (16) Vgl. Höschle, S. 85-174 (17) Teilweise online recherchierbar unter https://www.kreis-calw.de/Service-Verwaltung/Verwaltung/Dezernate-und-Abteilungen/Dezernat-5-Infrastruktur/Schulen-und-Kultur/Kreisarchiv/Best%C3%A4nde

Literatur: Archiv der Stadt Calw; Sparkasse Pforzheim Calw [Hrsg.]: Calw. Geschichte einer Stadt. 28 Bände. Calw 2005-2011. Davon u. a.: Hellmut J. Gebauer, Die Stadt und ihre Entwicklung. Calw 2008 Irene Göhler, Die Grafen von Calw. Calw 2006 Gerd Höschle, Wirtschaftsgeschichte I. Von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert. Calw 2006 Gerd Höschle, Wirtschaftsgeschichte II. 19. und 20. Jahrhundert. Calw 2005 Roman Janssen, Roman: Kirchengeschichte I. Vom Mittelalter bis zur Reformation. Calw 2005 Hermann Ehmer, Kirchengeschichte II. Von der Reformation bis zum 18. Jahrhundert. Calw 2007 Reiner Filk, Die Textilindustrie in Calw und Heidenheim 1750-1870. Eine regional vergleichende Untersuchung zur Geschichte der Frühindustriealisierung und der Industriepolitik in Württemberg, Stuttgart 1990 (Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. Beihefte; Bd. 57) K. Statistisch-Topographisches Bureau [Hrsg.]: Beschreibung des Königreichs Württemberg. Bd. 40: Eduard Paulus, Beschreibung des Oberamts Calw, Stuttgart 1860, S. 128-178 Hans-Martin Maurer, Stephan Molitor, Peter Rückert, Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Altwürttembergisches Archiv. (A-Bestände). 2. Aufl., Stuttgart 1999 (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Bd. 32). N.N.: Calw [Altgemeinde/Teilort]. In: Calw [Altgemeinde/Teilort]. Geschichte.¿ In: Leo-BW. URL: http://leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/6981/Calw+%5BAltgemeinde-Teilort%5D. Paul Rathgeber, Der Wiederaufbau der zerstörten Städte am Beispiel Calws. In: Fritz, Gerhard [Hrsg.]: Der Franzoseneinfall 1693 in Südwestdeutschland. Ursachen, Folgen, Probleme, Remshalden-Buoch 1995 (Historegio, Bd. 1), S. 107-117

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 571
Umfang
181 Urkunden, 4 Büschel (1,10 lfd. m)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Gemeinden

Bestandslaufzeit
1503-1780

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1503-1780

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