Bestand

Hofesarchiv Dicker (Bestand)

Vorwort Der Dickerhof, in der Hardter Honschaft des Kirchspiels Willich, Amt Linn in südlicher Grenzlage an der Landwehr zum Amt Liedberg gelegen, verdankt seinen Namen wohl einer an ihm vorbeiführenden, durch ehemaliges Sumpfland erhöht angelegten Straße (= Diek) (Vgl. H. Dittmeier, Rheinische Flurnamen, Bonn 1963, S. 49), 1575 "auf der Rennen" genannt deren Kiesdamm noch 1882 fast 2 m hoch erhalten war ( Vgl. R. Germes, Die Geschichte Schiefbahns, M.-Gladbach-Schiefbahn 1934, S. 9. Ob dieser Fahrweg, wie Germes meint, auf eine Römerstraße zurückzuführen ist, die nach H. Schneider, Bonner Jahrbuch 73, S. 2, von Moers östlich an Krefeld vorbei über Willich-Schiefbahn- Kleinenbroich-Bedburdyck nach Zülpich geführt haben soll, steht dahin. M.E. wäre eher ein Zusammenhang des römischen Straßennetzes mit der alten, am "hohlen Tolhaus" ca. 300 m östlich des Dickerhofes (erstmals gen. 1348, vgl. Th. J. Lacomblet, Urkdb. f. d. Gesch. d. Ndrh. 3, S. 368 nr. 457) vorbei und durch das Dorf (Neußer Str., Hochstr., Markt, Bahnstr.) und die Kraphauser Honschaft (Schorfackershof) führende Fernverkehrsstraße Neuß-Kempen zu untersuchen, in deren Nähe 1914 römische Funde gemacht wurden (vgl. KrA Kempen, GemArchiv Willich (GAW) C XII 7,1). Die Rennerstraße (in Schiefbahn heute: Römerstraße) wird ihren Namen jedenfalls nicht von den Römern, sondern von dem dem Dickerhof benachbarten und im 18. Jahrhundert untergegangenen Renneserb (=Reinartz, Reinerus) erhalten haben. - S. dagegen die durch die unten aufgeführten Lebensvorgänge widerlegte Auffassung von Lefanc-Lentzen, Geschichte der Pfarreien des Dekanates Krefeld, M.Gladbach 1899, S. 327, die den Namen auf die Grafen von Dyk zurückzuführen, übernommen von P. Opladen, Aus der Geschichte der kath. Pfarre Willich bei Krefeld, Ms im KrA Kempen, S. 14). Als dompröpstliches Lehensgut gehörte er zu einem zusammenhängenden Siedlungskomplex von Kurmudsgütern (Zur Bedeutung dieser grundherrlichen Sterbeabgabe (=Kur = Wahl, Mede = Gabe) und des von den Kurmudsgütern alljährlich zu entrichtenden Fahrzins vgl. H. Rösen, Die dompropsteilichen Kurmudsgüter in Willich und 0sterath, in: Die Heimat (Krefeld) 33 (1952), S. 109-111), die von einem nordwestlich des Dorfbezirks "am Gronewald" in "Spewielre' (Willich?) gelegenen Fronhof sternförmig bis an den Rand der fruchtbaren Willich-Osterather Lehnplatte vorgeschoben worden sind. Die frühe Bedeutung des Hofes erhellt aus der Namensgebung der noch heute so genannten Dickerheide und des Dickerbuschs (1501 : 14 Morgen). Beide waren Ödländereien, die wegen ihrer Streulage zwischen der Ackerfläche der Honschaft nicht als unkultiviertes Land angesehen wurden, über das dem Landesherrn die Verfügungsgewalt zugestanden hätte (= "gemeine Heide"), sondern als Eigentum der Honschaftsgemeinde galten, das diese dem nächstliegenden Hof als "Anschuß" zur Nutzung überließ (Für den Dickerhof vgl. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (HSAD), Kurk. II 2740), auf das sie jedoch jederzeit als Vermögensrücklage zurückgreifen konnte.Als frühester Besitzer des Dickerhofes ist Bruyn, der Sohn Gerhards von der Porten, überliefert. 1489 und 1498 wurde er mit seiner Frau Elisabeth als Nachfolger Johann von der Duncks durch den Dompropst mit der Hälfte des Dickerhofs belehnt; die andere Hälfte gehörte Greta von Asselt und ihren Kindern (Vgl. W. Föhl, Das niederrheinische Adelsgeschlecht von der Porten, Mitt. d. Westdt. Ges. f. Familienkunde XXIII 3 (Sept. 1967), Sp. 131 (Sta Köln Domstift Lehnbuch d. Dompropstes Bl. 150, 167-169). Für den frdl. Hinweis habe ich dem Verfasser zu danken.). Bruyn verkaufte seinen Anteil am 7. März 1498 für 520 Gulden an das Tertiarier-Kloster St. Nikolaus bei Schloß Dyck. Seinem Beispiel folgte Grete von Asselt am 4. Februar 1501. Schutz und Mannschaft verlieh der Dompropst (1501/1563) Heinrich von Schlickum (Vgl. P.G. Allmang, Geschichte des Regulartertiarierklosters St. Nikolaus, Essen 1911/2 nr. 184, 187, 188, 190, 268). Nach einer Vermessung, die der Prokurator des Klosters, Bruder Johann von Dortmund, am 3. Oktober 1501 durch den geschworenen Landmesser Heinrich opper Donk vornehmen ließ, umfasste das Anwesen, Hof, Haus, Scheune und Hofstatt nicht mitgerechnet, 101 Morgen, 3 Viertel 6 Ruten und 9 Fuß, davon waren 80 Morgen bebautes Artland und 14 Morgen Busch (Vgl. ebenda (1), S. 30, S. 194 nr. 193) (1660: 77 3/4 Morgen, davon 42 3/4 gutes, 25 mittelmäßiges und 10 Morgen schlechtes Land (Vgl. HSAD Kurk. II 1118 fol. 32)).Um eine durch den Truchsessischen Krieg (1583 - 1590) entstandene Schuldenlast von 5000 Talern abzutragen, verkaufte das Kloster das Anwesen 1587 an Godert von Troestorff, Pächter und Halfmann von Biekhausen, und Christine von Wankum, seine Ehefrau, für insgesamt 3400 Taler. Vor dem Verkauf mussten sich die Patres gegenüber Kurfürst Ernst von Bayern zum Ankauf eines gleichwertigen Gutes innerhalb von 10 Jahren verpflichten (Vgl. HSAD Kurk. II 1740; Allmang, a. a. 0., S. 30). Als weitere Lehensträger treten Johann Stambß, Bürgermeist zu Gladbach (1627), Johann Bernardt Danielß aus Mörs (?) (1657) und die Familie von Backum zu Lathum (1745) (Vgl. Sta Köln Domstift Akten 64, Dompröpstl. Fahrzins-und Behandigungsreister, nr. 76). Am 31. 8. 1753 wurden Hof und Lehen von den Pächtern Wilhelm und Sophia Dicker durch Ankauf von Freiherr Bertolt v. Belven und seine Gemahlin, Freifrau C. A. v. Belven geb. v. Backum, als Eigentum erworben (Vgl u. nr. 11). Die nächste Belehnung erfolgte 1757 nach dem Tode des Matthias Dicker an seine Mutter Sophia Borger, Witwe des og. Wilhelm. Die Behandigung erfolgte an Stelle ihres unmündigen jüngeren Sohnes Jakob (Wie Anm. 9), den der Dompropst 1764 als Lehensträger einsetzte (Vgl. u. nr. 16 den Lehensbrief von 1764 Mai 17. S. auch die Aufforderung zur Eidesleistung (1786) in nr. 3212). 1793 erscheint als letzter Kurmudsträger seine nicht näher genannte Witwe für ihren jüngsten Sohn Conrad .(Wie Anm. 9).Bis zum Verkauf an die Pächterfamilie 1753 wurde der Hof in der bei Unterpachtung üblichen Halbwinnung bewirtschaftet. Die Pacht machte ursprünglich die Hälfte des Rohertrages aus, wurde aber später normiert und blieb dann von Generation zu Generation unverändert bestehen. Als "Halfen" (Halfmänner) des Dickerhofes sind 1507 Gördt Weytz, 1667 Peter, 1687 Gördt, 1735 und 1745 Wilhelm Dicker verzeichnet (Vgl. Sta. Köln, Domstift Akten 64, Behandigungsregister nr.29, 76). Die Länderei des Dickerhofes war von alters her "frei", der Hof somit ein freies oder Plattengut, das als einzige Abgabe den grundherrlichen Fahrzins an den Dompropst (7 1/2 bzw. 8 albus) zu entrichten hatte. Zum Hofbesitz gehörte eine Weide- und Holzgerechtigkeit im Schiefbahner Bruch (Vgl. Allmang, a. a. 0., .5- 194 nr. 193; St a Köln Domstift Akten 64, Einkünfteregister des Fronhofs (1496); HSAD Kurk. II 2740). Die Herkunft der "adeligen oder freien Plattengüter", die sich allgemein durch umfangreichen Landbesitz und hohes Alter auszeichnen, ist ungeklärt. Ihre früheren Besitzer waren einst wohl Frei- oder Freieigenleute, die als landesherrliche Hörige in der mittelalterlichen Standeshieratrchie ihren Platz zwischen den Freidienstleuten (= bäuerliche Ministerialen) und den Laten (= grundherrliche Hintersassen) einnehmen; andere, wie der Vohwinckelerhof, ein anderes Willicher Lehensgut des Kölner Dompropstes, sind Sitze niederadeliger oder bäuerlicher Ministerialen gewesen. Die Privilegierung der Plattengüter ge¬genüber den "unfreien Hausmannshöfen" drückte sich vor allem darin aus, daß sie nur einen Bruchteil der Gemeindesteuer zu entrichten hatten, die die Honschaft alljährlich in der "Schatzsetzung" von ihren Insassen erhob. Demgegenüber waren die Freihöfe wie die gewöhnlichen Dienstgüter verpflichtet, "an den Rheindiensten, landtwehren und heerstraßen alle nothwendigkeit zu verbessern zu helfen' (Vgl. KrA Kempen, GAW A III 1,1;2,2-4, 13, ferner HSAD Kurk. II 2728. Vgl. auch unten nr. 1, 2).Bedeutungsvoll erscheint, dass noch im 18. Jahrhundert der Besitzer der dem Dickerhof benachbarten Kollenburg, Freiherr Johann Wilhelm Joseph von Hertmanni (1676 - 1749), die Schaftrift des Dickerhofes auf den anliegenden Grundstücken als Anmaßung und Verletzung seiner Gerechtsame auffasste. 1723 nahm er auf der Weide von Tilman Rulandt (zwischen Heiligenweg und Tilmeshof) dem Dickerhover Schäfer Henrich Hecken sein Amtssymbol, die Schüppe, ab, verprügelte ihn und seinen Hund und ließ ihn die Schafe auf die Kollenburg treiben, wo sie bis zum Nachmittag im Brauhaus eingesperrt wurden. Bei der Rückgabe fehlte eines der besten Tiere. Im Jahre darauf schoß der Freiherr nach hartnäckiger Verfolgungsjagd den einen der Hunde des Schäfers nieder; 1726 zerbrach er ihm die Schüppe. Nach der Aussage Gordt Dauffes, 1677 als Schäfer auf Haus Kollenburg angestellt, hatte der damalige Besitzer keinen Anspruch "auf einen sicheren und indisputierlichen Distrikt, die Schaff zu weiden", erhoben (Vgl. GAW A V 1, 4 - Et a Krefeld Bestand 40/7). Hertmanni versöhnte den Bauern schließlich mit einer wertvollen Spiegelgarnitur, die sich noch heute auf dem Hof befindet.Der umfangreiche Grundbesitz mit seinen reichen Einkünften gestattete den Pächtern des Dickerhofes nicht nur, 1687 und 1735 auch den dompröpstlichen Planckerhof zu Lehen zu nehmen (Vgl. Sta Köln Domstift Akten 64, Behandigungsregister nr.29) - er machte es ihnen auch möglich, als "Meistbeerbte" (in Willich Inhaber von mehr als 40 Morgen) aktiven Einfluß auf die kommunale Selbstverwaltung der Willicher Honschaften und der von ihnen auf Kirchspielsebene gebildeten Gesamtgemeinde zu nehmen. Die Meistbeerbten stellten die von den Honschafts-insassen zu wählenden Vorsteher, verfertigten das Verzeichnis der "Billetter" (=Anteilscheine der Kriegslasten zu 60 Morgen) und ernannten und beaufsichtigten den "Kirchspielschreiber", der den Schriftverkehr der Zivilgemeinde erledigte und die "Kirchspielsrechnung" schrieb. Bis 1919 galt die alte Landgemeindeordnung der Rheinprovinz, die den Meistbeerbten die entscheidende Einflußnahme auf die Gemeindeverwaltung zuerkannte. Die Kontinuität der alten Honschaftsverfassung zur Gesamtgemeinde des 19. Jahrhunderts zeigt beispielhaft die Ernennung des Honschaftsvorstehers Andreas Dicker zum Mitglied des Munizipalrates, der proportional zur Honschaftseinteilung zusammengesetzt werden sollte (Vgl. GAW B), durch den Präfekten der französischen Departementsverkaltung (1802), der ihn 1811 auch zum Mitglied der Willicher Kirchenfabrik ernannte (Vgl. unten nr. 50, 61, 67). Eine weitere, wenn auch nicht immer angenehme Tätigkeit (ohne Aufwandsvergütungen) war die Ausübung des Schöffenamtes des dompröpstlichen Hofgerichts, zu dem jede Honschaft von altersher zwei Latenschöffen (Heyen) zu stellen hatte, die uns bereits für das 13. Jahrhundert überliefert sind (Vgl. Sta Köln Domstift Akten 64, Gerichtsprotokolle und Einkünfteregister des Fronhofs). Jacob, der Sohn des Schöffen Wilhelm Dycker (Amtstätigkeit: 1705 - 1757), hat versucht, die Amtsübernahme zu verweigern, ist damit aber nicht durchgekommen und hat von 1773 bis 1782 als Hye fungiert (Vgl. ebda, Behandigungsregister und unter nr. 22,23,25).Von der Familie, die auch heute noch in jahrhundertalter Tradition den Hof bewirtschaftet, hat sich zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine Linie im Willicher Dorf niedergelassen, dort die Branntweinbrennerei und Bierbrauerei betrieben und während des ersten Weltkrieges durch die Vereinigung ihres Braubetriebes mit denen der Familien Hausmann und Schmitz eine Brauerei mitbegründet, die durch die bald darauf erfolgte Fusion mit der Hannen-Brauerei Korschenbroich zu einer der bedeutendsten Brauereien des Rheinlandes ausgebaut wurde. Zu diesem Zweig gehört auch Otto Dicker, der lig 1870 in Aachen die Rheinische Wasserglasfabrik mitbegründet hat.Bei Übernahme der Archivalien 1971 wurde jedes einzelne Stück mit einer Nummer in Bleistift versehen, um deren Vollständigkeit bei Rückgabe zu garantieren. Nach Erstellen der Regesten, wurden die Archivalien chronologisch geordnet und repertorisiert. Bei den Zahlen in Klammern hinter der lfdn. Nr. handelt es sich um die erste lfd. Zählung.Alle Urkunden die keinen Hinweis auf Stoff und Beschaffenheit tragen, sind in Original Papier und ohne Siegel.Der Bestand wurde 1972 von Stefan Ank verzeichnet.

Bestandssignatur
M 13
Umfang
1 Karton

Kontext
Kreisarchiv Viersen (Archivtektonik) >> M Haus-, Hofes- und Familienarchive

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Letzte Aktualisierung
23.06.2025, 08:11 MESZ

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